Odebrecht-Affäre Zahlreiche Mächtige Lateinamerikas straucheln: Skandal um Baukonzern erfasst Mexiko

Der einstige mexikanische Präsident wird von einem hochrangigen Ölmanager der Korruption beschuldigt.
Mexiko-Stadt Es hat lange gedauert, bis der Korruptionsskandal um den brasilianischen Baukonzern Odebrecht auch Mexiko erreicht hat. Umso mächtiger ist er jetzt in der zweitgrößten Volkswirtschaft Lateinamerikas aufgeschlagen: Der Fall zieht gleich drei Ex-Staatschefs, zwei ehemalige Präsidentschaftsbewerber, drei Gouverneure und mehrere Parlamentarier in den Verdacht, Schmiergelder in Millionenhöhe angenommen zu haben.
Insgesamt stehen 17 hochrangige Politiker im Fokus der Anschuldigungen, besonders aber der lange als besonders marktfreundlich und reformfreudig gefeierte Präsident Enrique Peña Nieto, der das Land zwischen 2012 und 2018 regierte.
Es ist der größte Korruptionsskandal in der Geschichte des Landes. Kronzeuge ist Emilio Lozoya, der zwischen 2012 und 2016 Chef den staatlichen Ölkonzern Petróleos Mexicanos (Pemex) geleitet hatte. Lozoya war im Februar in Spanien festgenommen und im Juli nach Mexiko ausgeliefert worden.
In der vergangenen Woche legte er ein 63-seitiges Konvolut vor, das ein politisches Erdbeben in dem Land auslöste. In der Erklärung vor der Generalstaatsanwaltschaft (FGR) gibt Lozoya detailliert Auskunft darüber, wie die Odebrecht-Bestechungsmaschine in Mexiko funktionierte und wer wofür wie viel Geld angenommen hat.
Der linksnationalistische Präsident Andrés Manuel López Obrador triumphiert: „Das ist besser als eine Telenovela“, sagte er nach Bekanntwerden der Anschuldigungen.
López Obrador sieht sich durch Lozoyas Vorwürfe in der Kritik an seinen Vorgängern bestätigt, die er für höchst bestechlich hält und denen er vorwirft, Korruption zu einem zentralen Element des Regierens gemacht zu haben. Er wolle sich bemühen, das veruntreute Geld des hochverschuldeten Staatskonzerns Pemex wiederzubeschaffen, betonte der Präsident.
Er erwägt sogar, das Volk darüber abstimmen zu lassen, ob die beschuldigten Ex-Staatschefs gegebenenfalls juristisch zur Verantwortung gezogen werden sollen.
Millionenschwere Schmiergeldzahlungen
Der brasilianische Baukonzern Odebrecht steht im Zentrum eines Korruptionsskandals, der in den vergangenen gut drei Jahren fast den gesamten lateinamerikanischen Kontinent erfasst hat. Insgesamt soll das Unternehmen 785 Millionen Dollar Schmiergeld im Gegenzug für Aufträge gezahlt haben, die zumeist von Staatsunternehmen kamen. Der Skandal hat bereits Politiker und Präsidenten in elf Staaten zu Fall oder in rechtliche Probleme gebracht. Behörden ermitteln gegen rund eintausend Politiker, Beamte und Geschäftsleute.
In Mexiko steht Ex-Präsident Peña Nieto im Zentrum der Anschuldigungen. Der Kronzeuge Lozoya arbeitete vor seiner Zeit als Pemex-Chef als Wahlkampfmanager für Peña Nieto. Der damalige Staatschef sei über die Zahlung von Schmiergeldern durch Odebrecht informiert und sogar aktiv in sie eingebunden gewesen, so der Vorwurf.
Insgesamt geht es um 10,5 Millionen Dollar. 4,5 Millionen davon wurden demnach für die Finanzierung des Wahlkampfs von Peña Nieto eingesetzt. Der Rest soll im Wesentlichen dafür verwendet worden sein, Abgeordnete aller Parteien die Verabschiedung der Energiereform im Jahr 2013 schmackhaft zu machen, die eines der Vorzeigeprojekte von Peña Nieto war. Lozoya beschuldigt auch dessen Vorgänger Felipe Calderón (2006 bis 2012) der Vorteilsnahme.
Dass die früheren Präsidenten hochkorrupten Regierungen vorstanden, sei jedem Mexikaner mehr oder minder bekannt gewesen, sagt der Analyst Jorge Zepeda Patterson. Der politische Sprengstoff der Vorwürfe liege darin, dass Lozoya seinem früheren Chef Peña Nieto vorwirft, „persönlich an den Schmiergeldzahlungen beteiligt gewesen zu sein“. Nie zuvor war ein mexikanischer Machthaber oder Ex-Machthaber direkt beschuldigt worden. Lozoya sagt, Peña Nieto habe ihn beauftragt, sich mit dem Odebrecht-Vertreter in Mexiko, Luis Weyll, zu treffen und ihn um Wahlkampfhilfe zu bitten.
Lukrative Geschäfte
Für den brasilianischen Baukonzern dürfte das ein rundes Geschäft gewesen sein: Laut Erkenntnissen der Generalstaatsanwaltschaft erhielt Odebrecht für seine gut zehn Millionen Dollar Schmiergeld Aufträge im Gegenwert von 39 Millionen Dollar, meist für den staatlichen Ölkonzern Pemex. Während Peña Nieto bisher schweigt, bezeichnete Calderón die Vorwürfe gegen sich als „lächerlich“. López Obrador benutze Lozoya, um politische Gegner zu verfolgen, behauptet der konservative Politiker.
In Odebrechts Heimatland Brasilien stürzte Mitte 2016 die linksliberale Präsidentin Dilma Rousseff mittelbar über Vorwürfe der Verwicklung in den Skandal. Ihr Vorgänger Lula da Silva musste ins Gefängnis. In Peru trat Präsident Pedro Pablo Kuczynski vor mehr als zwei Jahren zurück, weil ihm im Odebrecht-Zusammenhang ein Amtsenthebungsverfahren drohte. Ex-Präsident Alan Garcia, dessen Name in Ermittlungsakten auftauchte, beging Suizid.
In Kolumbien und Panama werden Ex-Staatschefs beschuldigt, Geld von Odebrecht für ihre Wahlkämpfe angenommen zu haben. Auch in Argentinien, Ecuador und der Dominikanischen Republik laufen Ermittlungen. Bisher war die politische Klasse praktisch nur in Venezuela und Mexiko ungeschoren davongekommen.
In den Augen von politischen Beobachtern ist Präsident López Obrador der große Gewinner dieses Skandals. „Dadurch steigt seine Legitimität, was sich vermutlich schon in den Zwischenwahlen kommendes Jahr niederschlagen wird“, sagt Juan Antonio Crespo, Professor am renommierten mexikanischen Forschungsinstitut CIDE. Im kommenden Jahr werde das Parlament teilerneuert. 15 Gouverneure werden neu gewählt.
So wirken die Aussagen des Kronzeugen Lozoya wie die Bestätigung der Fundamentalkritik des Präsidenten am politischen System Mexikos. López Obrador wirft den Eliten des Landes vor, sich die Ressourcen des Landes wie Mafiosi untereinander aufzuteilen. Seinen großen Wahlerfolg im Sommer 2018 hat López Obrador vor allem dieser Kritik zu verdanken. Denn diese wird von der überwältigenden Mehrheit der Bevölkerung geteilt.
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