Parlamentswahl Regierungswechsel in Norwegen setzt Ölindustrie unter Druck

Rund 200.000 Norweger sind in diesem Wirtschaftszweig beschäftigt.
Stockholm In Norwegen kommt es zu einem Regierungswechsel, der Konsequenzen für die Ölindustrie haben dürfte: Die bisherige Mitte-rechts-Regierung von Ministerpräsidentin Erna Solberg wird aller Voraussicht nach durch ein linksgerichtetes Bündnis unter Führung der Sozialdemokraten von Jonas Gahr Store abgelöst. Solberg, die acht Jahre das Land regierte, räumte ihre Niederlage ein.
Store wird wahrscheinlich den Regierungsbildungsauftrag erhalten. Allerdings dürfte es nicht einfach werden, eine mehrheitsfähige Koalition zu bilden. Denn Stores Sozialdemokraten kommen mit 26,4 Prozent der Stimmen auf das schlechteste Wahlergebnis seit 2001 und das zweitschlechteste seit 100 Jahren.
Der 61-jährige Store braucht deshalb für die Bildung einer stabilen Regierung mindestens zwei weitere Koalitionspartner. Nach eigenen Worten wäre das „Traumteam“ eine Koalition aus der bäuerlichen Zentrumspartei und der sozialistischen Linkspartei. Zusammen bekämen die drei Parteien 100 der insgesamt 169 Mandate im norwegischen Parlament.
Doch die Bildung dieser rot-grünen Dreierkoalition dürfte dem aus wohlhabenden Verhältnissen stammenden Store einige Kopfschmerzen bereiten. Denn vor allem in der künftigen Klimapolitik stehen die Parteien teilweise weit auseinander.
Während Stores Sozialdemokraten im Wahlkampf zwar einen schrittweisen Ausstieg aus der Öl- und Gasförderung angekündigt haben, ohne dabei allerdings ein Datum zu nennen, fordert die sozialistische Linkspartei einen schnellen Stopp der Ölförderung, die das Land zu einem der wohlhabendsten der Welt gemacht hat.
Findet Store einen Klima-Kompromiss?
Store hatte im Wahlkampf eine „faire Klimapolitik“ angekündigt, sollte er Regierungschef werden. Die Öl- und Gasvorkommen neigen sich dem Ende zu, ein vorzeitiger Ausstieg aus der Industrie, die dem Land jährlich Einnahmen von mehr als 40 Milliarden Euro beschert, sei mit ihm aber nicht zu machen.

Der Vorsitzende der Sozialdemokraten wird wahrscheinlich den Regierungsbildungsauftrag erhalten.
Die Zentrumspartei hält ein Weiter-so für den besten Weg. Sie hat sich in der Vergangenheit immer vehement für die Belange der Ölindustrie eingesetzt. Die Frage ist nun, ob Store einen Kompromiss finden kann, dem sowohl Zentrumspartei als auch sozialistische Linkspartei zustimmen können.
Dass die Frage der Ölförderung und des Klimaschutzes zu den wichtigsten Themen im Wahlkampf gehörte, liegt an der Bedeutung dieser Industrie für das Land mit 5,3 Millionen Einwohnern.
Rund 200.000 Menschen sind in diesem Wirtschaftszweig beschäftigt. Die Einnahmen aus der Öl- und Gasförderung fließen seit Jahrzehnten in den Ölfonds, der den Wohlfahrtsstaat auch für kommende Generationen sichern soll. Mittlerweile verwaltet dieser größte Staatsfonds der Welt mehr als eine Billion Euro.
Als Anfang August der Weltklimarat IPCC seinen Bericht über die Folgen der Erderwärmung veröffentlichte und eine Erwärmung der Erde um 1,5 Grad bereits 2030 vorhersagte, schlug das in Norwegen ein wie eine Bombe und veränderte den Wahlkampf schlagartig.
Denn auf einmal wurde vielen Norwegern bewusst, dass ihr Land einerseits zu den Vorreitern bei der Elektromobilität mit einem E-Auto-Anteil von 70 Prozent bei den Neuwagenverkäufen zählt und bei der Stromerzeugung nahezu komplett auf Wasserkraft und Windenergie setzt und somit auf fossile Energieträger verzichtet. Andererseits ist das Land aber weltweit einer der größten Exporteure von Öl und Gas und trägt somit zu erheblichen CO2-Emissionen bei.
Ölindustrie wird sich auf schärfere Rahmenbedingungen einstellen müssen
Bis 2035 will Norwegen klimaneutral werden, gleichzeitig aber nicht auf den durch den Öl- und Gasexport erreichten Wohlstand verzichten.
Das Land kann seinen Bürgern einen der weltweit höchsten Lebensstandards durch die enormen Einnahmen aus dem Öl- und Gasgeschäft bieten. Schon früh wurden die Petro-Milliarden in den nunmehr größten Staatsfonds der Welt gesteckt, um den Wohlfahrtsstaat auch nach dem Versiegen der Quellen im Nordatlantik aufrechterhalten zu können. Gleichzeitig will man in eine klimaneutrale Zukunft steuern.

Die Mitte-rechts-Regierung der bisherigen Ministerpräsidentin wird aller Voraussicht nach abgelöst.
Um dieses ehrgeizige Ziel in relativ kurzer Zeit zu erreichen, wird sich die Ölindustrie unabhängig von der Zusammensetzung der nächsten Koalitionsregierung auf schärfere Rahmenbedingungen einstellen müssen.
Für Thina Saltvedt, Analystin bei Nordea in Oslo, ist die Frage der künftigen Klimapolitik entscheidend für die Zukunft des ganzen Landes. Keine andere Industrie könne so viel Geld generieren wie die Ölindustrie, sagte sie in einem Radiointerview. Gleichzeitig wollen immer mehr Menschen, dass die Öl- und Gasförderung Schritt für Schritt heruntergefahren wird. „Einige sagen, je eher wir mit dem schrittweisen Umstieg beginnen, desto weniger brutal wird er“, so die Analystin.
Die Koalitionsverhandlungen sollen umgehend eingeleitet werden, erklärte Store noch am Wahlabend. Er deutete bereits an, dass es schwierige und damit auch langwierige Verhandlungen werden können.
Niederlage für Mitte-rechts-Regierung kam überraschend
Die Wahlverliererin Erna Solberg gratulierte ihrem wahrscheinlichen Nachfolger, erklärte aber auch, dass die Arbeit ihrer Regierung „für dieses Mal“ beendet ist. Überraschend war, dass sie und ihre Mitte-rechts-Regierung nach acht Jahren an der Macht eine deutliche Niederlage einstecken mussten.
Denn eigentlich hat sie sich nur wenige Fehler geleistet. Der harte Kurs mit vielen Restriktionen in der Corona-Pandemie wurde von einer großen Mehrheit der Bevölkerung mitgetragen. Auch wirtschaftlich kam das Land bislang gut durch die Krise. Die Bank Nordea rechnet in diesem Jahr mit einem Wachstum von knapp vier Prozent.
Dass es trotzdem nicht gereicht hat, liegt nach Ansicht des Politologen Bengt Aardal auch an dem Wunsch der Wähler nach einem Wechsel. In Norwegen sei bislang die Regierung immer nach zwei Legislaturperioden abgewählt worden.
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Oel und Gas werden weiterhin gebraucht. Wenn Norwegen nicht liefert, tun es andere. Ein
Vorteil waere dass bei Lieferknappheit die Preise steigen. Aber ein abrupter Lieferstopp
bringt kaum Reduzierung der Emissionen.