Nach Bootsunglück Migrationsstreit belastet Beziehungen zwischen Frankreich und Großbritannien weiter

Die beiden Staatsmänner (hier beim G20-Gipfel in Rom) fechten derzeit eine Reihe von Konflikten aus.
Paris Es vergeht derzeit kaum ein Tag, an dem es nicht einen neuen Zwist zwischen Frankreich und Großbritannien gibt. Der Krach um die Fischerei und die Migration belastet in Nach-Brexit-Zeiten die Beziehung zwischen den beiden Ländern. Das Verhältnis ist blockiert, denn eine wirkliche Lösung gibt es bisher nicht.
Frankreich und Großbritannien weisen sich bei den beiden Themen gegenseitig die Schuld zu. Großbritanniens Premierminister Boris Johnson steht innenpolitisch unter Druck und muss sich deshalb hart zeigen. Frankreich würde gern die Abkommen mit Großbritannien neu verhandeln.
Nach dem Kentern eines Migrantenboots im Ärmelkanal auf dem Weg nach Großbritannien mit 27 Toten am Mittwoch ist die Lage nun noch angespannter. Zahlreiche britische Medien zeigen mit dem Finger auf Frankreich, weil es diese Situation zugelassen hat.
Boris Johnson hat einen verärgerten Brief an Frankreichs Präsident Emmanuel Macron geschrieben, der zudem noch veröffentlicht wurde. Er wirft Frankreich darin mangelnden Einsatz vor und erhöht den Druck auf Paris, die Überfahrten zu verhindern. Ein bilaterales Abkommen aus dem Jahr 2004 trägt Frankreich den Schutz der britischen Grenze auf: Es muss die Flüchtlinge an der Überfahrt hindern.
Johnson will ein zusätzliches Abkommen zur Rückführung von Migranten. Damit soll Schleusern das Geschäft verdorben werden. Er forderte auch gemeinsame Patrouillen mit Frankreich, was Paris jedoch zurückwies.
Britische Innenministerin beim Migrationstreffen ausgeladen
Die EU-Regelung über die Rückführung von Asylsuchenden gilt für Großbritannien seit dem Brexit nicht mehr. Frankreich wertete die Forderung als Affront, und der französische Innenminister Gérald Darmanin lud die britische Innenministerin Priti Patel vom Migrationstreffen am Sonntag im nordfranzösischen Calais mit Ministern aus Deutschland, Frankreich, Belgien, der Niederlande und Vertretern der EU-Kommission aus. Das ist ein starkes Zeichen der Empörung, aber gleichzeitig eine Verzögerung der Verhandlungen über das Migrationsthema. Großbritannien appellierte, die Ministerin wieder einzuladen.
In Großbritannien wurde die Kritik laut, dass legale Einwanderungsmöglichkeiten fehlten – gleichzeitig soll die Einwanderung von der Regierung noch erschwert werden. Die Frage ist allerdings, wo die Asylsuchenden überprüft werden sollen. Frankreich will dafür die Verantwortung nicht übernehmen, und Großbritannien will die Überprüfung nicht erst auf britischem Boden.
Macron wies die Forderungen, die Johnson in seinem Brief erhoben hatte, zurück: Er erwarte von den Briten „dass sie es unterlassen, eine dramatische Situation für politische Zwecke zu instrumentalisieren“. Es müsse eine Kooperation geben, um die Krise zu bewältigen.
Dabei hatten London und Paris erst gerade ein neues Kooperationsabkommen vereinbart, um die wachsende Zahl der Migranten zu stoppen. London sagte dabei 62,7 Millionen Euro zu, um die französischen Behörden zu unterstützen. Das Geld kommt laut französischen Medien kleckerweise an. Frankreich dagegen braucht 200 Millionen Euro pro Jahr, um den Küstenabschnitt von rund 100 Kilometern zu schützen.
Macron fordert Hilfe von der EU
Das britisch-französische Verhältnis ist wegen des Streits um Fischfangrechte im Ärmelkanal ohnehin schon schwierig. Der Krach spitzte sich durch erneute Blockaden der französischen Fischer beim Eurotunnel und in mehreren französischen Häfen am Freitag noch zu. Sie verlangen mehr Härte von Frankreichs Regierung in den Verhandlungen mit den Briten. Eine verfahrene Situation.

Französische Fischerboote blockieren die Einfahrt zum Hafen von Saint-Malo.
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron fordert Hilfe von der EU und verlangt die Stärkung der Grenzschutzpolizei Frontex. Frankreich sei nur ein Transitland für Migranten, deswegen sei mehr europäische Zusammenarbeit notwendig, um die illegale Einwanderung zu bekämpfen. Er kündigte aber auch an, die Kontrollen an seinen nördlichen Küsten zu verstärken.
Währenddessen bekommt er Druck von allen Seiten, denn ein wichtiges Thema in Frankreichs Präsidentschaftswahlkampf ist die Einwanderung. Der Tenor in Frankreich ist aber vor allem: Die Außengrenzen Europas müssen stärker geschützt werden, und es muss Druck auf die Herkunftsländer und Schleuser gemacht werden.
Aus konservativen politischen Kreisen verlautet, illegale Immigration müsse eingeschränkt werden. Der konservative Präsidentschaftskandidat und frühere Brexit-Chefunterhändler, Michel Barnier, bezeichnete die Forderung der Rücknahme der Migranten als „erneute Provokation“ von Boris Johnson. Aus den linken Reihen verlautet, die Migranten müssten in Frankreich besser untergebracht werden. Doch eine wirkliche Lösung gibt es bisher nicht. Währenddessen sind ständig neue Boote unterwegs nach Großbritannien.
Mehr: Mindestens 27 Tote bei Untergang von Migrantenboot im Ärmelkanal – Macron und Johnson beraten.
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