Neustart nach Corona Veranstaltungsbranche plant Comeback: Festivals in Frankreich, Frust in Deutschland

Die Coronakrise hat den europäischen Messen und Veranstaltern einen erheblichen Verlust eingebracht.
Moskau, Paris, Madrid, London, Rom Um starke Worte ist Reyes Maroto nicht verlegen: „Das wird die Wiedergeburt des Tourismus sein“, meint Spaniens Ministerin für Industrie, Handel und Tourismus. In gut zwei Monaten will die 47-Jährige wieder die Welt zu Gast haben – und zwar persönlich, in Madrid. Mit der Touristikmesse Fitur könne Spanien zeigen, dass es ein sicheres Reiseziel sei. Und die Veranstaltung werde ein „globales Schaufenster“, um Initiativen wie Gesundheitspässe oder touristische Korridore zu diskutieren.
Die Messe- und Veranstaltungsbranche ist einer der am stärksten von der Pandemie betroffenen Wirtschaftsbereiche. Tausende Veranstaltungen wurden abgesagt, Messen gibt es seit Pandemiebeginn fast nur noch in digitaler Form. Gäbe es beim nächsten Treffen der Ministerpräsidenten am 22. März keine Entscheidung über die Wiederzulassung, sind laut des Verbands Auma sogar wichtige Messen im zweiten Halbjahr gefährdet. Auch der Festivalsommer 2021 fällt in Deutschland aus: Sieben große Open-Airs sind am Mittwoch abgesagt worden, darunter „Rock am Ring“ und das „Hurricane“-Festival.
Während Deutschlands Messebetreiber und Veranstalter mit ihren Planungen noch im Dunkeln tappen, gehen andere Länder schon viel weiter: Sie setzen auf hybride Vor-Ort-Veranstaltungen, auf negativ getestete Besucher, auf besondere Hygienekonzepte. Ein Blick ins Ausland zeigt, wie die Wiederbelebung der gebeutelten Branche funktionieren kann.

Kein „Rock am Ring“: 2021 fallen wegen der Pandemie zahlreiche große Festivals aus.
Schnelltests in Spanien
Für Spanien ist der Tourismus einer der wichtigsten Wirtschaftszweige. Der langsame Impfprozess in Europa dürfte allerdings dafür sorgen, dass auch die Sommersaison 2021 weit unter den gewohnten Einnahmen bleiben wird. Umso wichtiger ist den Madrilenen ihre Touristikmesse. Eine Rückkehr zum Alltag wird es auch auf der Fitur 2021 noch nicht geben: Die Messegesellschaft Ifema hat die Sicherheitsvorkehrungen deutlich erhöht.
So müssen Teilnehmer an ihrem Abreiseort einen PCR-Test machen und zusätzlich vor dem Betreten des Messegeländes einen Schnelltest vor Ort. Die Besucherwege werden gelenkt, Besucherzahl und Mindestabstand kontrolliert. Die Pavillons verfügen zudem über ein Belüftungssystem, das die Innenluft in weniger als 20 Minuten komplett austauscht.
Tourismusministerin Maroto kündigte an, dass auch die Mobilfunkmesse Mobile World analog abgehalten wird. Normalerweise findet sie im Februar in Barcelona statt, nun soll sie Ende Juni öffnen. Im vergangenen Jahr war sie noch die erste große internationale Messe, die pandemiebedingt abgesagt wurde.
Allerdings hagelt es bereits Absagen der großen Konzerne. Den Anfang machte Mobilfunkausrüster Ericsson. Der Konzern erklärte, er bleibe der Messe aus Sorge um die Gesundheit seiner Mitarbeiter fern. Auch 2020 gehörte Ericsson zu den ersten Unternehmen, die ihre Teilnahme absagten. Inzwischen haben auch Sony, Nokia, Oracle und Facebook angekündigt, dass sie nicht vor Ort präsent sein werden.
Der Mobilfunkverband GSMA versucht indes, die Bedenken mit einem strikten Sicherheitskonzept auszuräumen. Verbandschef John Hoffmann erklärte jüngst: „Es ist schwer vorstellbar, exakt an den Punkt zurückzukehren, an dem wir waren.“ Neben einer beschränkten Besucherzahl wird auch die weltweit größte Mobilfunkmesse reale und digitale Auftritte kombinieren.

Rückkehr unter strengen Sicherheitsmaßnahmen.
Besucher müssen vor dem erstmaligen Betreten einen negativen PCR-Test vorlegen, der nicht älter als 72 Stunden sein darf. 72 Stunden nach dem letzten Test müssen sie einen neuen Antigentest machen, der in der Messe-App digital hinterlegt wird. Sind die nächsten 72 Stunden überschritten, wird automatisch der Zugang zum Gelände gesperrt.
Pflicht ist außerdem das Tragen einer FFP2-Maske. Die Gänge auf dem Gelände können jeweils nur in eine Richtung betreten werden, in bestimmten Bereichen wird die Temperatur der Teilnehmer gemessen. Die Kontakte untereinander werden für eine mögliche Nachverfolgung registriert, und die Luftzirkulation wird in den Pavillons intensiviert.
Sitz-Festivals in Frankreich
„Es wird diesen Sommer Festivals geben“, legte sich Frankreichs Kulturministerin Roselyne Bachelot schon vor einigen Wochen fest. Aber es wird trotzdem Einschränkungen geben. Bachelot hat eng mit den Organisatoren zusammengearbeitet, um Bedingungen zu formulieren, die genügend Abstand garantieren. So soll es keine Festivals im Stehen geben – und maximal 5000 Personen pro Vorstellung.
Für einige Musikfestivals ist das problematisch: Solidays in Paris sagte seine 2021er-Ausgabe genauso ab wie Hellfest, Anziehungspunkt für Heavy-Metal- und Hard-Rock-Fans. Für die Organisatoren ist es nicht vorstellbar, dass die Besucher brav sitzen bleiben.
Für andere Veranstaltungen wie das Opernfestival in Aix-en-Provence im Juli ist die Organisation einfacher. Das Musikfestival „Vieilles Charrues“ in der Bretagne reagierte sofort – und hat Mitte Juni zehn Konzertabende am Stück angekündigt statt eines viertägigen Festivals wie sonst.

Für das Jahr 2021 wurde das Hellfest abgesagt. Laut Veranstalter sei es nicht möglich, etwa 5000 Teilnehmer unter Kontrolle zu halten.
Schwierig ist allerdings die Frage der Restaurants vor Ort, dort können Sicherheitsabstände kaum gewahrt werden. In Avignon etwa verwandelt sich die ganze Stadt im Juli für einen Monat in ein riesiges Open-Air-Theater-Festival. Für die Wiedereröffnung der Gastronomie gibt es aber noch kein Datum in Frankreich.
Einmal im Monat soll es nun mit der Kulturministerin und den Festivalplanern ein Treffen geben. Sollte sich die gesundheitliche Situation verbessern, könnte auch die Besucherzahl von 5000 angehoben werden.
Die Landwirtschaftsmesse, die ursprünglich Ende Februar in Paris stattfinden sollte, wurde zwar abgesagt. Doch dafür soll es Mitte Mai eine dezentrale Landwirtschaftswoche geben mit verschiedenen Veranstaltungsorten, bei der Höfe besucht werden können, aber auch digitale Ereignisse geplant sind.
Russland arbeitet am Messestand mit heimischem Personal
In Russland sind Messeabsagen seit Februar eher die Ausnahme als die Regel. „Es geht wieder los“, bestätigt Eugen Alles den Neustart des Geschäfts nach einem Katastrophenjahr. Der Managing Director der Messe Frankfurt feiert schon Mitte März sein Comeback, gemeinsam mit der Nürnberger Messe richtet er die Getränkemesse Beviale Moskau aus.
Gleich danach organisiert Alles mit „Modern Bakery“ die größte internationale Ausstellung für Brot und Backwaren in Russland. „Natürlich unter strengster Einhaltung der Sicherheitsvorschriften mit Abstandhalten, Maskenpflicht und Desinfektion.“
Auch deutsche Unternehmen beteiligen sich an den Messen, doch zu 95 Prozent würden ausländische Aussteller auf örtliches Personal zurückgreifen, sagt Alles. Schließlich bestehen die Reiserestriktionen nach wie vor. Auf Visa können allenfalls Aussteller von Maschinen hoffen, wenn sie Mitarbeiter als Techniker für die Wartung deklarieren.
Wie unter solchen Umständen das Leuchtturmprojekt des Kremls, das Internationale Petersburger Wirtschaftsforum (SPIEF), Anfang Juni realisiert werden soll, ist fraglich. Branchenkenner sind skeptisch, doch die russische Führung selbst demonstriert Optimismus: Präsident Wladimir Putin werde am SPIEF teilnehmen, verkündete sein Sprecher Dmitri Peskow vergangene Woche. Einen Ausfall wie im vergangenen Jahr, der umgerechnet rund 170 Millionen Euro kostete, will Russland in jedem Fall vermeiden.
Bis Juni erwartet der Kreml stark zurückgehende Infektionszahlen. Offiziell soll bis dahin auch ein Großteil der Russen schon geimpft worden sein. Noch verläuft die Kampagne aber schleppend.
Nach Medienangaben haben gerade mal etwas mehr als fünf Millionen Menschen zumindest eine Dosis des Sputnik-V-Impfstoffs erhalten – das entspricht 3,5 Prozent der Bevölkerung. Allerdings könnte die Immunisierung auch auf anderem Wege erfolgt sein: Inoffiziellen Angaben nach hat bereits mehr als die Hälfte der Russen eine Covid-Erkrankung hinter sich.
Corona-Beratung für Aussteller in Italien
Italiens Messebranche hat 2020 rund 80 Prozent ihres Umsatzes verloren. Noch sind größere Veranstaltungen per Dekret verboten. Aber im Mai könnte es wieder losgehen. Während etwa die Düsseldorfer ProWein ausfällt, wurde Vinitaly, eine der größten Weinmessen der Welt, nur auf Ende Juni geschoben – damit sie persönlich und analog in Verona stattfinden kann.
Der Veranstalter Veronafiere bietet Ausstellern einen kostenlosen Beratungsservice an, um Messestände neu und Corona-konform zu gestalten. Die Messehallen werden kontinuierlich desinfiziert, um Viren abzutöten. 400 Kameras werden installiert sein, um die Besucher zu überwachen, vor Ort wird es eine medizinische Einrichtung mit Testkapazitäten geben. Auch das Belüftungssystem wurde aufgerüstet, um die Luft schneller auszutauschen.
Auch die im vergangenen Jahr ausgefallene Architektur-Biennale in Venedig soll Ende Mai starten und sich über den gesamten Sommer ziehen. Andere wichtige Veranstaltungen wie die Lebensmittel-Messe Cibus wurden in den Spätsommer verschoben.
Spätestens dann dürfte in Italiens Messewelt wieder halbwegs Normalität eingekehrt sein: Für Events im September wie etwa die Keramikmesse Cersaie in Bologna sind laut den Veranstaltern schon 80 Prozent der Ausstellungsfläche gebucht.
Briten setzen auf geimpfte Besucher
Die großen Hallen des Londoner ExCeL und des NEC in Birmingham wurden im vergangenen Jahr zu Corona-Lazaretten umgebaut. Am Ende mussten die Messeorte aber gar keine Patienten empfangen – und bereiten sich nun auf die Rückkehr zur Normalität vor. Schon ab 17. Mai können in Großbritannien wieder Großveranstaltungen mit eingeschränkter Teilnehmerzahl stattfinden. Erlaubt sind dann maximal tausend Personen in Innenräumen, solange dies nicht die Hälfte der Location-Kapazität übersteigt. Ab 21. Juni sollen dann alle Corona-Beschränkungen wegfallen.

Das ExCeL wurde in das NHS Nightingale Hospital umgebaut, ein Feldlazarett.
Die großen Messeveranstalter planen daher ihre ersten Liveveranstaltungen für den Sommer. Im NEC-Messezentrum trifft sich Anfang Juli die britische Lebensmittelbranche zur UK Food and Drinks Show. Im ExCeL-Konferenzzentrum finden Mitte Juli mehrere Messen rund um die Gebäudesicherheit statt.
„Es ist aufregend, wieder zurück zu sein“, sagt Stuart Dacre, Event-Director bei Quartz Business Media. Seine erste Messe ist die Cleaning-Show im ExCeL Anfang November. In der Cleaning-Branche sei es wichtig, physisch präsent zu sein, weil man die Geräte angucken und anfassen wolle, sagt er.
Dacre erwartet 150 Aussteller und bis zu 8000 Besucher. Dies entspreche dem Vor-Corona-Niveau. Die Gänge werden mit vier Metern breiter sein als gewöhnlich, abgesehen davon gibt es keine besonderen Corona-Maßnahmen. Die braucht es dann wohl auch kaum noch: Da die Messe zu 90 Prozent ein britisches Publikum anziehe, sagt Dacre, werde die Mehrheit der Besucher zu dem Zeitpunkt gegen das Virus geimpft sein.
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