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Niedergang der russischen Wirtschaft Putins gescheiterte Hoffnungen

Wladimir Putin hat verkündet, sein Land sei nicht auf den Westen angewiesen. Doch es zeigt sich immer mehr: Seine Strategie mündet in einer Sackgasse. Er sollte seine Abkehr vom Westen überdenken. Eine Analyse.
17.06.2016 - 12:44 Uhr Kommentieren
Putins Wende ostwärts ist bisher weitgehend ein Rohrkrepierer, resümiert Matthias Brüggmann. Quelle: dpa
Gescheiterte Strategie

Putins Wende ostwärts ist bisher weitgehend ein Rohrkrepierer, resümiert Matthias Brüggmann.

(Foto: dpa)

Moskau Der große Reichtum, den das Reich der Mitte Russland bringen sollte, ist in Moskau bisher kaum angekommen. Einzige Ausnahme sind Menschen wie Leonid Michelson, der in der Geldrangliste des Magazins „Forbes“ nun als Russlands reichster Mann rangiert. Geschätztes Vermögen: 14,4 Milliarden Dollar. Das hat er auch dank guter Geschäfte seiner Konzerne Novatek (Gas) und Sibur (Chemie) mit Chinas Energieriesen eingefahren – wenngleich bisher noch kein Gramm Flüssiggas von der sibirischen Eismeerhalbinsel Jamal in China angelandet wurde.

Aber immerhin sind Michelsons Firmen erfolgreich im China-Geschäft. Das können andere russische Unternehmen kaum von sich behaupten – und so fiel der beiderseitige Handel voriges Jahr mit 63,6 Milliarden Dollar sogar um 28 Prozent niedriger aus als 2014. Dabei hatte Kreml-Chef Wladimir Putin nach Verhängung der westlichen Sanktionen im Zuge der Annexion der Halbinsel Krim und Moskaus Unterstützung der ostukrainischen Separatisten 2014 großspurig verkündet, sein Land sei auf den Westen gar nicht angewiesen und sei durch die enge Partnerschaft mit China keineswegs isoliert.

Doch Putins Wende ostwärts ist bisher weitgehend ein Rohrkrepierer. Ökonomisch rechnen sich große Gaslieferabkommen des vom Kreml kontrollierten Konzerns Gazprom keineswegs. Ein geplantes chinesisches Autowerk in Russland scheiterte an Pekings Vorstellungen, die Arbeitskräfte gleich mitbringen zu wollen, während Moskau auf neue Jobs hoffte. Dafür kommt nach BMW und VW nun auch Daimler mit einer Kfz-Produktion nach Russland. Russische Bankchefs klagen darüber, dass chinesische Finanzierungspläne viel größer angekündigt als umgesetzt würden. In der Folge sind von 116 Milliarden Dollar, die China im vorigen Jahr im Ausland investiert hat, gerade einmal 794 Millionen zum flächenmäßig großen Nachbarn geflossen, 0,7 Prozent. Strategische Partnerschaften oder gar ein geopolitischer Kurswechsel sehen anders aus.

Doch Putins Strategie gegen die angebliche Einkreisung durch den Westen ist auch an anderen Fronten gescheitert: Wollte Russland sich noch vor einem Jahr mit Hilfe der Türkei von seiner Abhängigkeit von der EU beim Erdgas befreien, so sind Moskau und Ankara heute tief verfeindet. Mit den rivalisierenden Petrostaaten der arabischen Welt, um die sich Putin nach dem Bruch mit dem Westen verstärkt bemüht hatte, verschlechterten sich die Beziehungen drastisch seit Russlands Militärintervention in Syrien. Indien zeigt ebenfalls wieder deutlich mehr Interesse an einer Kooperation mit Europa und den USA. Lateinamerikas Liebe zu Putin steht auf dem Spiel, seitdem Brasilien ins Straucheln geraten ist und von Argentinien bis Venezuela reihenweise Regierungen kippen.

So zahlt Russland einen hohen Preis für seine Außenpolitik und sein militärisches Engagement in der Ukraine und in Syrien.

Europa ist also gut beraten, in seiner Russland-Politik konsequent zu bleiben, nicht nervös umzulenken und die in ihrer Wirkung erst mittelfristig funktionierenden Instrumente wie Sanktionen sich entfalten zu lassen. Ein Dialog mit Russland als größtem Nachbarn und Rohstoffreservoir vor der Haustür Europas ist notwendig, alle Gesprächskanäle zuzuschütten zeugt nicht von Weitsicht. Aber einem so entschlossen in die Sackgasse marschierenden Anführer wie Putin muss Europa mit Geschlossenheit, Entschlossenheit und Prinzipientreue entgegentreten.

Dabei hilft vielleicht auch der Hinweis, dass Russlands Handel mit den EU-Staaten mit 209,6 Milliarden Euro im Jahr 2015 aller russischen China-Rhetorik zum Trotz mehr als dreimal so hoch ist. Russlands vermeintliche Abwendung von Europa ist nichts anderes als Drohkulisse, und was hinter den Kulissen liegt ist seit den Potemkin’schen Dörfern bekannt.

Natürlich kann kein vernünftig denkender Mensch an einem schwachen und in inneren Konflikten zerbröckelnden Russland interessiert sein oder an einer schleichenden Übernahme des Riesenreichs und seiner Ressourcen durch China. Doch es war Putin, der sein Land entgegen besserem Wissens bis heute nicht aus seiner Rohstoffabhängigkeit, der Vorherrschaft von Staatskonzernen und immer mehr Bürokratie und Korruption geführt hat. Den daraus folgenden wirtschaftlichen Niedergang versucht er durch überhartes Auftreten, die Annexion der Halbinsel Krim, die einseitige militärische Einmischung in Syrien und russische Soldaten in der Ostukraine zu übertünchen.

Europa braucht Dialog und Kooperation mit Russland – aber dazu gehören immer zwei.

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