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Prozess Jury spricht Ex-Polizisten wegen Mordes an George Floyd schuldig

Die Geschworenen haben Derek Chauvin in allen Anklagepunkten für schuldig befunden. US-Präsident Biden mahnt aber weitere Schritte im Kampf gegen Rassismus an.
20.04.2021 Update: 21.04.2021 - 03:22 Uhr Kommentieren
Menschen aus Minneapolis, wo George Floyd ums Leben gekommen war, jubeln über das Urteil gegen Derek Chauvin. Quelle: Reuters
Menschen in Minneapolis

Menschen aus Minneapolis, wo George Floyd ums Leben gekommen war, jubeln über das Urteil gegen Derek Chauvin.

(Foto: Reuters)

Minneapolis Im Prozess um die Tötung des Afroamerikaners George Floyd haben die Geschworenen den weißen Ex-Polizisten Derek Chauvin in allen Anklagepunkten für schuldig befunden. Das erklärte Richter Peter Cahill am Dienstag in Minneapolis im US-Bundesstaat Minnesota. Damit droht Chauvin eine lange Haftstrafe. Das genaue Strafmaß soll in acht Wochen vom Richter festgelegt werden. Cahill widerrief Chauvins Freilassung auf Kaution, er wurde nach der Urteilsverkündung in Handschellen aus dem Gerichtssaal geführt. Chauvins Verteidigung könnte noch Berufung gegen das Urteil einlegen.

Der 46 Jahre alte Floyd war am 25. Mai vergangenen Jahres in Minneapolis bei einer Festnahme ums Leben gekommen. Videos dokumentierten, wie Polizisten den unbewaffneten Mann zu Boden drückten. Chauvin presste dabei sein Knie gut neun Minuten lang auf Floyds Hals, während dieser flehte, ihn atmen zu lassen. Floyd verlor der Autopsie zufolge das Bewusstsein und starb wenig später. Die Beamten hatten ihn wegen des Verdachts festgenommen, mit einem falschen 20-Dollar-Schein bezahlt zu haben.

Der schwerwiegendste Anklagepunkt gegen Chauvin lautete Mord zweiten Grades ohne Vorsatz. Darauf stehen in Minnesota bis zu 40 Jahre Haft. Nach deutschem Recht entspräche dies eher dem Totschlag. Zudem wurde Chauvin auch Mord dritten Grades vorgeworfen, was mit bis zu 25 Jahren Haft geahndet werden kann. Auch musste er sich wegen Totschlags zweiten Grades verantworten, worauf zehn Jahre Haft stehen. Dieser Anklagepunkt entspräche nach deutschem Recht eher der fahrlässigen Tötung. Chauvin hatte auf nicht schuldig plädiert.

Der ehemalige Polizist wurde in allen Anklagepunkten schuldig gesprochen. Quelle: via REUTERS
Derek Chauvin

Der ehemalige Polizist wurde in allen Anklagepunkten schuldig gesprochen.

(Foto: via REUTERS)

US-Präsident Joe Biden begrüßte den Schuldspruch, rief aber zugleich zu weiterem Kampf gegen Rassismus und Polizeigewalt auf. Struktureller Rassismus sei „ein Schandfleck auf der Seele unserer Nation“, sagte Biden bei einer kurzfristig anberaumten Ansprache im Weißen Haus.

Biden sagte über die Tat: „Es war Mord am helllichten Tage.“ Der US-Präsident telefonierte am Dienstag auch mit Floyds Angehörigen. Mit Blick auf Floyds Familie betonte er: „Nichts kann jemals ihren Bruder, ihren Vater zurückbringen. Aber dies kann ein riesiger Schritt vorwärts auf dem Marsch zur Gerechtigkeit in Amerika sein.“ Nötig dafür seien allerdings echter Wandel und echte Reformen.

Biden erinnerte an Floyds letzte Worte „I can't breathe“ („ich kann nicht atmen“) und sagte: „Wir können diese Worte nicht mit ihm sterben lassen.“ US-Vizepräsidentin Kamala Harris nannte Rassismus „ein Problem für jeden Amerikaner“.

Experten gehen davon aus, dass der bislang nicht vorbestrafte Chauvin ein geringeres Strafmaß bekommen dürfte als maximal zulässig. Die Staatsanwaltschaft könnte aber innerhalb einer Woche noch einen Antrag stellen, um wegen besonderer Schwere der Straftat ein höheres Strafmaß zu beantragen.

US-Gericht verurteilt Ex-Polizist wegen Mordes an Georg Floyd

Die Entscheidung über Schuld oder Unschuld fiel dem US-Rechtssystem folgend den Geschworenen zu. Für die seit Montagnachmittag andauernden Beratungen der zwölf Jury-Mitglieder gab es keine Zeitvorgabe. Sie durften während der Unterredungen aber nicht mehr nach Hause, sondern waren in einem Hotel untergebracht. Ihr Urteil musste einstimmig getroffen werden. Die Geschworenen bleiben in diesem Fall aus Sicherheitsgründen bis auf Weiteres anonym.

Schwarze hoffen auf ein Zeichen gegen Rassismus

Floyds Schicksal hatte in den USA mitten in der Corona-Pandemie eine Welle an Demonstrationen gegen Rassismus und Polizeigewalt ausgelöst und entwickelte sich zur größten Protestbewegung seit Jahrzehnten.

Die Erwartungen an das Verfahren waren in den USA daher immens: Viele Menschen, darunter viele Schwarze, hatten auf ein Urteil gehofft, das ein Zeichen gegen Rassismus und Polizeigewalt setzen würde. Selbst US-Präsident Joe Biden sagte am Dienstag, er bete dafür, dass das „richtige Urteil“ gefällt werde. Für den Fall eines Freispruchs oder einer geringen Haftstrafe war mit neuen Protesten gerechnet worden.

Der Anwalt der Floyd-Familie hat den Schuldspruch gegen den Ex-Polizisten Derek Chauvin als „Wendepunkt in der Geschichte“ bezeichnet. „SCHULDIG!“, schrieb Ben Crump am Dienstag auf Twitter.

„Endlich ist schmerzlich verdiente Gerechtigkeit für George Floyds Familie eingetroffen. Dieses Urteil ist ein Wendepunkt in der Geschichte.“ Es sende eine klare Botschaft, dass auch die Strafverfolgung zur Rechenschaft verpflichtet sei. Crump schrieb weiter: „Gerechtigkeit für das schwarze Amerika ist Gerechtigkeit für ganz Amerika!“ Mit dem Urteil sei es aber nicht getan – es müsse nun eine Polizeireform geben.

Die Familie des Opfers hat sich erleichtert über den Schuldspruch gezeigt. „Gerechtigkeit für George bedeutet Freiheit für alle“, sagte sein Bruder Philonise Floyd. „Heute können wir wieder atmen.“ George Floyds Worte kurz vor seinem Tod – „I Can't Breathe“ („Ich kann nicht atmen“) – sind zu einem Inbegriff von Polizeigewalt und Rassismus in den USA geworden.

Nach dem Schuldspruch ist vor dem Gericht in Minneapolis Jubel ausgebrochen. Hunderte Menschen versammelten sich am Dienstag vor dem Gebäude im Zentrum der Stadt im US-Bundesstaat Minnesota, wie ein dpa-Reporter berichtete. Anwesende skandierten unter anderem „Black Lives Matter“ und „Wer hat gewonnen? Wir haben gewonnen“, sie riefen außerdem George Floyds Namen. Der Verkehr in den umliegenden Straßen kam zum Erliegen. Auch in anderen US-Städten wie New York und Atlanta haben Menschen das Urteil auf der Straße gefeiert.

In mehreren US-Städten haben Menschen den Schuldspruch von Derek Chauvin gefeiert. Quelle: Reuters
Menschen feiern in New York den Schuldspruch

In mehreren US-Städten haben Menschen den Schuldspruch von Derek Chauvin gefeiert.

(Foto: Reuters)

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Aus den Reihen der Republikaner gab es zunächst nur wenige Reaktionen. Der einzige schwarze republikanische Senator, Tim Scott, nannte das Urteil richtig und wertete es als Indiz für die Integrität des Justizsystems. Scott teilte aber zugleich mit, das Verhältnis zwischen der Polizei und Minderheiten sei reparaturbedürftig.

Chauvins Verteidiger Eric Nelson hatte argumentiert, dass Chauvins Gewaltanwendung gerechtfertigt gewesen sei, weil sich Floyd der Festnahme widersetzt habe. Zudem vertrat er die Meinung, dass Floyds Tod nicht primär auf Gewalteinwirkung zurückging, sondern vor allem auf bestehende Herzprobleme und Rückstände von Drogen in seinem Blut.

Experten der Staatsanwaltschaft wiesen diese Argumentation klar zurück. Ein Lungenspezialist etwa erklärte, Floyd sei an den Folgen von Sauerstoffmangel gestorben. Der niedrige Gehalt an Sauerstoff habe Hirnschäden verursacht und Floyds Herz zum Stillstand gebracht. Der Polizeichef von Minneapolis, Medaria Arradondo, bezeichnete Chauvins Gewaltanwendung als unverhältnismäßig und vorschriftswidrig.

Chauvin war nach Floyds Tod entlassen worden. Er befand sich gegen Kaution auf freiem Fuß und war während des ganzen Prozesses anwesend. Neben Chauvin sind drei weitere am Einsatz gegen Floyd beteiligte Ex-Polizisten angeklagt, die in einem separaten Verfahren ab dem 23. August vor Gericht stehen werden. Ihnen wird Beihilfe zur Last gelegt. Auch ihnen könnten langjährige Haftstrafen drohen.

Obama fordert tiefgreifendes Umdenken

Ex-US-Präsident Barack Obama hat tiefgreifendes Umdenken und Reformen angemahnt. „Wahre Gerechtigkeit erfordert, dass wir die Tatsache einsehen, dass schwarze Amerikaner anders behandelt werden, jeden Tag“, erklärte Obama am Dienstag auch im Namen seiner Frau Michelle. „Wir müssen anerkennen, dass Millionen unserer Freunde, Familienangehörigen und Mitbürger in Angst leben, dass ihre nächste Begegnung mit der Polizei ihre letzte sein könnte.“

Es brauche konkrete Reformen, um die Ungleichbehandlung im Strafrechtssystem verringern und letztendlich ganz beseitigen. „Das heutige Urteil mag zwar ein notwendiger Schritt auf dem Weg zu Fortschritt gewesen sein, aber bei weitem kein ausreichender.“ Bei wahrer Gerechtigkeit gehe es um viel mehr als um ein einzelnes Urteil in einem einzelnen Prozess.

Auch führende Demokraten im US-Kongress haben das Urteil begrüßt. Die demokratische Vorsitzende des US-Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, sagte am Dienstag in Washington, Floyds Name werde von nun an für immer ein Synonym für Gerechtigkeit sein. An Floyd gerichtet sagte sie: „Danke, George Floyd, dass Sie Ihr Leben für die Gerechtigkeit geopfert haben.“

Der demokratische Mehrheitsführer im US-Senat, Chuck Schumer, sagte, er sei für Floyds Familie und Freunde dankbar, dass der Gerechtigkeit Genüge getan worden sei. Schumer mahnte zugleich: „Wir sollten einen Schuldspruch in diesem Fall nicht irrtümlich als Beleg dafür halten, dass das Problem von Polizei-Fehlverhalten gelöst ist.“ Man müsse weiter daran arbeiten, die Polizeidienststellen im Land grundlegend zu verändern.

Mehr: Unternehmen müssen beim Thema Rassismus jetzt Taten folgen lassen. Ein Kommentar.

  • dpa
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