Östliches Mittelmeer Hohe Gaspreise machen die Türkei und EU wieder zu Rivalen

Die Einsätze türkischer Erkundungsschiffe im Mittelmeer sorgen für Unmut.
Istanbul Im Zuge steigender Preise für Öl und Gas nehmen die Spannungen im östlichen Mittelmeer wieder zu. Die Administration in der türkischen Hauptstadt Ankara warnte Zypern am Donnerstagabend, Bohrungen in einer Region zu unternehmen, welche die Türkei als eigenen Kontinentalschelf betrachtet.
Zypern wiederum betrachtet das Areal als eigene exklusive ökonomische Zone. „Solche Schritte erhöhen die Spannungen“, sagte ein Sprecher des türkischen Außenministeriums.
Spannungen, welche die Anrainer nach einer Phase diplomatischer Bemühungen offenbar wieder in Kauf nehmen. Denn die steigenden Gaspreise machen die Region noch attraktiver.
Unter dem östlichen Mittelmeer werden riesige Gasvorkommen vermutet. Schätzungen zufolge lagern dort rund 3,5 Billionen Kubikmeter Erdgas und 1,7 Milliarden Barrel Erdöl. In Deutschland würde das für nahezu 40 Jahre reichen.
Doch damit steigen auch die Einsätze der beteiligten Staaten, möglichst viel von diesen Vorkommen und damit der Region für sich selbst zu beanspruchen. Notfalls auch mit militärischem Druck.
Drohende Abhängigkeit von Russland ein entscheidender Faktor
Im Pandemiejahr 2020 war das noch anders, damals waren die Öl- und Gaspreise um mehr als 40 Prozent eingebrochen. Nach heftigen Spannungen um Gebietsansprüche im Mittelmeer hatten sich die Türkei und die EU im Winter darauf geeinigt, den Konflikt diplomatisch zu lösen.
Jetzt aber ist der Gaspreis rapide angestiegen, gerade in der Europäischen Union. Erdgas kostet dort inzwischen vier Mal mehr als Anfang des Jahres. Die drohende Abhängigkeit von Russland und der neuen Pipeline Nord Stream 2 weckt noch mehr Begehrlichkeiten, an anderen Orten nach eigenem Gas zu suchen.
Die Spannungen haben schon begonnen. Die geplante „EastMed“-Pipeline, die zu den Billig-Gaspreisen vom vergangenen Jahr niemals profitabel gewesen wäre, erscheint auf einmal in einem anderen Licht. Ägypten, Griechenland, Israel, Italien, Jordanien, Palästina und Zypern haben ihre Pläne wieder aufgenommen, gemeinsam Gas aus dem Mittelmeer nach Europa zu transportieren.
Die Türkei ist bei der „EastMed“-Pipeline außen vor. Deshalb lässt das Land auf eigene Rechnung in der Region nach Gas suchen. Die staatliche türkische Ölfirma Türk Petrolleri kündigte am Donnerstag an, in sechs Gebieten im östlichen Mittelmeer Bohrungen durchführen zu wollen.
Bohrschiffe werden vom Militär begleitet
Auch Zypern ist bestrebt, die Entwicklung seiner eigenen Offshore-Ressourcen voranzutreiben. Bis 2019 schloss das Land Verträge mit den Ölmultis ExxonMobil, Eni und Total. Doch das Projekt geriet ins Stocken, nicht zuletzt wegen der Pandemie.
Hohe Energiepreise in ganz Europa und weltweit können dem Land eine neue Chance bieten: Die US-Firma ExxonMobil will bald im Auftrag der Regierung in Nikosia in der Region nach Gas suchen. Das Unternehmen werde Ende des Jahres im sogenannten Block 10, südwestlich von Zypern, Probebohrungen beginnen, heißt es in einer Mitteilung der zyprischen Regierung.
Das Unternehmen kommt nicht allein. Die US-Marine hat einen ihrer größten Flugzeugträger in die Region entsandt – offiziell, um Militärübungen abzuhalten. Das strategische Kalkül der Amerikaner: Durch das „EastMed“-Projekt kommen sieben Mittelmeeranrainer zusammen, die sich sonst nicht unbedingt grün sind. Das würde die Machtbalance in der Region stabilisieren. Außerdem verringert Europa damit seine Abhängigkeit vom Gas aus Russland, was den Amerikanern ebenfalls gefallen dürfte.
Die Türkei will sich das nicht gefallen lassen. Die Präsenz ausländischen Militärs würde die Machtbalance in der Region nicht verändern, erklärte der türkische Verteidigungsminister Hulusi Akar jüngst. Sein Land scheint bestrebt, den Streit um Erdgas zur Not eskalieren zu lassen.
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Da würde wohl eine schnelle Zertifizierung und Gaslieferung von Nord Stream 2 doch helfen den Konflikt zu entschärfen - schließlich sollten dann die Preise zurück gehen und damit die Erschließung im Mittelmeer um Zypern weniger rentabel werden.