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Neue Gefechte In Syrien wird noch scharf geschossen

Fürs neue Jahr haben viele auf ein Ende des Bürgerkriegs in Syrien gehofft. Doch in den letzten von Rebellen kontrollierten Regionen sind wieder Dutzende Menschen gestorben. Syriens Machthaber Assad hat leichtes Spiel.
12.01.2018 - 12:08 Uhr 2 Kommentare
Syrien: Der Bürgerkrieg ist wieder entfacht  Quelle: AFP
Kämpfe in Idlib

In der syrischen Provinz Idlib gehen die Kämpfe zwischen Regierungstruppen und der Opposition unvermindert weiter. Das Foto zeigt einen Kämpfer der Opposition der ein Geschütz abfeuert.

(Foto: AFP)

Istanbul Nach mehr als sechs Jahren Bürgerkrieg schien der Frieden zum Greifen nah. Im Herbst vergangenen Jahres hatten die Kampfhandlungen in Syrien abgenommen. Drei sogenannte Garantiestaaten – Russland, Iran und die Türkei – verständigten sich darauf, die Kampfhandlungen in gewissen Bereichen ganz einzustellen, unter anderem in der Region Idlib. Auch wenn die Probleme des Landes noch lange nicht gelöst sind, auch wenn Baschar al-Assad noch an der Macht ist und der IS noch nicht komplett besiegt: Es mehrten sich die Zeichen der Entspannung.

Bis das neue Jahr begann. Bei Luftangriffen in der nordsyrischen Provinz Idlib sind allein am Wochenende 23 Menschen ums Leben gekommen. In der Region Ghouta starben in den vergangenen Tagen bei Gefechten Dutzende Menschen. Auch in der Hauptstadt Damaskus wurden mindestens fünf Menschen bei Angriffen bislang unbekannter Gruppen getötet. Unterdessen gerieten zwei russische Stützpunkte in Syrien unter Beschuss, in mindestens einem Fall durch Drohnen.

Und die Türkei geht jetzt einen ungewöhnlichen Schritt: Ankaras Außenminister Cavusoglu bestellte die Botschafter der beiden anderen Garantiemächte Russland und Iran ein. „Wir haben sie daran erinnert, dass sie die Garantiemächte des Regimes sind“, sagte Cavusoglu im Gespräch mit deutschen Journalisten am Mittwochabend in Antalya.

Der Syrienkrieg geht in eine entscheidende Phase. Der Krieg wird bald vorbei sein. Die Frage ist, wer das Land dann führen wird – und auf welche Art. Während Russlands Staatschef Putin angekündigt hatte, seine Truppen aus Syrien abzuziehen, wollen syrische Regierungstruppen nun die Macht der Führung in Damaskus zementieren – mit viel Gewalt.

Die Provinz Idlib, in der es in den vergangenen Tagen zu Auseinandersetzungen gekommen war, liegt zwischen der Hauptstadt Damaskus und dem einstigen Wirtschaftszentrum Aleppo. Damit ist Idlib strategisch wichtig. Zusätzlich handelt es sich um die einzige Provinz im Land, die noch von Rebellen kontrolliert wird. Die stärkste Rebellenorganisation vor Ort ist Tahrir al-Sham, angeführt von der ehemaligen Nusra Front. In Idlib leben bis zu zwei Millionen Menschen.

Viele sollen inzwischen über die Grenze in die Türkei geflohen sein. Nach Angaben türkischer Hilfsorganisationen haben sich bereits mehr als 100.000 Menschen auf den Weg in die Türkei gemacht. Damit heizen sie die Flüchtlingsthematik in dem Land wieder an. Aktuell beherbergt die Türkei 3,5 Millionen Schutzsuchende, so viele wie kein anderes Land auf der Welt.

Ghouta liegt ebenfalls unweit der Hauptstadt Damaskus und galt ebenfalls lange als Hochburg der syrischen Opposition. Traurige Bekanntheit erlangte der Ort, nachdem die syrische Armee die Region im Jahr 2013 mit Giftgas unter Beschuss genommen hatte. Tausende Menschen wurden getötet, ganz zu schweigen von den Opfern der weiteren Angriffe durch die syrische und russische Luftwaffe.

Seit 2011 tobt in dem Land ein komplexer Bürgerkrieg, dem unterschiedlichen Angaben zufolge zwischen 340.000 und über einer Million Menschen zum Opfer gefallen sind. Am Anfang standen regierungskritische Proteste. Später überrollte die Terrorgruppe IS das Land, bis schließlich Russland 2015 militärisch eingriff, um seinen Verbündeten Assad zu stützen. Inzwischen hat sich der Konflikt zu einem Stellvertreterkrieg ausgeweitet. Neben Russland sind die USA, die Türkei und Iran involviert.

Seit der IS zumindest militärisch als besiegt gilt, konzentrieren sich die syrische und die russische Armee auf die Vernichtung der letzten regierungskritischen Rebellen. Russland und der Iran gelten dabei als Verbündete der Regierung, während die Türkei weiterhin gemäßigte Rebellen unterstützt. „Das Regime hat den Waffenstillstand verletzt, das Regime hat angegriffen, das Regime hat unschuldige Menschen getötet“, kritisierte Cavusoglu. „Wenn das so weitergeht, werden der Astana-Prozess und der mögliche bevorstehende Sotschi-Prozess unterlaufen werden.“

Vertreter der drei Garantiemächte hatten die Provinz Idlib im vergangenen Jahr zu einer sogenannten Deeskalationszone erklärt. Im Klartext: Ende der Kampfhandlungen. Trotzdem nahm die Gewalt in dem Gebiet an der Grenze zur Türkei zuletzt zu. Der syrischen Führung geht es dabei darum, das Land wieder komplett unter Kontrolle zu bringen. Weil der Westen Oppositionsgruppen in dem Land nicht oder nicht mehr aktiv unterstützt, soll damit Assads Macht konsolidiert werden. Er hat militärisch gesehen kaum etwas zu befürchten. Wohl auch deshalb geht er jetzt mit aller Härte gegen seine letzten verbliebenen Gegner vor. Nach dem Motto: Ich zeige euch, wer hier die Hosen anhat.

Der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu warf der syrischen Regierung nach Angaben der amtlichen türkischen Nachrichtenagentur „Anadolu“ bereits Anfang der Woche vor, eine politische Lösung in Syrien zu untergraben. Unter dem Vorwand, gegen die frühere Al-Nusra-Front zu kämpfen, „greifen die Streitkräfte des Regimes in Syrien auch gemäßigte Oppositionelle an“, sagte Cavusoglu demnach. „Diese Haltung sabotiert den politischen Lösungsprozess.“

Nach den Luftangriffen vom Wochenende hat das türkische Außenministerium in Ankara nun einen Weg gewählt, der so gar nicht zu der diplomatischen Annäherung der drei Garantiemächte passt. Nach den ersten Berichten über die jüngsten Angriffe bestellte Ankara nämlich den russischen und den iranischen Botschafter ein. Grund sei die Beunruhigung über das Vorgehen der syrischen Führung in Idlib. Über den Wortlaut der Gespräche mit den beiden Botschaftern ist bislang nichts bekannt geworden.

Aber Vertreter Russlands, der Türkei und des Irans hatten sich Ende Dezember in Astana auf den 29. und 30. Januar als Termin für einen sogenannten Kongress der Völker Syriens in Sotschi geeinigt. In dem russischen Schwarzmeerort sollen Vertreter syrischer Gruppen dann über eine Nachkriegsordnung für das Bürgerkriegsland verhandeln. Cavusoglu sagte am Mittwoch den anwesenden Journalisten: „Unter diesen Umständen wird die Opposition aller Wahrscheinlichkeit nach nicht dorthin gehen.“

Die größten Krisenherde der Welt
Syrien
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Der Syrien-Krieg ist der wohl schlimmste Konflikt der Gegenwart. Eine friedliche Lösung ist noch nicht in Sicht. Die Unruhen haben im Frühjahr 2011 mit Protesten gegen den Staatspräsidenten Assad begonnen. Die zunächst friedlichen Demonstranten wehrten sich gegen die Unterdrückung durch das Regime und forderten mehr Freiheit. Seitdem kämpfen Anhänger der Regierung, die Opposition und auch die Terrororganisation „Islamischer Staat“ um die Macht im Land. Mittlerweile sind bei dem Konflikt schon mehr als 250.000 Menschen ums Leben gekommen. Knapp zwölf Millionen Menschen haben ihr Zuhause verloren.

(Foto: dpa)
Irak
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Die Terrormiliz Islamischer (IS) Staat hat immer noch Teile des Irak unter ihrer Kontrolle. Die Befreiung des Landes vom IS ist laut dem dortigen UN-Gesandten Jan Kubis allerdings nicht mehr weit entfernt. Militäreinsätze gegen den IS würden „in der eher nahen absehbaren Zukunft“ zu einem Ende kommen, sagte Kubis vor dem Weltsicherheitsrat in New York. Die Tage der Terrororganisation seien gezählt. Das Land ist seit dem Sturz Saddam Husseins im Jahr 2003 destabilisiert. Die Vereinten Nationen schätzen, dass alleine im vergangenen Jahr knapp 7000 Zivilisten durch den Krieg ums Leben gekommen sind. Hunderttausende Menschen sind auf der Flucht.

(Foto: dpa)
Afghanistan
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Im Jahr 2001 sind die USA in das Land einmarschiert, um das Terrornetzwerk Al-Kaida auszulöschen und die Taliban von der Macht zu vertreiben. Doch die beiden Gruppen töten weiter. Afghanistan steckt immer noch tief in der Krise. Mit rund 11.500 Toten und Verletzten hat die Zahl der zivilen Opfer in Afghanistan im vergangenen Jahr einen neuen Höchststand erreicht. Nach Angaben der Vereinten Nationen sind 3498 Zivilisten getötet und 7920 verletzt worden. Das sind etwas mehr als im Vorjahr. Unter anderem haben die Anschläge der Extremistenmiliz Islamischer Staat (IS) deutlich zugenommen: Die Opferzahl durch IS-Angriffe hat sich im Vergleich zum Vorjahr verzehnfacht. Insgesamt gingen 61 Prozent der zivilen Opfer den Vereinten Nationen (UN) zufolge auf regierungsfeindliche Gruppen, wie die radikalislamischen Taliban und den IS zurück. Laut UN gab es zunehmend Selbstmordattentate etwa in Moscheen.

(Foto: AP)
Ukraine
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Die Ostukraine erlebt derzeit die schwersten Gefechte seit Monaten. Innerhalb einer Woche sind in den Reihen der Regierungstruppen und der prorussischen Separatisten jeweils mehr als 15 Kämpfer getötet worden. Manche Beobachter sehen die Schuld bei Russland. Mit einer gezielten Eskalation durch die moskautreuen Separatisten wolle Russland die Reaktion der neuen US-Regierung testen, heißt es. Andere machen die Ukraine verantwortlich. Kiew wolle die Aufmerksamkeit des Westens wieder auf den Konflikt lenken und zudem eine mögliche Lockerung der westlichen Sanktionen gegen Russland verhindern, heißt es. Seit Beginn der Aufstände im Jahr 2014 sind nach Angaben der Vereinten Nationen mindestens knapp 10.000 Menschen ums Leben gekommen.

(Foto: Reuters)
Nigeria
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Die Islamistengruppe Boko Haram sorgt in Nigeria seit dem Jahr 2011 für Terror. Ihr Ziel ist es, einen eigenen Islamischen Staat zu gründen, dazu ermordet sie Christen und Muslime. Militärisch hat Nigeria die Boko Haram zurückgedrängt. Doch die sunnitschen Extremisten führen immer noch Anschläge im Nordosten des Landes aus. Mehr als zwei Millionen Nigerianer sind vor der Gewalt geflohen und leben in Flüchtlingslagern, wie zum Beispiel hier in Maiduguri. Im Nordosten des Landes sind den Vereinten Nationen zufolge fünf Millionen Menschen auf Nahrungsmittelhilfe angewiesen, rund zwei Millionen von ihnen gelten bereits als mangelernährt.

(Foto: dpa)
Mali
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er Norden Malis und die angrenzenden Gebiete der Sahelzone sind ein Rückzugsgebiet für Rebellen und islamistische Terroristen. Seit dem Sturz der Regierung von Präsident Amadou Toumani Touré im März 2012 herrscht Chaos im Land. Neben Al-Kaida im Islamischen Maghreb (AQMI) sind die Terrorgruppen Ansar Dine und Al Mourabitoun in dem Land aktiv. Die Islamisten zwingen der Bevölkerung in den von ihnen besetzten Städten eine fundamentalistische Form der Scharia auf. Zuletzt gab es auch vermehrt Anschläge im Zentrum des Landes. Zuletzt sind am 18. Januar mehr als 70 Menschen ums Leben gekommen. Bis zu 15.000 UN-Blauhelmsoldaten und Polizisten bemühen sich um eine Stabilisierung des Landes. Deutschland beteiligt sich mit rund 500 Bundeswehrsoldaten an dem Einsatz - bald sogar mit bis zu 1000 Soldaten.

(Foto: AFP)
Südsudan
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Die jüngste Nation der Welt steht auf der Kippe. Das Land stürzte Ende 2013 in einen blutigen Bürgerkrieg. Auf der einen Seite stehen die Anhänger von Präsident Salva Kiir, auf der anderen die seines früheren Stellvertreters Riek Machar. Der Streit hat auch eine ethnische Komponente. Die beiden Männer gehören den beiden größten Volkgruppen des Landes, den Dinka und den Nuer, an. Die Vereinten Nationen warnen vor einem Völkermord. Etwa 13.000 Blauhelmsoldaten bemühen sich um eine Stabilisierung des ostafrikanischen Landes, die Entsendung von weiteren 4000 ist schon beschlossen. Der Ende 2013 ausgebrochene Konflikt hat Zehntausende Menschenleben gefordert; knapp drei Millionen Menschen sind auf der Flucht vor der Gewalt. Nach UN-Angaben haben rund 4,8 Millionen Menschen - also etwa jeder dritte Südsudanese - nicht genug zu essen.

(Foto: dpa)

Es geht in Wahrheit um mehr als das. Denn auch unter den Oppositionsgruppen herrscht Streit und eine große Rivalität. So starben bei einem Autobombenanschlag am Wochenende in der Provinz Idlib 43 Menschen. Allerdings befanden sich „nur“ 28 Zivilisten darunter. Der Rest der Getöteten gehörte zu einer tschetschenischen islamistischen Gruppierung, die seit 2015 in Syrien gegen die russische Armee kämpft. Initiator des Angriffs soll eine rivalisierende Oppositionsgruppe gewesen sein.

Zum Jahresbeginn wurde bekannt, dass ein russischer Stützpunkt in dem Land unter massiven Beschuss geraten war. Russland beschwerte sich bereits darüber, dass diese Angriffe auf ihre Militärstützpunkte in Syrien von gemäßigten Oppositionsgruppen initiiert worden sein sollen. Und die werden eigentlich von der Türkei kontrolliert und unterstützt. Cavusoglu betonte am Mittwoch, dass in den vergangenen Monaten auch Terrorgruppen nach Idlib geschleust worden seien, die mit den von der Türkei unterstützten gemäßigten Rebellen nichts gemein hätten.

Mohammed Radwan, ein Hilfsarbeiter in der Region Idlib, sagte Anfang der Woche einem syrischen Medium, dass Zivilisten bereits auf die Straße gingen und demonstrieren. Durch die Rivalität zwischen den Oppositionsgruppen würde der Revolutionsgedanke untergraben. „So wird es für Assad umso leichter, die Kontrolle in den Gebieten zurückzugewinnen.“

Es geht daher auch um die Frage, die auch bei einem Ende des Kriegs in dem Land noch nicht abschließend geklärt sein dürfte: Wie soll man mit den zahllosen verschiedenen Rebellengruppen in dem Land umgehen? So könnte erklärbar werden, warum die syrischen Regierungstruppen mit einer derartigen Brutalität vorgehen.

Was nichts daran ändert, dass einmal aufs Neue viele unschuldige Zivilisten mit ihrem Leben bezahlen müssen – so lange und so oft, bis wirklich Frieden in dem Land herrscht. 

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2 Kommentare zu "Neue Gefechte: In Syrien wird noch scharf geschossen"

Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.

  • "Der Krieg wird bald vorbei sein"

    Dann kann man sich in D schon darauf einrichten, die syrischen Flüchtlinge (die hier nur geduldet sind - Bürgerkrieg ist kein Asylgrund : http://www.bamf.de/DE/Fluechtlingsschutz/AblaufAsylv/Schutzformen/Asylberechtigung/asylberechtigung-node.html) heimzuschicken.

  • Das Finanzieren und Bewaffnen aus den Nachbarländer und aus den USA und Europa macht ein Ende des "Bürgerkrieges" mit ausländischen Bürgern auf allen Seiten sehr unwahrscheinlich.

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