Pandemie „Die Geduld geht uns aus“ – Joe Biden kündigt Impfpflicht für Millionen Arbeitnehmer an

Der US-Präsident stellt am Donnerstag im Weißen Haus neue Corona-Regeln vor.
New York, Washington US-Präsident Joe Biden hat mit zugespitzten Äußerungen den Druck auf die Minderheit seiner immer noch ungeimpften Landsleute erhöht. „Viele von uns sind frustriert angesichts der fast 80 Millionen Amerikaner, die immer noch nicht geimpft sind, obwohl Impfungen sicher, wirksam und kostenlos sind“, sagte Biden am Donnerstag im Weißen Haus. Dank der Impfungen habe man die nötigen Mittel, um die Pandemie einzudämmen, betonte er. An die Adresse der Ungeimpften sagte Biden weiter: „Wir sind geduldig gewesen, aber die Geduld geht uns aus.“ Seine Forderung: „Lassen Sie sich impfen.“
Biden stellte einen Sechs-Punkte-Plan im Kampf gegen die Pandemie vor. Neue Regelungen zur Corona-Impfung sollen für fast 100 Millionen Beschäftigte der Privatwirtschaft und des Gesundheitswesens gelten. Auch für alle Angestellten der Bundesregierung sowie Zulieferer verschärft US-Präsident Joe Bidens Regierung die Impfvorschriften.
Firmen mit mehr als 100 Angestellten soll vorgeschrieben werden, dass alle Mitarbeiter geimpft sein müssen oder sich mindestens ein Mal pro Woche auf eine Infektion mit dem Coronavirus testen lassen müssen. Die Regelung werde derzeit unter Führung des Arbeitsministeriums entwickelt und für rund 80 Millionen Beschäftigte der Privatwirtschaft gelten, erklärte das Weiße Haus am Donnerstag.
Zudem sollen künftig alle Mitarbeiter in Krankenhäusern und Einrichtungen des Gesundheitswesens, die Zahlungen der staatlichen Krankenversicherungen annehmen, gegen Corona geimpft sein müssen. Die Regelung werde für rund 17 Millionen Mitarbeiter gelten, hieß es. In den staatlichen Programmen Medicare und Medicaid sind vor allem Ältere, Behinderte und Bedürftige versichert.
Impfpflicht für Angestellte des Bundes
Kurz zuvor hatte das Weiße Haus bereits bestätigt, dass in Kürze für alle Mitarbeiter der Bundesregierung eine Impfpflicht gelten wird. Es werde dabei nur wenige Ausnahmen aus bestimmten gesundheitlichen oder religiösen Gründen geben, sagte Bidens Sprecherin Jen Psaki. Die zuvor eingeführte Möglichkeit, sich durch regelmäßige Corona-Tests von einer Impfpflicht zu befreien, soll wegfallen. Die Regelung soll auch für Unternehmen gelten, die für die Regierung arbeiten.
Angestellte des Bundes hätten bis zu 75 Tage Zeit, sich vollständig impfen zu lassen, erklärte Psaki. Mitarbeiter, die bis dahin nicht geimpft seien, drohten über die zuständige Personalabteilung disziplinarische Maßnahmen, die bis zur Entlassung führen könnten. Die Regierung als einer der größten Arbeitgeber des Landes wolle mit der Regelung allen Unternehmen ein Modell vorgeben, sagte Psaki. Biden hatte zuletzt immer wieder auch für eine Corona-Impfpflicht in Unternehmen geworben und Arbeitgeber zum Handeln aufgefordert.
Die vom Weißen Haus angekündigten Schritte gäben den bereits auf Bundesebene bestehenden Impfpflichten weitere Rückendeckung. Die Vorschriften etwa des Verteidigungsministeriums und der Behörden für Veteranen beträfen bereits rund 2,5 Millionen Angestellte, hieß es.
Die Impfkampagne in den USA macht trotz vieler Anreize nur noch sehr langsam Fortschritte. Bislang sind 53,4 Prozent der rund 330 Millionen Menschen im Land abschließend gegen das Coronavirus geimpft. Etwa 63 Prozent haben mindestens schon die erste Spritze bekommen. Die Corona-Impfungen sind für Jugendliche ab 12 Jahren und Erwachsene freigegeben. In der Bevölkerungsgruppe ab 12 Jahren sind 62,5 Prozent voll geimpft.
Teil der neuen Corona-Regelungen ist auch eine Verdoppelung der Bußgelder für Maskenverweigerer in Flughäfen, Bahnhöfen sowie beim Reisen in Flugzeugen, Zügen und Bussen. Ein erstmaliger Verstoß gegen die Maskenpflicht kann ab Freitag mit einem Bußgeld von 500 bis 1000 US-Dollar (420 bis 840 Euro) geahndet werden, wie das Heimatschutzministerium mitteilte. Wiederholungstäter müssten nun mit Bußgeldern von 1000 bis 3000 US-Dollar rechnen.
Die Regel gilt demnach vor allem für Reisen zwischen Bundesstaaten, die unter die Aufsicht der Transportsicherheitsbehörde (TSA) fallen. Die TSA hatte die Vorschrift zur Maskenpflicht im Reiseverkehr jüngst bis Mitte Januar kommenden Jahres verlängert. Die Verdoppelung der Bußgelder war Teil einer Reihe von Maßnahmen, die US-Präsident Joe Biden am Donnerstag (Ortszeit) im Weißen Haus ankündigte, um die Pandemie einzudämmen.
Heimatschutzminister Alejandro Mayorkas erklärte: „Das Tragen einer Maske schützt die Reisenden und alle Bediensteten, die das Reisen sicher, sorgenfrei und bequem machen.“ Die Maskenpflicht werde durchgesetzt werden, so lange dies nötig sei.
Es war zunächst nicht bekannt, wie viele Verstöße gegen die Maskenpflicht von der TSA bereits mit Bußgeldern geahndet wurden. In den USA ist zudem keine bestimmte Maskenqualität vorgeschrieben, daher werden zum Beispiel auch einfache Stoffmasken akzeptiert.
Aufgrund der besonders ansteckenden Delta-Variante des Coronavirus hatte die Pandemie in den USA zuletzt wieder deutlich an Fahrt aufgenommen. Die Gesundheitsbehörde CDC meldete im Wochendurchschnitt pro Tag fast 140.000 Neuinfektionen und rund 1100 Todesfälle.
Impfen wird zum Politikum
Die neuen Regeln kommen zu einer Zeit, in der das Delta-Virus auch den starken wirtschaftlichen Aufschwung zuletzt wieder abgebremst hat. Vor allem die jüngsten schwächer als erwarteten Arbeitsmarktdaten haben Ökonomen auf die schnelle Verbreitung des Virus zurückgeführt.
Vor allem in südlichen, meist republikanischen Staaten wie Tennessee und Texas, in denen die Impfquoten zum Teil bei nur einem Drittel der Bevölkerung liegen, grassiert das Virus derzeit rasant und bringt Krankenhäuser wieder an die Belastungsgrenze.
Politisch sind die neuen Regeln allerdings äußerst heikel. In den USA ist das Vakzin längst zu einem Politikum geworden, bei dem sich Impfgegner vor allem bei den Republikanern widerfinden und die Befürworter bei den Demokraten. Die Lager sind mittlerweile so festgefahren, dass sogar der ehemalige US-Präsident Donald Trump seine Anhänger nicht überzeugen kann. Nachdem er die Impfgegner lange selbst angestachelt hatte, rief der genesene und geimpfte Ex-Präsident vor wenigen Wochen in Alabama seine Zuhörer auf, sich impfen zu lassen. Doch er wurde ausgebuht.
Wohl wissend, wie heikel das Thema ist, hatte sich die Biden-Regierung bisher mit einer Impfpflicht zurückgehalten. An ihre Stelle waren teils die Unternehmen getreten, die ihren Mitarbeitern die Impfung teilweise vorgeschrieben oder zumindest nahegelegt haben. Doch ein einheitliches Vorgehen gab es dabei bisher selbst bei jenen nicht, die eng mit anderen Menschen zusammenarbeiten.
Bei den Fluggesellschaften hat etwa bisher nur United Airlines das Impfen zur Pflicht gemacht. Bei Delta Airlines dagegen hat sich das Management für finanziellen Druck entschieden: Mitarbeiter, die sich nicht impfen lassen, müssen 200 Dollar mehr im Monat für ihre Krankenversicherung zahlen, die in den USA an den Arbeitgeber gebunden ist. „Wenn ein Mitarbeiter mit Covid ins Krankenhaus kommt, kostet uns das 50.000 Dollar“, begründete der Delta-CEO Ed Bastian die Maßnahme.
Nun kommt der Druck auch offiziell vom Staat.
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