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Nach Putschversuch Wie der Föderalismus Äthiopiens Aufschwung gefährdet

Ein gescheiterter Putschversuch steht symptomatisch für die explosive Lage in Äthiopien. Der Föderalismus sorgt für heftige ethnische Spannungen.
25.06.2019 - 14:34 Uhr Kommentieren
Der äthiopische Präsident Abiy Ahmed hat seit seinem Amtsantritt vor 15 Monaten tiefgreifende politische und wirtschaftliche Reformen eingeleitet. Quelle: AP
Abiy Ahmed

Der äthiopische Präsident Abiy Ahmed hat seit seinem Amtsantritt vor 15 Monaten tiefgreifende politische und wirtschaftliche Reformen eingeleitet.

(Foto: AP)

Kapstadt In Addis Abeba zeigt sich Afrika auf den ersten Blick von einer ungewohnten Seite: Anders als in weiten Teilen des Kontinents gibt es in der Hauptstadt Äthiopiens derzeit kaum ein Viertel, in dem keine Baukräne in den Himmel ragen. Die „neue Blume“, wie die Fünf-Millionen-Metropole in der Landessprache Amharisch heißt, ist in den letzten zehn Jahren stark gewachsen – und steht für den wirtschaftlichen Fortschritt der Region.

Afrikas jüngster Hoffnungsträger hat dennoch mit enormen politischen Problemen zu kämpfen. Das liegt nicht zuletzt daran, dass seine Machthaber nach dem Sturz des brutalen kommunistischen Militärregimes im Jahre 1991 eine ganz besondere Variante des Föderalismus eingeführt haben. Und diese sorgt im Zusammenspiel mit der jüngsten politischen Lockerung nun verspätet für starke ethnische Spannungen.

Symptomatisch für die seit Längerem explosive Lage im Land ist ein am Wochenende gescheiterter Putschversuch. Dabei hatte offenbar eine Gruppe von Soldaten unter Führung eines ranghohen Offiziers in der Provinz Amhara die dortige Regionalversammlung angegriffen und den ansässigen Gouverneur getötet. Dies ist zumindest die Version des Vorfalls, mit der Präsident Abiy Ahmed am Sonntag vor die Nation trat.

Fast zeitgleich mit dem Putsch wurde in Addis Abeba Militärchef Seare Mekonnen in seinem Haus von einem Leibwächter erschossen. Beide Ereignisse sollen in einem Zusammenhang stehen. Inzwischen sind offenbar die meisten der Putschisten festgenommen worden. Ihr Anführer soll sich aber noch auf der Flucht befinden. Dabei handelt es sich nach Regierungsangaben um einen Brigadegeneral, der wegen mehrerer Verstöße im Gefängnis gewesen und erst kürzlich von Präsident Abiy begnadigt worden sei.

Der mutmaßliche Putschversuch ist ein weiterer Rückschlag für den 42-jährigen Abiy, der seit seinem Amtsantritt vor 15 Monaten tiefgreifende politische und wirtschaftliche Reformen eingeleitet und auch einen Friedensprozess mit dem lange verfeindeten Nachbarn Eritrea vorangetrieben hat. Seine Reformen, darunter die Freilassung Tausender politischer Gefangener, hatten in der Bevölkerung großen Anklang gefunden – aber auch hohe Erwartungen geweckt.

So gab es seit den von Abiy forcierten Reformen mindestens einen Anschlag auf ihn und seine Regierung: Vor zwölf Monaten zündeten Feinde des Präsidenten bei einer Kundgebung Abiys eine Handgranate. Neun Polizisten wurden später dafür verhaftet. Im Oktober hatten zudem Soldaten in einem Streit über ihre Bezahlung rebelliert. Die äthiopischen Streitkräfte gehören zu den größten und schlagkräftigsten in Afrika.

Mit dem Putsch sind nun wieder der Föderalismus und die ethnische Zersplitterung des Landes in den Fokus gerückt. So zwingen die neu ausgegebenen Personalausweise die Bevölkerung, eine bestimmte Volkszugehörigkeit zu wählen, obwohl viele eigentlich eine ethnisch gemischte Herkunft haben. Auch die für die jeweiligen Volksgruppen geschaffenen Territorien sind umstritten. Die Regierung schrieb dabei lückenhafte Grenzen fest – und beschwor damit heftige Streitigkeiten herauf.

Als der Föderalismus 1995 in die Verfassung geschrieben wurde, um die Forderungen der verschiedenen Befreiungsbewegungen zu erfüllen, schien er die einzige Möglichkeit zur Befriedung des ethnisch tief gespaltenen Landes zu sein. Die neuen Machthaber glaubten damals, dass die ethnischen Loyalitäten mit dem zunehmenden Wohlstand der Bevölkerung allmählich verschwinden würden. Doch dazu sind die wirtschaftlichen Fortschritte offenbar zu gering, zu langsam und ungleichmäßig verteilt gewesen. Inzwischen befürworten deshalb immer mehr Beobachter eine Bewegung hin zur Einheit des Landes.

Wirtschaftlich ist Äthiopien in den letzten Jahren zweifellos besser als das übrige Afrika vorangekommen. So entstand mit chinesischer Expertise eine Bahnstrecke, die von Addis Abeba zum Seehafen Dschibuti am Horn von Afrika führt – und vor zwei Jahren eingeweiht wurde. Die Strecke hat die Transportzeit für Güter fast halbiert und dem Land einen Anschluss ans Meer gegeben, den es mit der Unabhängigkeit seiner früheren Provinz Eritrea vor 28 Jahren verloren hatte.

Dennoch bleiben die wirtschaftlichen Aussichten vage – auch, weil sich die regierende Ethiopian People’s Revolutionary Democratic Front bis vor Kurzem strikt am Vorbild Chinas orientiert hat. So sind die Eigentumsrechte im Land fast überall ungeklärt, was viele Investoren von einem stärkeren Engagement abhält.

Doch ohne ein schnelleres Wachstum seiner Industrieproduktion wird Äthiopien kaum all die Arbeitskräfte absorbieren können, die wegen der landwirtschaftlichen Modernisierung ihren Job im Agrarsektor verloren haben. Denn in der äthiopischen Landwirtschaft sind noch rund drei Viertel der fast 100 Millionen Einwohner des Landes beschäftigt.

Mehr: Der ANC hat die Wahlen in Südafrika wieder gewonnen. Für das Land bedeutet eine weitere Amtszeit von Präsident Ramaphosa vor allem Stagnation.

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