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Neues Sicherheitsgesetz In Hongkong ist jetzt kaum jemand noch sicher

Wenige Stunden nach Inkrafttreten des Sicherheitsgesetzes gibt es hunderte Festnahmen. Es bietet großen Anlass zur Sorge und ruft internationale Kritiker auf den Plan.
01.07.2020 - 18:51 Uhr 1 Kommentar
Die Polizei hat bereits etliche Demonstranten festgenommen. Quelle: Bloomberg via Getty Images
Proteste in Hongkong

Die Polizei hat bereits etliche Demonstranten festgenommen.

(Foto: Bloomberg via Getty Images)

Peking Das neue Sicherheitsgesetz für Hongkong ist gerade einmal ein paar Stunden in Kraft, da zieht es die Menschen in der Metropole schon auf die Straße – trotz Versammlungsverbot. Es sind Bilder, wie sie im vergangenen Jahr an der Tagesordnung waren, zuletzt wegen der Coronakrise aber seltener geworden sind.

Tausende Menschen in T-Shirt und kurzen Hosen stehen Polizisten in Kampfausrüstung gegenüber. Diese setzen im Laufe des Tages immer wieder Pfefferspray, Tränengas und Wasserwerfer gegen die Demonstrierenden ein.

Vor einem Jahr waren am 1. Juli, dem Jahrestag der Rückgabe der ehemaligen britischen Kronkolonie an China, noch Hunderttausende auf die Straßen Hongkongs gegangen. Doch nicht nur an der stark abgenommenen Anzahl der Protestierenden lässt sich erkennen, wie groß der Bruch ist, den das neue Gesetz in Hongkong hervorgerufen hat.

Heute, ein Jahr später, zeigt sich auch, wie ernst es die Pro-Pekinger Regierung in Hongkong mit der Umsetzung des neuen Gesetzes aus Peking meint – und wie wenig die internationale Kritik daran bislang ändern konnte.

Schon um die Mittagszeit gibt es die erste Festnahme in Hongkong auf Basis des neuen Regelwerks. Laut Polizeiangaben hat der Festgenommene eine Flagge mit der Aufschrift „Hongkong Unabhängigkeit“ hochgehalten, womit er das nationale Sicherheitsgesetz verletzt habe. Es folgen weitere Festnahmen.

Bis zum Abend sind laut Polizeiangaben mehr als 300 Menschen in Gewahrsam. Quelle: dpa
Gefesselter Demonstrant

Bis zum Abend sind laut Polizeiangaben mehr als 300 Menschen in Gewahrsam.

(Foto: dpa)

Bis zum Abend sind laut Polizeiangaben bereits mehr als 300 Menschen in Gewahrsam, darunter neun, die auf Basis des neuen Sicherheitsgesetzes verhaftet wurden. Dabei ist auch ein 15-jähriges Mädchen. Unter dem neuen Gesetz drohen den Menschen empfindliche Strafen, es sieht als Höchststrafe lebenslange Haft vor. Laut Beobachtern ist es schärfer als befürchtet.

Große Kritik

Erst mehr als zehn Stunden nachdem das Gesetz bereits von Chinas Scheinparlament verabschiedet und von Staats- und Parteichef Xi Jinping unterschrieben worden war, wurde der Text in der Nacht zum Mittwoch chinesischer Zeit veröffentlicht. Selbst Delegierte, die das Gesetz abnickten, sollen den Entwurf erst kurz zuvor gesehen haben.

Kritiker bemängeln an dem Gesetz unter anderem, dass die Tatbestände für Verstöße gegen das Sicherheitsgesetz – darunter fallen Sezession, Subversion, Terrorismus und „Kollusion mit einem fremden Land oder mit externen Elementen zur Gefährdung der nationalen Sicherheit“ – sehr breit gefasst sind und die finale Interpretation Peking unterliegt.

„Wir alle wissen, dass die nationale Sicherheit in China sehr flexibel und weit gefasst definiert wird“, sagte Anita Yip, Vizevorsitzende der Hongkonger Anwaltskammer, dem Sender RTKH. „Wir haben also Grund zu der Annahme, dass das Gesetz einer unannehmbar weiten Interpretationsmöglichkeit unterliegen könnte.“

International hatte die Verabschiedung des Gesetzes am Dienstag für Empörung gesorgt und das Verhältnis der chinesischen Regierung mit Europa und den USA weiter belastet. US-Außenminister Mike Pompeo sagte, dass es die bisherige Autonomie der Millionenmetropole „zerstört“. Die USA würden nicht tatenlos dabei zusehen, wie sich das autoritäre China Hongkong einverleibe.

Die kanadische Regierung warnte unter Bezugnahme auf das Inkrafttreten des Sicherheitsgesetzes am Mittwoch seine Bürger sogar vor Reisen nach Hongkong. „Sie sind möglicherweise einem erhöhten Risiko willkürlicher Inhaftierung aus Gründen der nationalen Sicherheit und einer möglichen Auslieferung an das chinesische Festland ausgesetzt“, hieß es auf der Website der kanadischen Regierung.

Das deutsche Auswärtige Amt hatte bis Redaktionsschluss seine Reisehinweise für Hongkong nicht geändert. Außenminister Heiko Maas (SPD) forderte am Mittwoch im ZDF, dass sich die EU jetzt „sehr schnell“ klar dazu verhalten müsse. „Wichtig ist beim Thema China, dass wir uns als Europäer verhalten und nicht jeder Einzelne seinen Weg sucht“, so Maas.

Anlass zur Sorge

Als die Pläne für das nationale Sicherheitsgesetz im Mai bekannt geworden waren, reagierte die Wirtschaft in Hongkong zunächst schockiert. Die Börsenkurse in der Finanzmetropole sackten ab. Anschließend bemühten sich Vertreter der Hongkonger und der Pekinger Regierung, die Sorgen der Wirtschaft zu zerstreuen, und betonten, dass die neuen Regeln nur bei Extremisten angewendet würden.

Daraufhin hielten sich viele Wirtschaftsvertreter zunächst mit Kritik zurück. Vertreter der deutschen Wirtschaft äußerten dennoch ihre Sorgen bezüglich des Gesetzes.

China-Anhänger prosten sich mit Sekt zu zwischen chinesischen Nationalflaggen während einer Kundgebung zur Feier der Verabschiedung eines nationalen Sicherheitsgesetzes für Hongkong. Quelle: dpa
Hongkong

China-Anhänger prosten sich mit Sekt zu zwischen chinesischen Nationalflaggen während einer Kundgebung zur Feier der Verabschiedung eines nationalen Sicherheitsgesetzes für Hongkong.

(Foto: dpa)

Ein Blick auf den Inhalt des Sicherheitsgesetzes, das in der offiziellen englischen Übersetzung insgesamt 39 Seiten hat, zeigt, dass es dafür durchaus einen Anlass gibt. Zwar zielt es nicht unmittelbar auf Unternehmen oder ihre Vertreter ab, es räumt Peking aber weitreichende Eingriffsmöglichkeiten in der Finanzmetropole ein. So sieht es die Einrichtung einer Kommission vor, die unter Pekings Aufsicht steht.

Sie soll weitreichenden Spielraum haben. In die Arbeit der Kommission dürfe sich keine Institution oder Organisation und kein Individuum in Hongkong einmischen, heißt es in dem Gesetz. Die Entscheidungen des Gremiums unterliegen keiner gerichtlichen Überprüfung. Informationen über seine Arbeit dürfen nicht veröffentlicht werden.

Das Gesetz sieht ferner vor, dass eine spezielle Polizeieinheit in Hongkong eingerichtet wird, die auch mit Personal von außerhalb bestückt werden kann – also auch mit chinesischen Polizisten. Diese Polizeieinheit kann mit Verweis auf die nationale Sicherheit Räume, Transportfahrzeuge und Ähnliches durchsuchen und jegliche Art von Dokumenten beschlagnahmen oder verlangen, dass sie gelöscht werden.

Es ist unklar, ob sie dafür überhaupt eine Genehmigung braucht. Peking kann auf Grundlage des Gesetzes zudem die Gerichtsbarkeit bei bestimmten Fällen übernehmen. Die Justiz in China ist jedoch nicht unabhängig, so gut wie alle Fälle von Verdächtigen, die vor einem Gericht landen, werden auch verurteilt.

Auch auf Unternehmen geht das Gesetz explizit ein: Firmen, die das Sicherheitsgesetz verletzen, droht ein Stopp ihrer Geschäftstätigkeiten in Hongkong.

Mehr: Die EU muss eine klare Antwort auf Pekings Vertragsbruch finden – ein Kommentar.

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1 Kommentar zu "Neues Sicherheitsgesetz: In Hongkong ist jetzt kaum jemand noch sicher"

Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.

  • Wir erleben wohl den Anfang vom Ende der Autonomie Hongkongs. Es scheint, als hätten der Westen und vor allem Europa zu lange auf Beschwichtigung gesetzt - "Wandel durch Handel". Und als hätte dies Chinas machthungrige Kommunisten ermuntert, immer aggressiver aufzutreten.
    Jetzt steht die EU an einem Scheideweg. Entweder geben wir uns weiterhin naiv und schlagen uns in die Büsche. Oder aber wir stehen zu unseren Werten und bieten dem Reich der Mitte politisch die Stirn. Das können wir gar nicht? Doch! China braucht uns (noch) als bedeutenden Handels- und Investitionspartner. Europa müsste nur endlich mit härteren Bandagen verhandeln und mit einer klareren Sprache sprechen.
    Presseberichten zufolge hat Ursula von der Leyen China zuletzt mit „sehr negativen Konsequenzen“ gedroht. Gut so! Aber wenn den Worten jetzt keine angemessenen Taten folgen, nimmt uns niemand mehr ernst – weder die USA noch China.

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