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Pandemie Stopp für Astra-Zeneca: In der EU wird Impfstoff zur Mangelware

Empfiehlt die EU-Arzneimittelagentur am Donnerstag eine weitere Aussetzung, wäre das ein Rückschlag in der Pandemiebekämpfung. Wie Europa mit dem Astra-Zeneca-Impfstoff verfährt.
17.03.2021 - 04:00 Uhr 1 Kommentar
Italien hat Impfungen mit dem Vakzin von Astra-Zeneca vorübergehend gestoppt – wie viele andere europäische Länder auch. Quelle: ddp images/IPA
Leeres Impfzentrum in Mailand

Italien hat Impfungen mit dem Vakzin von Astra-Zeneca vorübergehend gestoppt – wie viele andere europäische Länder auch.

(Foto: ddp images/IPA)

Brüssel, Paris, Rom, Zürich Erst kam Dänemark, dann ging es Schlag auf Schlag: Inzwischen haben alle wichtigen EU-Länder – darunter Deutschland, Frankreich und Italien – den Einsatz des Impfstoffs von Astra-Zeneca wegen aufgetretener Thrombosen nach der Impfung gestoppt.

Ohnehin gehört Europa im internationalen Vergleich zu den langsamen Regionen. Jetzt geraten die Impfpläne auf dem Kontinent komplett durcheinander. EU-Kreise machen für das Impfdesaster insbesondere die nationalen Alleingänge in den vergangenen Tagen verantwortlich.

Ursprünglich hatte die EU-Kommission versprochen, 70 Prozent der Erwachsenen bis Ende September zu impfen. Das dürfte sich jetzt um Wochen oder gar Monate nach hinten verschieben.

„Das kurzfristige Aussetzen der Impfung schwächt das Vertrauen der Bevölkerung in den Impfstoff weiter und kann den gesamten Impfplan durcheinanderbringen“, sagte der Europaabgeordnete und Gesundheitspolitiker Tiemo Wölken (SPD). „Verunsicherung entsteht durch das unabgestimmte Handeln der nationalen Behörden. Von den EU-Gesundheitsministern hätte ich mir hier eine koordinierte Entscheidung gewünscht.“

Der Impfstoff des britisch-schwedischen Pharmakonzerns spielt eine zentrale Rolle in den Impfplänen. Astra-Zeneca sollte im zweiten Quartal etwa ein Fünftel aller Impfdosen liefern. Die EU hat bisher 14 Millionen Dosen erhalten. Von diesen sind aber fast acht Millionen nicht verimpft worden.

Bislang sind nur vier Impfstoffe zugelassen: Neben dem Impfstoff von Astra-Zeneca sind das die Vakzine von Biontech/Pfizer, Moderna und Johnson & Johnson. Da aber letzterer Hersteller bis Mitte April nicht liefern kann und die Impfdosen von Moderna begrenzt sind, kann ein Großteil der Impfungen nur mit dem Biontech/Pfizer-Vakzin vollzogen werden.

Diese beiden Firmen werden im zweiten Quartal zehn Millionen zusätzliche Impfdosen an die EU liefern. Dadurch steigt die Gesamtzahl der Impfdosen von Biontech/Pfizer im zweiten Quartal auf über 200 Millionen. Die Extradosen kommen aus der Option von 100 Millionen Dosen im zweiten Biontech/Pfizer-Vertrag, der ursprünglich erst für die zweite Jahreshälfte vorgesehen war.

„Das ist gerade angesichts des Stopps der Impfungen mit Astra-Zeneca in vielen Ländern eine wichtige Nachricht“, sagte der Europaabgeordnete und gesundheitspolitische Sprecher der EVP im Europäischen Parlament, Peter Liese (CDU). „Alle anderen Firmen, mit denen die EU Verträge geschlossen hat, sollten sich an Biontech/Pfizer orientieren, die ihre Lieferzusagen einhalten und jede Möglichkeit ausschöpfen, früher und zusätzliche Impfdosen zu liefern.“

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In Brüssel wird kritisiert, dass die EU-Länder mit dem Aussetzen der Impfungen nicht die Entscheidung der europäischen Arzneimittelagentur Ema abgewartet haben. Die Amsterdamer Behörde wird am Donnerstag über den weiteren Umgang mit dem Impfstoff entscheiden.

Bislang hat die Ema das Vakzin von Astra-Zeneca für alle Altersgruppen zugelassen. Experten prüften derzeit, ob zwischen der Impfung und aufgetretenen Fällen einer Blutgerinnung ein Zusammenhang bestehe, sagt Ema-Chefin Emer Cooke.

Frankreich noch zuversichtlich

Die Sorgen in den EU-Ländern über eine weitere Verzögerung der Impfpläne wachsen unterdessen. Frankreich kann noch nicht abschätzen, welche konkreten Folgen die Suspendierung der Impfungen haben wird. Unbestätigten Berichten zufolge hält Premierminister Jean Castex es immer noch für möglich, Mitte April eine Zahl von zehn Millionen geimpften Franzosen zu erreichen.

Am 15. März waren es 5,1 Millionen. 1,3 Millionen haben zumindest die Erstimpfung mit Astra-Zeneca erhalten, 5,6 Millionen mit Biontech/Pfizer und 355.000 mit Moderna. Eigentlich sollte die Zahl der mit Astra-Zeneca Geimpften deutlich zunehmen. Denn nach den Angaben des Gesundheitsministeriums wurden bis zum 15. März 2,7 Millionen Dosen des britisch-schwedischen Vakzins geliefert. Eine negative Ema-Entscheidung wäre also ein empfindlicher Rückschlag für die Franzosen.

Verzögerung in Italien

Auch in Italien droht eine Verzögerung der Impfpläne. Am Montagnachmittag stoppte die italienische Arzneimittelbehörde Aifa die Impfungen. In Trenno, einem Park im Nordwesten Mailands, war erst am Vormittag eine Drive-through-Impfstation des Militärs eröffnet worden: 2000 Menschen sollten hier pro Tag ihre Spritze bekommen, ohne aus dem Auto auszusteigen, eine Dosis alle fünf Minuten.

Am Dienstag organisierte die Station nur noch Corona-Tests. Für Italiens Impfkampagne ist das ein herber Rückschlag. Premier Mario Draghi wollte das Tempo stark beschleunigen, ernannte Anfang März mit Francesco Figliuolo einen General und Logistikexperten zum neuen Impfverantwortlichen. 170.000 Dosen werden derzeit pro Tag verabreicht.

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Die Regierung plante, die Zahl noch im April mehr als zu verdreifachen. 80 Prozent der Italiener sollten so bis Ende September geimpft sein. Diese Rechnung wird ohne Astra-Zeneca kaum aufgehen – zu wichtig ist der Impfstoff für die Kampagne.

Bis Ende des Monats erwartet Italien weitere 7,5 Millionen Impfstoffdosen, drei Millionen davon entfallen allein auf Astra-Zeneca. Schon jetzt lagern eine Million Dosen ungenutzt in den Kühlschränken. Bis Ende September stehen Rom über die EU-Verträge rund 40 Millionen Astra-Zeneca-Dosen zu.

Erst mit der Zulassung des dritten Corona-Impfstoffs weitete sich Italiens Impfkampagne: Biontech und Moderna sind bisher für medizinisches Personal, die Altenheime und die ältesten Bürger reserviert. Von den 4,4 Millionen über 80-Jährigen ist erst eine Million geimpft.

Mit Astra-Zeneca erhielten Militärs und Lehrkräfte die Immunisierung, auch die Hausärzte sollten anfangen, in ihren Praxen 64- und 65-Jährige zu spritzen. Nun herrscht große Unsicherheit, vor allem bei den Menschen, die bereits die erste Dosis bekommen haben.

Schweiz hat stark aufgeholt

Im Gegensatz zur EU war der Astra-Zeneca-Impfstoff in der Schweiz nie zugelassen. An diesem Status hat sich bis heute nichts geändert, wie ein Swissmedic-Sprecher mitteilte. Die Behörde verweist auf eine groß angelegte Studie in Südamerika, deren Ergebnisse abgewartet werden müssten.

Die Schweizer Impfkampagne ist zunächst schleppend angelaufen, inzwischen sind jedoch rund zwölf Prozent der Bevölkerung geimpft. Das ist im Vergleich zu Musterländern wie Israel, Chile oder den USA wenig. Aber es ist immer noch ein höherer Anteil, als die Nachbarländer in Europa, etwa Österreich oder Deutschland, vorweisen können. Der für Gesundheit zuständige Bundesrat Alain Berset will bis spätestens Juni jedem erwachsenen Schweizer ein Impfangebot machen.

Mehr: Was der Stopp von Astra-Zeneca für die Impfungen in Deutschland bedeutet

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1 Kommentar zu "Pandemie: Stopp für Astra-Zeneca: In der EU wird Impfstoff zur Mangelware"

Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.

  • Jede Impfung ist immer besser als keine Impfung. Unter diesen Umständen wäre es besser, gar nicht zu stoppen und für die Gesundheitsminister der EU Staaten sich zu verständigen, bevor jeder eine Entscheidung, trifft. Das Problem ist wie immer, eine gemeinsame Entscheidung zu treffen und sich daran halten.
    Wird die EU jemals erwachsen? Ich zweifle daran.

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