Die neue Jugendbewegung Tamarod (deutsch: Rebell) ist die Speerspitze der jüngsten Kampagne, mit der Mursi aus dem Amt gedrängt werden soll. Tamarod hat vor dem Hintergrund der wachsenden Unzufriedenheit mit dem Präsidenten und seiner Politik vor rund drei Monaten damit begonnen, Unterschriften für ein Volksbegehren zu sammeln, damit Mursi zurücktritt. Nach Angaben der Bewegung haben bereits mehr als 22 Millionen Ägypter die Petition unterzeichnet.
Rechtlich gesehen hat das Volksbegehren kein Gewicht, aber sollten die Zahlen tatsächlich stimmen, dann wäre die Zahl der Unterzeichner beinahe doppelt so hoch wie die Zahl der Stimmen, die Mursi im vergangenen Jahr bei der Wahl erhalten hat. Der größte Verbund von Oppositionsgruppen ist die Nationale Rettungsfront (NSF). Deren Parteien unterstützen Tamarod und helfen beim Sammeln der Unterschriften.
Mursi hat gerade das erste Jahr seiner vierjährigen Amtszeit hinter sich und bekräftigt immer wieder, dass er nicht daran denke zurückzutreten. Wenn allerdings die Massenproteste Tage oder Wochen anhalten, Streiks und ziviler Ungehorsam dazu kommen und das Land in Stillstand oder sogar Chaos versinkt, wird der Druck auf den Präsidenten wachsen. Die Muslimbruderschaft, der Mursi angehört, argumentiert, dass der Präsident in freien und fairen Wahlen gekürt worden sei. Sollte es den Demonstranten gelingen, den Präsidenten aus dem Amt zu drängen, wäre dies ein gefährlicher Präzedenzfall für dessen Nachfolger, wie Mursi selbst in einem Interview der britischen Zeitung „The Guardian“ am Sonntag sagte.
Armeechef General Abdel-Fattah al-Sissi hat Mursi und die Opposition vor einer Woche aufgefordert, eine Einigung zu erzielen, und gewarnt, dass das Militär einschreiten werde, wenn innere Unruhen in Ägypten ausbrächen. Das waren die bislang deutlichsten Worte von dieser Seite. Seitdem hat das Militär seine Präsenz verstärkt und bewacht mit Soldaten und Panzerfahrzeugen die wichtigsten Einrichtungen des Landes.
Es gilt als unwahrscheinlich, dass die Armee gegen Mursi putschen wird. Es wird aber nicht ausgeschlossen, dass die Soldaten die Protestierenden der Opposition beschützen werden, wenn es tatsächlich zu einem massiven Ausbruch der Gewalt kommen sollte. Das wäre ein starker Schub für das Anti-Mursi-Lager und würde weitere Ägypter ermutigen, auf die Straße zu gehen, weil sie wüssten, dass sie vom Militär geschützt werden.
Möglich ist auch, dass das Militär die günstige Möglichkeit nutzt, um Mursi loszuwerden. Zwar sind Mursi und Al-Sissi öffentlich noch nicht aneinandergeraten, aber es gibt Anzeichen für ein angespanntes Verhältnis. Der Armee sind insbesondere die engen Verbindungen Mursis und seiner Gefolgsleute zur Hamas, dem palästinensischen Ableger der Muslimbrüderschaft, ein Dorn im Auge, gilt die radikale Hamas doch als Bedrohung für die Stabilität in der Region.
Sollte das Militär eingreifen, wäre es zumindest vorübergehend wieder an der Macht - so wie nach dem Aufstand und dem Sturz von Präsident Husni Mubarak im Jahr 2011. In der fast 17 Monate langen Übergangsphase gab es viel Kritik am Militär, unter anderem wegen einer Reihe von Menschenrechtsverletzungen.
Dass am Sonntag Hunterttausende den Rücktritt Mursis gefordert haben, schwächt die Argumentation des Präsidenten, er habe das Mandat des Volkes. Dass Mursi so an seinem Amt hängt, hat aber auch etwas mit der Geschichte der Muslimbrüderschaft zu tun. Mehr als 80 Jahre wirkte die Gruppe im Untergrund und wurde verfolgt. Nun, da sie an der Macht ist, will sie sie nicht gleich wieder abgeben. Es ist zu befürchten, dass radikale Kräfte auf Seiten der Muslimbrüderschaft, aber auch bei den Demonstranten weiter an Einfluss gewinnen. Sollte es bei dem Konfrontationskurs bleiben, droht Ägypten der Bürgerkrieg.
Derzeit scheint keine der beiden Seiten zu Zugeständnissen bereit. Tamarod und die Oppositionsparteien bestehen auf baldige Präsidentschaftswahlen als Mindestforderung. Mursi hat am Sonntag abermals bekräftigt, dass er nicht zurücktreten werde.
Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.
Wenn nicht einmal europäische Länder Demokratie leben können( siehe Bundestag-EU-ESM No Bail Out+++++) wie soll es dann in Arabien klappen? Kein Land in Arabien ist reif für eine Demokratie! Es wäre zu wünschen wenn mit Hilfe der Armee ein toleranter Staat zu Stande kommen könnte.Ein Staat der die Würde des Einzelnen achtet - die Korruption und den radikalen Islam in Schach hält.Alles Gute für das geschundene Volk!
Nur am Rande:
Ägypten, das Land mit den vielen Kunstschätzen, war bis diese Woche auf dem Weg in einen islamischen Winter. So wählten die Ägypter einen Präsidenten, der seine Landsleute aufforderte "unsere Kinder und Enkelkinder zum Hass auf die Juden und Zionisten zu erziehen" und der Juden als "Nachfolgen von Affen und Schweinen" bezeichnet (Quelle: MEMRI TV).
Ich hoffe wir sehen nun eine Trendwende.
Religionen sind immer ein Diktat. Ob in Deutschland ehemals das so unchristliche Christentum oder in Ägypten der Islam. Jede Religion hat einen Alleinvertretungs- und alleinigen Wahrheitsanspruch.
Die Ägypter wollen frei leben. Sie sind Moslems, aber sie wollen nicht mit dem Kopftuch rumlaufen.
Religion muß frei sein, sonst ist sie keine Religion, sondern ein politisches Diktat
Was sind denn Sie für einer, läuft ihre Frau unter einem Tuch mit Sehschlitz rum? Die Konvertiten sind bekanntlich die schlimmsten Spinner.
Zum Artikel: 1:0 für die Freiheit!
@ Jupie
Ich stimme ihnen zu, vieles ist in der westlichen Welt verwerflich. Manche Dinge mögen in der islamischen Welt besser sein.
ABER: Wenn ich mir ansehe wie Islamisten in Afghanistan, Mali usw. wüteten, sinnlos zerstörten. Das muss man doch ablehnen.
Auch die Stellung der Frau im Islam muß einem Menschen des 21.Jhd mit Verstand doch wirklich als nicht zeitgemäß vorkommen.
Übrigens, die Türkei ist vorangekommen in ihrer Zeit der Trennung von Islam und Staat. Dies wird nun zusehens in Frage gestellt.
@jupie: Unsinn, der krampfhafte Glaube an irgendwelche obskuren ausländischen Verschwörer verschleiert die eigene Unfähigkeit, das eigene Versagen, die eigenen unzufriedenen, verzweifelten Menschen.
Es ist das krampfhafte Suchen und Zeigen irgendwohin, ein Schuldiger muss gesucht werden, während dabei immer mindestens 3 Finger der Hand auf einen selbst zeigen
Beitrag von der Redaktion gelöscht. Bitte achten Sie auf unsere Netiquette: „Nicht persönlich werden“ http://www.handelsblatt.com/netiquette
Beitrag von der Redaktion gelöscht. Bitte bleiben Sie sachlich.
Ich sehe die Islamisierung Nordafrikas mit Sorge. Kürzlich zeigten diese Radikalislamisten in Mali, was sie wollen.
Und wenn in Ägypten der Tourismus wegbricht, weil islamische gesetze Einzug halten, kann ich da im Sinne der menschen doch nicht gutheissen.
Und so finde ich den Aufstand gegen die Moslembrüderschaft einfach nur gut und zeitgemäß.