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Peter Liese CDU-Umweltpolitiker: „Wir dürfen die grüne Transformation nicht zu schnell gestalten"

Der CDU-Politiker Peter Liese gilt als Klimaaktivist innerhalb seiner Partei. Trotzdem warnt er, es mit den Klimazielen nicht zu sehr zu übertreiben.
05.02.2020 - 09:39 Uhr Kommentieren
Drei Windräder stehen vor dem Braunkohlekraftwerk Neurath. Die EU-Kommission plant im Rahmen des Green Deals die CO2-Emissionen auf 55 Prozent zu reduzieren. Quelle: dpa
Energiewende in Deutschland

Drei Windräder stehen vor dem Braunkohlekraftwerk Neurath. Die EU-Kommission plant im Rahmen des Green Deals die CO2-Emissionen auf 55 Prozent zu reduzieren.

(Foto: dpa)

Brüssel In Brüssel wird über den CDU-Politiker Peter Liese gerne gescherzt, er wäre versehentlich in die falsche Partei eingetreten. Als umweltpolitischer Sprecher der konservativen EVP-Fraktion im Europaparlament wirken seine politischen Ambitionen oftmals ziemlich grün.

Doch: Auch wenn er EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen beraten hat, was sie im Rahmen des Green Deals – dem Plan für eine klimaneutrale Wirtschaft – anpacken könnte, so zeigt er sich skeptisch gegenüber dem Vorhaben, die CO2-Emissionen bis 2030 um 55 Prozent im Vergleich zu 1990 zu reduzieren.

Bislang liegt das Ziel bei einem Minus von 40 Prozent. „Ich bin nicht davon überzeugt, dass ein Minus von 55 Prozent zu vertretbaren Kosten machbar ist“, sagte er dem Handelsblatt. Somit äußerte er sich auch vehement ablehnend zu der Forderung der Grünen, das 2030-Ziel sogar auf minus 65 Prozent zu erhöhen: „Wenn wir die grüne Transformation sehr schnell und drastisch gestalten, riskieren wir, eben keine positiven Effekte auf Wachstum und Beschäftigung zu haben, sondern das Gegenteil zu bewirken.

Und dann sind wir der Welt kein Vorbild und alles ist für die Katz.“ Ebenfalls kritisiert er die Position der europäischen Sozialdemokraten und Grünen, eine Ausweitung des europäischen Emissionshandels auf die Sektoren Gebäude und Straßenverkehr abzulehnen.

Zuversichtlich zeigte er sich dagegen bei der Frage, wie man US-amerikanische Tech-Riesen wie Apple dazu bringen kann, sich an den Green Deal zu halten. Außerdem glaubt er, dass bald ein europaweit einheitliches Pfandsystem auf Getränkebehältnisse kommen wird.

Lesen Sie hier das gesamte Interview:

Herr Liese, Sie waren derjenige, der maßgeblich dazu beigetragen hat, dass Ursula von der Leyen die EU-Klimaziele für 2030 deutlich erhöhen will. Wie viel Gegenwind hat Ihnen das innerhalb ihrer eignen Partei eingebracht?

Natürlich gibt es unterschiedliche Ansichten innerhalb der EVP-Fraktion, aber trotzdem unterstützt die große Mehrheit die Linie Ursula von der Leyens. In offiziellen Beschlüssen der Fraktion sprechen wir uns dafür aus, dass die Klimaziele erhöht werden müssen. Aber mit einem Minus von 55 Prozent CO2-Emissionen im Vergleich zu 1990 tun wir uns schwer.

Sind Sie selbst auch dieser Meinung? Sie gelten immerhin als der Klimaaktivist innerhalb der CDU.

Das Ziel auf minus 50 Prozent zu erhöhen, ist sinnvoll und realisierbar. Aber ich bin nicht davon überzeugt, dass ein Minus von 55 Prozent zu vertretbaren Kosten machbar ist – und lehne es dementsprechend ab, wenn nicht neue, überzeugende Argumente kommen.

Die Grünen im Europaparlament fordern sogar eine Erhöhung des Kurzfristziels auf 65 Prozent.

Das halte ich für nicht vertretbar. Natürlich ist jedes eingesparte Gramm CO2 gut fürs Klima. Aber die entscheidende Frage ist: Wie motivieren wir den Rest der Welt einen ähnlichen Weg einzuschlagen? Wir können als Europäer nicht allein das Klima retten, die anderen müssen sich ebenso verhalten.

Aber: Wenn wir die grüne Transformation sehr schnell und drastisch gestalten, riskieren wir, eben keine positiven Effekte auf Wachstum und Beschäftigung zu haben, sondern das Gegenteil zu bewirken. Und dann sind wir der Welt kein Vorbild und alles ist für die Katz.

Insbesondere die deutsche Wirtschaft jammert sehr über die geplante Verschärfung des 2030-Ziels. Bislang hatte sie mit einer Reduktion von minus 40 Prozent geplant.

Die wissenschaftlichen Aussagen sind klar: Quasi alle Partner beim Pariser Klimaschutzabkommen, auch wir Europäer, tun zu wenig, um die Erderwärmung auf zwei Grad im Vergleich zu vorindustriellen Zeiten zu begrenzen. Es gibt nur ganz wenige rühmliche Ausnahmen wie einige sehr kleine afrikanische und lateinamerikanische Länder.

Deswegen müssen wir das Ziel erhöhen. Die bestehenden Gesetze bringen uns schon auf 45 Prozent und dann haben wir ja auch den Kohleausstieg. Allein die deutsche Abkehr von der Kohle bringt 1,5 Prozent Zielerhöhung für die EU. Und auch andere Länder haben beschlossen auszusteigen. Dann sind die 50 Prozent nicht mehr so weit entfernt. Mit einigen zusätzlichen Maßnahmen ist das verschärfte Ziel also machbar. Die Jammerei ist dementsprechend nicht gerechtfertigt.

Peter Liese ist ein deutscher Politiker und seit 1994 Europaabgeordneter der CDU für Nordrhein-Westfalen in der Europäischen Volkspartei. Quelle: Peter Liese
Peter Liese

Peter Liese ist ein deutscher Politiker und seit 1994 Europaabgeordneter der CDU für Nordrhein-Westfalen in der Europäischen Volkspartei.

(Foto: Peter Liese)

Sie treten dafür ein, den europäischen Emissionshandel auf die Sektoren Gebäude und Verkehr zu erweitern. In seiner Green-Deal-Resolution hat sich das Parlament aber dagegen entschieden. Ist das Thema damit jetzt vom Tisch?

Nein, glücklicherweise nicht. Die Kommission macht jetzt erst einmal eine Folgenabschätzung, was es bedeuten würde, den Emissionshandel auf die besagten Sektoren auszuweiten – beziehungsweise dies nicht zu tun. Ich bin sicher, dass das Ergebnis dann auch die Kritiker überzeugen wird. Ich glaube nicht, dass die deutschen Sozialdemokraten und die deutschen Grünen ihre Position noch lange durchhalten können. Es ist ja ein absolut unerträglicher Widerspruch, dass sie in Deutschland einen sogar noch höheren CO2-Preis plädieren und gleichzeitig sagen: In Europa wollen wir das nicht.

Das Argument gegen die Ausweitung des Emissionshandels ist, dass es bei Gebäuden bereits die Energieeffizienz-Richtlinien und beim Straßenverkehr die Flottenbegrenzungen als Maßnahmen gibt. Der zusätzliche Einbezug in den CO2-Zertifikatehandel wäre eine Doppelbelastung.

Das ist nicht haltbar, weil wir auch in dem Bereich, in dem es schon lange einen Emissionshandel gibt, nämlich im Stromsektor, ergänzende Maßnahmen haben, zum Beispiel Ökodesign und Förderung erneuerbarer Energien. Nur mit einer Kombination aus Instrumenten, die auch einen C02-Preis enthält, können wir ambitionierte Ziele erreichen. Es ist völlig wiedersinnig, eine CO2-Reduktion von 55 Prozent zu fordern und einen CO2-Preis abzulehnen. Weder die Flottenbegrenzung noch die Energieeffizienzrichtlinie bringen auch nur annähernd den Reduktionsbeitrag, um den es hier geht, noch nicht einmal bei dem bisherigen 40 Prozent-Ziel.

Einige EU-Länder wie Tschechien und Ungarn wollen im Rahmen der Klimaneutralität verstärkt auf Atomenergie als Ausgleich zur Kohlekraft setzen. Was halten Sie davon? Immerhin ist Kernenergie emissionsfrei.

Wir haben uns in Deutschland aus guten Gründen entschieden aus der Kernenergie auszusteigen. Die Endlagerung ist nach wie vor nicht geklärt. Auch bei sehr strengen Sicherheitsvorschriften gibt es das Restrisiko einer großen Katastrophe. Wir sollten nicht das eine Katastrophenrisiko mit einem anderen kompensieren.
Außerdem: Kompatibel zu einem hohen Anteil von erneuerbaren Energien – den wir ja anstreben – ist Kernenergie nicht. Atomkraftwerke können nicht schnell rauf- und runtergefahren werden, sodass sie nicht dabei helfen, Engpässe in der Stromversorgung auszugleichen. Für die Übergangszeit brauchen wir Gas und am Ende der Transformation brauchen wir Speicherkapazitäten und ein optimales Verbrauchsmanagement.

Zum Green Deal gehört auch das Ziel, das Müllaufkommen Richtung Null zu reduzieren. Demnach sollen Produkte beispielsweise reparierbar sein – und zwar nicht nur vom Hersteller selbst – sowie einen längeren Lebenszyklus haben. Wie will die EU US-amerikanische Unternehmen wie Apple dazu bringen, sich an den Green Deal zu halten? Das Unternehmen ist ja nicht mal mit einem einheitlichen Ladegerät einverstanden.

Das können wir rechtlich regeln. Es gibt schon lange die Ökodesign-Richtlinie. Damit regulieren wir alle Produkte, die in Europa verkauft werden – und zwar wirklich alle und nicht nur die, die von europäischen Firmen produziert werden. Beispielsweise gibt es seit vielen Jahren Standards für Elektromotoren. Chinesische und amerikanische Firmen, die ihre Produkte auf den europäischen Markt bringen, halten sich daran.
Beim Ladegerät hat man dagegen den Fehler gemacht auf eine freiwillige Vereinbarung zu setzen, an die sich Apple nicht hält. Würden wir jetzt ein Gesetz machen, müssten sie sich daran halten. Beim Ladegerät und auch bei anderen Fragen.

Sie sagen also: Wenn wir die entsprechenden Gesetze machen, kommt kein Smartphone mehr auf den Markt, das nach zwei Jahren so langsam läuft, sodass man entnervt ein neues kauft?

Ja, das ist rechtlich möglich und ich glaube auch, dass wir das anpacken müssen. Wegen der Umwelt, aber auch wegen der Verbraucher, die sich ja zu Recht darüber ärgern, dass die Geräte so schnell nicht mehr nutzbar sind.

Umwelt und Verbraucher würden sich sicherlich auch über ein europaweit einheitliches Pfandsystem für alle Getränkebehältnisse freuen. Warum gibt es so etwas nicht?

Es fehlte bislang der politische Wille dazu. Die Mitgliedsstaaten waren nicht bereit ein europaweites System zu unterstützen. Doch durch die öffentliche Diskussion und auch durch den Stellenwert, den die neue Kommission dem Thema Umwelt einräumt, glaube ich aber, dass wir das jetzt schaffen können.

Mehr: Der Grünen-Energiepolitiker Michael Bloss im Europaparlament hält Ursula von der Leyens Green Deal immer noch für zu wenig. Er fordert, bis 2030 65 Prozent CO2 im Vergleich zu 1990 einzusparen.

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