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Pushbacks Statt gewaltvoller Abwehrversuche – Wie die EU ihr Migrationsproblem lösen könnte

Viele EU-Staaten setzen auf ein hartes Zurückdrängen der Migranten von den Grenzen. Dabei ginge es auch anders. Die Lösung, die Gerald Knaus vorschlägt, hat sich bereits bewährt.
11.10.2021 - 13:40 Uhr 6 Kommentare
Die Situation an den EU-Außengrenzen ist wie der Wilde Westen, sagt Migrationsforscher Gerald Knaus. Quelle: AP
Polnische Polizisten halten im August Migranten fest, die über die weißrussische Grenze gekommen sind

Die Situation an den EU-Außengrenzen ist wie der Wilde Westen, sagt Migrationsforscher Gerald Knaus.

(Foto: AP)

Brüssel Die Bilder in verschiedenen europäischen Medien wie dem „Spiegel“ lassen kaum noch Zweifel zu: Auf Videos ist zu sehen, wie Beamte aus Griechenland und Kroatien Flüchtlinge brutal dazu zwingen, das Land zu verlassen. In Kroatien schlagen sie dabei auf die Menschen ein, in Griechenland setzen sie die Geflüchteten auf Schlauchbooten auf dem Meer aus. Pushback heißt diese illegale Praxis, einen Menschen abzuschieben, ohne ihm die Gelegenheit zu geben, Asyl zu beantragen.

Einige EU-Staaten arbeiten jetzt daran, diese Pushbacks zu legalisieren. Zwölf der 27 EU-Innenminister fordern in einem Brief an die EU-Kommission neue Mittel zur Verhinderung von Grenzübertritten. „Die Grenzüberwachung hält Personen nicht davon ab, illegale Grenzübertritte zu versuchen“, klagen sie und regen an: „Es wäre daher sinnvoll, sie durch weitere Präventionsmaßnahmen zu ergänzen.“

Dabei ginge es auch ohne die brutalen Pushbacks. Der Migrationsforscher Gerald Knaus hat dazu ein Konzept erarbeitet. Knaus hatte 2015 den Türkei-Deal entworfen, mit dem die Balkanroute geschlossen wurde. Der Leiter der „European Stability Initiative„ wirbt mit seinem Konzept weiter für den Grundgedanken des bestehenden Abkommens mit der Türkei: Demnach sollen die EU-Staaten irregulär eingereiste Menschen abschieben und gleichzeitig besonders Schutzbedürftige aus Flüchtlingslagern in die EU holen.

In der Regel werden Menschen ohne Bleiberecht in ihr Heimatland abgeschoben. Die Türkei akzeptierte damals aber auch, Syrer aufzunehmen, die über die Türkei eingereist waren. Knaus will jetzt erreichen, dass auch andere Staaten der EU Flüchtlinge abnehmen.

Im Jahr 2016 entwarf Gerald Knaus das Türkei-Abkommen und stellte damit entscheidende geopolitische Weichen für die deutsche Migrationspolitik. Quelle: imago images/Future Image
Gerald Knaus

Im Jahr 2016 entwarf Gerald Knaus das Türkei-Abkommen und stellte damit entscheidende geopolitische Weichen für die deutsche Migrationspolitik.

(Foto: imago images/Future Image)

„Diese Option ist schwierig, verlangt Diplomatie und Angebote, ist aber die einzige mit rechtsstaatlichen Prinzipien vereinbare Option, die den Flüchtlingsschutz ernst nimmt und trotzdem irreguläre Migration reduziert“, sagte Knaus im Interview mit dem Handelsblatt. Aber auch diese Option „entmutigt Menschen, sich auf irreguläre und lebensgefährliche Weise nach Europa durchzuschlagen“.

Das ist auch das Ziel der Pushbacks. Es geht dabei weniger um die kleine Zahl an Menschen, die derzeit die Grenzen übertreten. Es geht vielmehr darum zu verhindern, dass noch mehr Menschen versuchen, irregulär einzureisen. Knaus wundert sich über die illegalen Methoden der Flüchtlingsrückführung, die in Medien gezeigt wurden,  nicht. „Das ist der Wilde Westen“, sagt er über die menschenrechtlich untragbare Situation an den EU-Außengrenzen.

Die Doppelzüngigkeit der EU-Kommission

Die EU prangert die Pushbacks zwar an, gleichzeitig unterstützt sie aber auch die Grenzstaaten beim „Schutz“ der EU-Außengrenzen mit viel Geld und mit der europäischen Grenzschutzagentur Frontex. Auch in Brüssel weiß man, dass ohne die Pushbacks viel mehr Menschen in die EU kommen würden. Die Probleme, die dann entstehen, sind nicht gelöst: überfüllte Flüchtlingslager an den Grenzen und die Weigerung von EU-Staaten, Menschen von dort bei sich aufzunehmen.

Knaus fordert darum einen Neustart des Türkei-Deals und weitere Abmachungen nach diesem Vorbild: Das würde bedeuten, dass die Türkei bei der Versorgung von Flüchtlingen finanziell unterstützt wird und die Verabredung zur Rücknahme von Flüchtlingen wiederbelebt wird. „Wir wissen, dass das funktionieren kann, wenn Asylanträge schnell bearbeitet werden und wenn es dafür Partner gibt“, sagte Knaus.

Er ist auch optimistisch, dass sich weitere Länder außerhalb der EU zur Aufnahme bereit erklären würden. „Sie müssten dafür etwas für ihre Bürger bekommen, nicht nur Geld“, sagte Knaus und nannte etwa „Zugang zum EU-Markt und mehr legale Arbeitsmigration“ aus dem jeweiligen Staat. Das Ziel sei nicht, dass dort große Lager entstünden, so Knaus, „sondern den Weg in die EU auf humane Weise zu schließen“.

Irreguläre Migration lässt sich verringern, indem man reguläre erleichtert

Die Alternativen dazu wären entweder offene Grenzen, wie es sie 2015 gab. Das sei politisch utopisch. Oder ein Zurückstoßen ohne Prüfung wie derzeit in Griechenland, Polen und Kroatien. Das aber sei für die EU „ein rechtliches und moralisches Desaster“, sagte Knaus. Insbesondere an der Grenze zu Weißrussland sei es nicht vertretbar: Der in Minsk herrschende Alexander Lukaschenko sei bereit, die eigene Bevölkerung zu foltern. Da nähme er auch den Tod von Flüchtlingen in Kauf. Die EU dürfe sich nicht in einen Wettbewerb der Brutalität mit einem Diktator begeben, wie es Polen derzeit tue.

Die irreguläre Migration lässt sich umso leichter senken, je einfacher es ist, auf regulärem Weg in die EU zu kommen. Dazu gibt es Resettlement-Programme, von denen die Türkei profitieren könnte oder auch viele Afghanen, die wegen der Machtübernahme der Taliban das Land verlassen mussten.

Wie Kanada, die USA und Großbritannien wollen auch viele EU-Staaten Zahlen anmelden, wie viele Afghanen sie im kommenden Jahr aufnehmen werden. Das Uno-Flüchtlingshilfswerk UNHCR sammelt diese Zahlen und weist entsprechend Flüchtlinge den Aufnahmeländern zu. Die EU-Staaten wollen ihre Zahlen gemeinsam bekannt geben, was derzeit an Deutschland scheitert. „Die Anmeldung ist seitens Deutschlands aufgrund der andauernden Regierungsbildung noch nicht erfolgt“, sagte eine Sprecherin des Bundesinnenministeriums dem Handelsblatt.

Wichtig sei, dass sich Deutschland und Frankreich gemeinsam für Vereinbarungen mit Drittstaaten und für Resettlements einsetzen, sagt Knaus. Seiner Meinung nach sollte „die nächste deutsche Bundesregierung mit Nachdruck darauf hinarbeiten. Pushbacks nach Belarus oder indirekt nach Libyen sollten für alle deutschen Parteien inakzeptabel sein.“

Mehr: Im Interview erklärt der Migrationsforscher Gerald Knaus, wie die EU mit der brutalen Politik Alexander Lukaschenkos umgehen kann

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6 Kommentare zu "Pushbacks: Statt gewaltvoller Abwehrversuche – Wie die EU ihr Migrationsproblem lösen könnte"

Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.

  • Wir sollten klare Einwanderungsbedingungen habe. Wir müßten von Australien und den wirklichen Einwanderungsländern lernen.
    Es gibt keine Flüchtlinge. Es gibt Gäste und klare Einreise Regeln. Bricht irgendjemand das Gastrecht hat er den Aufenthalt verwirkt.
    Diejenigen, die Einwandern wollen müssen sich anpassen. Jeder der sich nicht anpasst, oder straffällig wird, wird sofort abgeschoben. Die Einreisenden müßen sich unseren Gewohnheiten und Gepflogenheiten anpasse. Sie wollen zu uns. Da existiert kein staatliches nebeneinander, Sie müßen sich wirklich intigrieren wollen.
    Das muß vor der Einreise geklärt werden. Ansonsten gibt es keine Einreise.
    Nach der Einreise muß es überwacht werde......falls die Einwanderer sich nicht integrieren müßen sie abgeschoben werden.
    Dies Regellosigkeit and dieser Dilettantismus muß endgültig beendet werden.
    Ohne Einreiseregeln und Visum.....KEINEN AUFENTHALT!!
    Und schon gleich überhaupt nicht die Teilnahme an unserem Sozialsystem!!!

  • Wenn solche Naivlinge und Tagträumer wie Herr Knaus massgebend an der Lösung des grössten Problems in der EU mitarbeiten, muss sich niemand über die chaotischen und weltfremden sog. EU-Initiativen wundern.
    Diese links-grünen Realitätsverweigerer werden natürlich alle vom Steuerzahler alimentiert, der dann im Ergebnis für die gesellschaftlichen Scherbenhaufen dieses Migrationswahnsinns aufkommen darf.
    Wie lange eigentlich will sich der deutsche Michel die Unverfrorenheiten dieser Politkaste und deren Handlangern noch bieten lassen.?

  • Ehrlich gesagt, habe ich immer gelesen, dass der EU-Türkei Deal, welcher die Rücknahme von Nicht-Asylberechtigten vorsieht nicht funktioniert. An anderer Stelle kann man lesen, dass kaum eine Person von Griechenland aus in die Türke abgeschoben wird (und die EU im Gegenzug eine schutzbedürftige Person aufnimmt), weil griechische Gerichte die Türkei nicht als Rechtsstaat ansehen und der Ansicht sind, Abgeschobenen drohten unmenschliche Verhältnisse.
    Insofern wundert es mich sehr, dass im Artikel behauptet wird, der EU-Türkei Deal mit der Rücknahme von nicht schutzwürdigen Flüchtlingen durch die Türkei habe die Balkanroute geschlossen.
    Nach meinem Dafürhalten war es ein gewisser Österreicher namens Kurz, der mit den Staaten entlang der sog. Balkan-Route ein Vereinbarung traf, wonach der Grenzschutz so intentsiviert wurde, dass es kein Durchkommen mehr gab. Mazedonien spielte - nach meiner Erinnerung - die Hauptrolle.
    Das Problem am EU-Türkei Deal ist einfach, dass er nicht funktioniert und sicherlich keine abschreckende Wirkung hat, um Leute, die offensichtlich nicht schutzwürdig sind, von der Migration abzuhalten. Auch hat die EU der Türkei bereitwillig ein Druckmittel an die Hand gegeben, indem Erdogan zum Schleusenwärter ernannt wurde. Man erinnere sich an die Bilder, als Erdogan tausende von Migranten an die griechische Grenze brachte und versuchte, duch das Einschleusen Druck auf die EU aufzubauen. Ohne die griechische Grenzsicherung hätte das auch geklappt.
    Ich bin daher nicht der Meinung, dass der EU-Türkei Deal ein Vorbild für andere Abkommen sein kann.
    Letztlich wird ein gescheiterte Idee, auf die auch Frau Merkel angesprungen ist, wieder aufgewärmt und man weigert sich einfach, die Tatsachen, sprich das Scheitern, anzuerkennen. Geboten wäre ein echter Schutz der Außengrenzen, Abschiebungen und geordnete Verfahren: Wer nicht bei der Beschaffung von Papieren hilft, darf keinen Asylantrag stellen.

  • Finale Lösung:

    Wir nehmen "ganz offiziell" wirklich alle Asylanten in Deutschland auf, wie es die eine oder andere Partei fordert. Die Finanzierung geht natürlich nur über deutliche Steuererhöhungen sowie die Wiedereinführung der Vermögensteuer. Das hat dann zur Folge, dass nahezu alle Leistungsträger Deutschland verlassen. Unternehmen müssen Deutschland sogar verlassen, da sie international nicht mehr konkurrenzfähig sind. Zurück bleiben Beamte, öffentlicher Dienst, Rentner, Hartz-IV-Empfänger, Arbeitslose und Asylbewerber.

    Spätestens dann erkennen unsere Politiker, dass vom gegenseitigen Haare schneiden und "politisieren" kein Staat funktionieren kann, zumindets nicht in dem gewohnten Wohlstand. Leider ist es dann zu spät, den freiwillig wird niemand zurückkommen. Deutschland wie wir es noch kennen hat sich dann abgeschafft.

    Wenn es dann hier nicht mehr den gewohnten Wohlstand "für lau" gibt, dürfte sich auch das Flüchtlingsproblem in Deutschland lösen. Da die weitere Finanzierung der EU-Staaten durch Deutschland dann auch nicht mehr möglich ist, dürfte sich das Flüchtlingsproblem dann auch für viele andere Staaten Europas lösen.

    Freuen dürften sich die anderen Staaten dieser Erde, die den Leistungsträgern aus Deutschland eine zweite Heimat bieten. Diese Staaten können dann aus den Fehlern Deutschlands lernen, wenn sie es nicht schon getan haben, und nur Personen Zutritt gewähren, die sich ausweisen können und für den Staat eine Bereicherung und keine Bedrohung darstellen.

    Es kommen spannende Zeiten!

  • Gutmenschen wie dieser Herr Gnaus sind gemeingefährlich. Wenn ich mittlerweile durch deutsche Städte gehe frage ich mich ob es noch Deutsche gibt und das bin nicht nur ich. Bekannte waren vor Kurzem in Ludwigshafen und kamen regelrecht entsetzt zurück. Nur noch Shisha Bars etc., aber kein Cafe mehr um irgendwo einen Kaffe zu trinken. Dabei rede ich noch nicht einmal über die Konsequenzen für unsere Sozialkassen und insbesondere Rentenkassen. Das abolut unverantwortliche Treiben dieser Politikerkaste führt uns in den Ruin, wenn nicht noch in einen Bürgerkrieg, denn dieses kranke Aufnehmen und Unterstützen von Menschen die hier nichts zu suchen haben, muß irgendwann zur Katastrophe führen. Schon in den Grundschulen fangen die riesigen Probleme dank Familiennachzug an. Besonderen Dank an Merkel dazu. Zu glauben diese Leute seien mit freundlichen Reden und immer mehr Geld an Schleuserstaaten zurückzuhalten ist nicht nur dumm, sondern komplett weltfremd. Deutschland muß darüber hinaus sofort alle Zahlungen an bereits hier angekommene Stoppen. Nur noch Sachleistungen und Zwang zur Arbeit. Bei meiner letzten Reise nach Polen mit Besuch mehrerer Städte habe keine "Flüchtlinge" gesehen, ebenso in Portugal. Woran liegt das wohl?

  • Wenn man die Anreize der Vollversorgung nimmt, werden auch weniger kommen. Und wenn klar kommuniziert wird, dass man ohne Papiere oder ohne Asylgrund abgeschoben wird, dann würde das auch helfen. Letztendlich lautet das Europäische Asylsystem doch so: alle nach Deutschland, die nehmen jeden mit oder ohne Grund.
    Das Abkommen mit der Türkei funktioniert doch nicht wirklich und hat Erdogan die Möglichkeit zur Erpressung gegeben.

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