Nord Stream 2 USA und Deutschland einigen sich im Streit um die Ostsee-Gaspipeline

Hintergrund des Streits ist die Befürchtung der Amerikaner, der Kreml werde Nord Stream 2 als Waffe einsetzen.
Brüssel Im transatlantischen Konflikt um die Ostseepipeline Nord Stream 2 hat es eine Einigung gegeben. Das erklärte Außenamtsstaatssekretärin Victoria Nuland am Mittwoch dem Auswärtigen Ausschuss des Kongresses.
Beide Regierungen würden Einzelheiten der Vereinbarung in Kürze bekanntgeben, sagte Nuland. Washington und Berlin hätten sich darauf verständigt, Sanktionen gegen Russland und deutsche Firmen zu verhängen, sollte Moskau die Pipeline als politische Waffe nutzen, sagte die im Rang dritthöchste US-Diplomatin.
Im Zentrum der Überlegungen der Bundesregierung und der US-Administration stehen zudem deutsche Hilfen für die Ukraine. Im Gegenzug sollen die USA auf Sanktionen gegen die Nord Stream 2 AG und ihren deutschen Chef, Matthias Warnig, verzichten.
Bislang sind diese Sanktionen nur ausgesetzt, eine Entscheidung, die Washington jederzeit widerrufen könnte. Das Ergebnis der Deals wäre, dass Nord Stream 2 fertig gebaut und in Betrieb gehen könnte, die negativen geopolitischen Folgen des Projekts aber gedämpft würden.
Die Nachrichtenagentur Bloomberg berichtet unter Berufung auf einen Entwurf der Einigung, dass Deutschland und die USA gemeinsam eine Milliarde Dollar für einen „Grünen Fonds“ mobilisieren wollen, der Kiew bei der Transformation der Energiewirtschaft helfen soll. Die Bundesregierung selbst habe 175 Millionen Dollar zugesagt und wolle zudem einen Sonderbeauftragten ernennen, der bilaterale Projekte mit der Ukraine mit weiteren 70 Millionen Dollar vorantreiben soll.
Für den Fall, dass Russland die Pipeline als Waffe gegen die Ukraine einsetzt, sei die Bundesregierung bereit, nicht näher umschriebene Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Auch die USA behielten sich das Recht vor, Sanktionen zu verhängen, sollte Russland die Energieversorgung als Druckmittel einsetzen. Diese Angaben wurden dem Handelsblatt bestätigt.
Hintergrund des Streits ist die Befürchtung der Amerikaner, der Kreml werde Nord Stream 2 als Waffe einsetzen, um die Energiesicherheit Europas zu untergraben. Vor allem die Osteuropäer fühlen sich durch die Pipeline bedroht, ganz besonders gilt das für die Ukraine, die durch die Pipeline ihren Status als Transitland zu verlieren droht. Damit würden Kiew nicht nur wichtige Einnahmen abhandenkommen, sondern auch Abschreckungspotenzial gegen russische Aggressionen.
Unterstützung für Kiew
Die Bundesregierung will auf die Sicherheitsbedenken eingehen und ist bereit, die bisherige Unterstützung für Kiew auszubauen. Ziel ist es, der Ukraine dabei zu helfen, zum Partner der europäischen Energiewende zu werden. Auch die Amerikaner wollen sich hierfür noch stärker engagieren.
Vor allem aber wollen sie sichergehen, dass die Führung der Ukraine den Deal mit den Deutschen unterstützt. Derek Chollet, ein enger Berater von US-Außenminister Antony Blinken, reist daher diese Woche in die Ukraine.

Im diplomatischen Ringen um die umstrittene Pipeline gibt es eine Einigung.
Das „Wall Street Journal“ hatte berichtet, Deutschland werde auch Energiegespräche im Rahmen der Drei-Meer-Initiative, einer Initiative zur Stärkung der mitteleuropäischen Zusammenarbeit unter anderem im Bereich Energiepolitik, unterstützen. Zudem solle der US-Zeitung zufolge sichergestellt werden, dass die Ukraine Transitgebühren für das aus Russland gelieferte Gas bekommt.
Die Pipeline-Diplomatie läuft seit Wochen auf Hochtouren. Zwar war es deutschen und amerikanischen Spitzenbeamten nicht gelungen, den Streit rechtzeitig zum Treffen von Bundeskanzlerin Angela Merkel und US-Präsident Joe Biden in Washington auszuräumen.
Doch haben sich beide Seiten in den vergangenen Wochen stetig angenähert. Es wurden eifrig Papiere zwischen Berlin und Washington hin- und hergeschickt, aus Sicht der USA verhielten sich die Deutschen „konstruktiv“.
Noch bevor Merkel nach Washington flog, traf sie den ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski zum Abendessen im Kanzleramt. Merkel bekräftigte danach ihre Haltung, wonach „die Ukraine Energie-Transitland bleiben muss“. In Washington ergänzte sie: Wenn Russland dieses Recht nicht einhalte, werde Deutschland „aktiv handeln“.
Die Bundesregierung hatte in der Vergangenheit stets darauf hingewiesen, dass sie der russischen Regierung die Zusage abgerungen habe, den Gastransit durch die Ukraine trotz Nord Stream 2 bis 2024 fortzusetzen. Doch inzwischen ist klar, dass das nicht reicht. Unterstützt von den USA dringt Selenski auf längerfristige und glaubwürdigere Gasgarantien aus Moskau. Bloomberg zufolge will sich die Bundesregierung verpflichten, darauf hinzuwirken, dass der Transitvertrag um bis zu zehn Jahre verlängert wird.
Klar ist allerdings auch, dass die Ukraine perspektivisch ein neues Geschäftsmodell benötigt. Die goldenen Jahre des Gastransits, aus dem das Land bisher einen erheblichen Teil seiner Einnahmen bestritten hat, sind vorbei. Die EU macht ernst mit ihrem „Green Deal“ und bereitet den Ausstieg aus fossilen Energien vor. Daher bringt sich auch die Ukraine schon länger als Investitionsstandort für erneuerbare Energien ins Gespräch.
Die Idee ist es, den Ökostrom für die Produktion von grünem Wasserstoff zu verwenden. „Es ist wichtig, der Ukraine ein Angebot für das postfossile Zeitalter zu machen“, sagt Nils Schmid, außenpolitischer Sprecher der SPD im Bundestag. Dabei müsse Gründlichkeit vor Schnelligkeit gehen. Ein großes Hindernis ist die Korruption in der Ukraine, ein Problem, das die Regierung in Kiew bisher nicht in den Griff bekommt.
Strategische Bedeutung für die EU
Auch die EU spielt bei den Hilfen für die Ukraine eine Rolle. EU-Kommissionsvize Maros Sefcovic hat vergangene Woche eine Rohstoff- und Batterie-Allianz mit Kiew ausgerufen. „Die Ukraine hat strategische Bedeutung für die EU“, hatte Sefcovic dem Handelsblatt gesagt. Von 30 kritischen Rohstoffen, die die EU identifiziert habe, fänden sich 21 in der Ukraine – darunter Lithium, Kobalt, Titanium und Seltene Erden. Es geht um Materialien für die Luftfahrtindustrie, Batterien, Windkraftwerke und Kommunikationsausrüstung.
Die US-Regierung hofft, mit dem Nord-Stream-2-Deal ihre innenpolitischen Kritiker zu besänftigen. Im Kongress trifft die Pipeline parteiübergreifend auf heftigen Widerstand. Es würde der Regierung auch im eigenen politischen Lager schwere Probleme bereiten, wenn der Eindruck entstünde, dass Biden vor Merkel einknickt und die Sicherheitsinteressen der Ukraine dem Wunsch unterordnet, das von seinem Vorgänger Donald Trump ramponierte Verhältnis zu Deutschland zu reparieren.
Auch Biden betrachtet Nord Stream 2 als „schlechten Deal“ für Europa, doch die Beziehung zur Bundesrepublik ist ihm wichtiger als ein Stopp der Pipeline, vor allem weil er hofft, Berlin für eine internationale Allianz gegen das zunehmend aggressive Machtstreben Chinas zu gewinnen.
Mehr: Chef der Nord Stream 2 AG: „Im August sind die Bauarbeiten beendet“
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@Herr Christian Scheid
Ist doch schön, wenn sich alle Handelnden so gut kennen, das man gesichtswahrend aus der Geschichte wieder herauskommt.
War da nicht irgendwas zwischen dem US-Präsidentensohn und einer Gasfirma aus der Ukraine ? Diese Erinnerung kommt mir aus dem Dunkel der US-Präsidentenwahl wieder hoch.