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Nachruf Das Gewissen Südafrikas: Anti-Apartheidskämpfer Desmond Tutu ist tot

Der frühere Erzbischof von Kapstadt setzte sich im befreiten Südafrika für Frieden und Aussöhnung ein – und wurde zum streitbaren Kritiker der ANC-Regierung.
26.12.2021 - 13:41 Uhr Kommentieren
Südafrikas Friedensnobelpreisträger Desmond Tutu ist im Alter von 90 Jahren gestorben. Quelle: dpa
Desmond Tutu (2017)

Südafrikas Friedensnobelpreisträger Desmond Tutu ist im Alter von 90 Jahren gestorben.

(Foto: dpa)

Kapstadt Dass der kleine Mann mit dem ansteckenden Lachen viel Temperament hatte, wusste in Südafrika jeder. Doch dass sich Desmond Tutu nach allem, was er unter der Apartheid durchlebt hatte, noch einmal derart empören konnte, war schon bemerkenswert.

Gerade wegen seines Naturells war der Friedensnobelpreisträger vor zehn Jahren so zornig darüber, dass ausgerechnet der von ihm jahrelang unterstützte Afrikanische Nationalkongress (ANC) die Dreistigkeit besaß, dem Dalai Lama die Einreise zu Tutus 80. Geburtstag nach Südafrika zu verwehren. „Wir werden für die Ablösung dieser Regierung beten, genau wie wir einst für das Ende der Apartheidregierung beteten“, schäumte Tutu damals. „Denn diese Regierung ist schlimmer als das Apartheidregime, schon weil man von dem solche Dinge erwarten durfte.“

Es war das letzte Mal, dass sich Tutu nach dem selbst verordneten Ruhestand politisch richtig lautstark zu Wort meldete.

Immer wieder erzählte er in seinen letzten Jahren, wie „entsetzt“ er über den „moralischen Abstieg“ der einstigen Widerstandsbewegung und heutigen Regierung des Landes sei. „Der ANC scheint zu glauben, er allein habe Südafrika die Freiheit gebracht. Und alle anderen seien im Befreiungskampf nur Statisten gewesen. Was für ein absurder Trugschluss.“

Tutus Abrechnung mit den Erben Nelson Mandelas und mit deren Machtgier, Arroganz und Eigensucht war bis zuletzt gnadenlos. Umso mehr überrascht, dass ausgerechnet der gegenwärtige Präsident Cyril Ramaphosa Tutus Tod am Sonntag offiziell bekannt gab.

Friedensnobelpreis für seinen Kampf gegen die Apartheid

Nachdem sich Mandela, der 2013 verstorbene erste schwarze Präsident Südafrikas, Anfang des Jahrtausends ins Private zurückgezogen hatte, war Tutu zum Gewissen der „Regenbogennation“ geworden, wie er das „neue Südafrika“ einst selbst beschrieb.

Denn eine seiner Stärken war es, bei allen Mahnungen auch stets die positive Seite zu sehen. Als Tutu vor 25 Jahren erfuhr, dass er an Prostatakrebs litt, ließ er sich – zumindest äußerlich – nicht aus der Fassung bringen. „Es hätte viel schlimmer kommen können“, scherzte er damals. „Ich hätte mein Gedächtnis verlieren können.“

Anti-Apartheid-Kämpfer Desmond Tutu gestorben

In der erzkonservativen Bergbaustadt Klerksdorp, südwestlich von Johannesburg, geboren, arbeitete Tutu zunächst als Lehrer. 1961 wurde er Priester und stieg in der Kirchenhierarchie rasch auf.

Weltweit bekannt wurde Tutu in den frühen 1980er-Jahren mit der Ernennung zum ersten schwarzen Bischof von Johannesburg. 1986 wurde er zum Erzbischof von Kapstadt gewählt – zu einer Zeit, als das Apartheidsystem sich auf sein Ende zubewegte. Für seine Verdienste im Befreiungskampf erhielt er 1984 den Friedensnobelpreis.

Damals hatte Tutu, der zugibt, die ihm entgegengebrachte Aufmerksamkeit sehr zu mögen, den Part des Politikers noch eher widerstrebend gespielt. Doch als das Apartheidregime 1985 den Ausnahmezustand über das Land verhängte und fast die gesamte Opposition verbot, sah er sich als Stellvertreter für alle jene, die damals keine Stimme hatten.

„Vergeben, aber nicht vergessen“

Nach dem Ende der Apartheid 1994 engagierte sich der Kirchenmann mit Nachdruck für Frieden und Aussöhnung. Auf Bitten Mandelas übernahm er 1996 den Vorsitz der Wahrheits- und Versöhnungskommission, die die Verbrechen der Apartheid-Zeit auf allen Seiten aufarbeitete. Sein Motto: „Vergeben, aber nicht vergessen.“

Anders als viele seiner damaligen Mitstreiter hat er sich aber auch im „befreiten“ Südafrika nie gescheut, die alten Verbündeten in der Antiapartheidbewegung und den ANC offen und hart zu kritisieren, zumal wenn diese ihre Ideale für einen Scheck aus China oder dem Iran verrieten.

Dass Tutu den Stab von Mandela übernahm und zum Schutzpatron der jungen Demokratie am Kap wurde, kann deshalb nicht überraschen. Er hat nie einen Zweifel daran gelassen, dass sein christliches Selbstverständnis und der Wunsch nach Aussöhnung zwischen Schwarz und Weiß alle Parteiloyalitäten übersteigen.

Als Tutu einst gefragt wurde, ob er vielleicht doch bis zuletzt politisch aktiv sein und seine Meinung kundtun wolle, erwiderte er nachdenklich: „Wir sagen immer, der Mensch habe einen freien Willen. Doch das stimmt so nicht ganz. Es ist eher, wie Martin Luther einst sagte: Hier stehe ich und kann nicht anders.“

Am Sonntag ist der frühere Erzbischof von Kapstadt kurz nach seinem 90. Geburtstag gestorben.

Mehr: „Mit einem langen Konflikt rechnen“ – Äthiopien leidet unter Bürgerkrieg und wirtschaftlichem Zerfall

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