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Prozessauftakt Corona-Ausbruch in Ischgl: Verhärtete Fronten am ersten Prozesstag

Die Angehörigen eines Covid-19-Opfers haben in Wien auf Schadensersatz geklagt. Der erste Prozesstag zeigte, welch juristisch schweren Stand die Kläger haben.
17.09.2021 - 19:26 Uhr Kommentieren
Der österreichische Verbraucherschutzverein und der von ihm beauftragte Anwalt Alexander Klauser fahren gegen Österreich im Prozess schweres Geschütz auf. Quelle: imago images/photonews.at
Anwalt Alexander Klauser

Der österreichische Verbraucherschutzverein und der von ihm beauftragte Anwalt Alexander Klauser fahren gegen Österreich im Prozess schweres Geschütz auf.

(Foto: imago images/photonews.at)

Wien Ein 72-jähriger österreichischer Journalist verbrachte vom 7. bis zum 13. März 2020 im Tiroler Ort Ischgl seine Ferien. Später erkrankte er an Covid-19 und starb im April des Jahres daran.

Die Witwe und der Sohn des Verstorbenen haben die Republik Österreich nun auf Schadensersatz verklagt: Die Behörden hätten zwar gewusst, wie gefährlich das Virus sei und dass es in Ischgl grassiere; trotzdem hätten sie einige Zeit nichts unternommen, um die Touristen und die Einwohner des Ortes vor der Seuche zu schützen. Im Raum steht der Vorwurf, den Behörden sei es in erster Linie darum gegangen, den für Tirol wirtschaftlich bedeutsamen Wintersportbetrieb möglichst ungestört weiterlaufen zu lassen.

Das Schicksal des Journalisten bildete am Freitag den Auftakt zu einer Reihe von zivilrechtlichen Verfahren, die Österreich noch Jahre beschäftigen könnten: Zumal der österreichische Verbraucherschutzverein und der von ihm beauftragte Anwalt Alexander Klauser gegen das Land schweres Geschütz auffahren.

Sie unterstützen die Kläger und streben, sofern sie einen Prozessfinanzierer finden, auch eine Art von Sammelklage gegen Österreich an. Angeblich haben sich beim Verbraucherschutzverein 6000 Geschädigte gemeldet. 15 Klagen liegen bereits vor Gericht.

Die Fälle gehen auf die Ereignisse am 13. März 2020 zurück. Für Ischgl und die im Ort anwesenden Touristen war es ein fataler Tag. Tausende von ihnen verließen damals überstürzt ihre Unterkünfte, nachdem Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz in einer Pressekonferenz angekündigt hatte, das ganze Paznauntal wegen der Pandemie unter Quarantäne zu stellen.

Covid-19 in halb Europa verbreitet

Seither gilt Ischgl als Superspreader-Ort: Bereits infizierte Touristen und solche, die sich bei der chaotisch verlaufenden Abreise mit dem Coronavirus angesteckt haben, hätten Covid-19 in halb Europa verbreitet, lautet der Verdacht.

Vor oder auf der Heimreise soll sich auch der erwähnte österreichische Journalist angesteckt haben, glauben die Angehörigen. Daraus das Recht auf Schadensersatz abzuleiten ist allerdings juristisch komplex – und genau darum ging es am Freitag am Obersten Gerichtshof in Wien.

Die Kläger müssen den Behörden erstens ein Verschulden nachweisen. Zweitens erhalten sie nur eine Entschädigung, wenn der Schaden eindeutig auf dieses Verschulden zurückzuführen ist und sich die Skitouristen wirklich in Ischgl und nicht anderswo angesteckt haben. Oder anders gesagt: Die Richterin muss sich fragen, ob pflichtgemäßes Handeln der Behörden den Schaden vom Journalisten und anderen Betroffenen abgewendet hätte.

Klauser und der Verbraucherschutzverein stehen somit vor einer schwierigen Aufgabe. Das dürfte auch ein Grund sein, warum der Anwalt der Gegenpartei zu Beginn des Prozesstages erneut einen Vergleich vorgeschlagen hat. „Wir sind weiterhin an einer einvernehmlichen Lösung interessiert“, sagte er.

Corona-Geschädigte verklagen österreichische Behörden

Er regte die Einberufung eines runden Tisches an, allenfalls im Rahmen einer Mediation. Die Juristen der Finanzprokuratur, welche die Republik vertreten, lehnten dieses Ansinnen ab. Zum jetzigen Zeitpunkt sei ein Vergleich nicht möglich, sagten sie. Am Prozesstag stellten sich die Juristen der Finanzprokuratur nach wie vor auf den Standpunkt, dass die Behörden aus damaliger Sicht richtig gehandelt hätten („ex ante“).

Anwalt reicht unzählige Fragen ein

Anwalt Klauser berief sich dagegen auf die „folgenschweren Fehleinschätzungen“, die bereits der Ischgl-Expertenbericht des ehemaligen Richters Ronald Rohrer im Oktober 2020 festgestellt hatte.

Zentral für die Argumentation Klausers sind die Vorgänge zu Beginn des Monats März 2020. Damals gab es Meldungen, wonach heimgekehrte isländische Touristen, die sich in Ischgl aufgehalten hatten, an Covid-19 erkrankt seien. Die Tiroler Behörden vertraten den Standpunkt, die Ansteckung müsse im Flugzeug von München nach Island erfolgt sei. Bereits Rohrer stellte aber klar, dass dies „aufgrund der objektiven Informationslage unwahr sei“.

Offen ist, warum die Tiroler Behörden am 5. und am 8. März an ihrer Aussage festhielten. Hier setzte Anwalt Klauser den Hebel an. Er reichte unzählige Fragen ein, mit denen er beweisen will, dass es den Behörden nur darum gegangen sei, Ischgl wider besseres Wissen als Seuchenherd aus dem Schussfeld zu nehmen.

Die Penetranz von Klausers Fragen nervte die Richterin sichtlich, und die Juristen der Finanzprokurator meinten, Klauser hätte seine Fragen vor dem Prozess schriftlich einreichen können. Sie warfen dem Anwalt des Verbraucherschutzvereins vor, einen „Tanz“ für die zahlreich anwesenden Journalisten zu veranstalten. Klauser wiederum machte juristische Gründe für seine Fragerei geltend.

Am Schluss dauerte die erste Verhandlung zur Causa Ischgl dreieinhalb statt der veranschlagten zwei Stunden. Die Richterin wird nun klären, ob eine sogenannte Amtshaftungsklage gegen Österreich möglich ist. Der zähe erste Prozesstag dürfte dabei sinnbildlich für kommende langwierige Verfahren stehen. Die nächste Verhandlung findet bereits Ende September statt. Dann werden die Angehörigen eines verstorbenen Deutschen Schadensersatz fordern.

Mehr: Wer ist für die Infektionen in Ischgl verantwortlich? In dem Prozess ist eine juristische Spitzfindigkeit zentral

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