Putin-Kritiker Nawalny könnte laut Arzt „jeden Moment sterben“ – USA drohen mit Konsequenzen

Der Zustand des Kreml-Kritikers verschlechtert sich nach drei Wochen im Hungerstreik immer weiter.
Moskau Der Gesundheitszustand des inhaftierten russischen Oppositionellen Alexej Nawalny verschlechtert sich nach Angaben eines Arztes rasch. Der 44-jährige Kreml-Kritiker, der sich in der dritten Woche eines Hungerstreiks befindet, könnte dem Tod nahe sein, sagte der Arzt Jaroslaw Aschichmin.
Untersuchungsergebnisse, die er von Nawalnys Familie erhalten habe, zeigten stark erhöhte Kaliumwerte, die zu einem Herzstillstand führen können, und erhöhte Kreatinin-Werte, die auf geschädigte Nieren hindeuteten. „Unser Patient könnte jeden Moment sterben“, erklärte der Arzt in einem Facebook-Post. Anastasia Wassiljewa, die Leiterin der von Nawalny unterstützten Gewerkschaft Ärztebündnis, schrieb auf Twitter, es müsse sofort gehandelt werden.
Die US-Regierung hat Russland mit Konsequenzen gedroht, sollte der inhaftierte Kremlgegner Alexej Nawalny im Gefängnis sterben. „Wir haben der russischen Regierung mitgeteilt, dass das, was mit Herrn Nawalny in ihrem Gewahrsam geschieht, in ihrer Verantwortung liegt“, sagte der Nationale Sicherheitsberater von US-Präsident Joe Biden, Jake Sullivan, dem Sender CNN am Sonntag.
„Es wird Konsequenzen geben, falls Herr Nawalny stirbt.“ Über mögliche spezifische Maßnahmen gegen Russland in einem solchen Fall wolle er derzeit nicht öffentlich sprechen. Sullivan wies Kritik daran zurück, dass Biden in seiner Ansprache zu Russland am Donnerstag den Fall Nawalny nicht angesprochen hatte.
Man sei zu dem Schluss gekommen, dass man in diesem Fall besser „durch diplomatische Kanäle direkt mit der höchsten Ebene der russischen Regierung“ kommuniziere, als öffentliche Erklärungen dazu abzugeben, sagte Sullivan.
Nawalnys Tochter fordert medizinische Hilfe
Die Beziehungen zwischen den USA und Russland sind angespannt. Das Weiße Haus in Washington hatte am Donnerstag zehn russische Diplomaten ausgewiesen und eine Reihe neuer Sanktionen gegen Russland verhängt. Als Begründung nannte die US-Regierung einen Moskau zugeschriebenen Hackerangriff und Einmischung in die US-Wahlen.
Als Reaktion wies Russland zehn US-Diplomaten aus und verhängte Sanktionen gegen die USA. Außerdem erließ Moskau Einreisesperren gegen hochrangige US-Regierungsvertreter, darunter zwei Minister.
Nawalnys Tochter fordert wegen des kritischen Zustands ihres Vaters medizinische Hilfe. „Meinem Vater muss ein Doktor erlaubt werden“, schrieb Dascha Nawalny, die an der US-Eliteuniversität Stanford studiert, auf Twitter.
Seine persönlichen Ärzte durften Nawalny bislang nicht im Gefängnis aufsuchen. Aus Protest dagegen trat er in einen Hungerstreik. Nach eigenen Angaben leidet er unter starken Schmerzen im Rücken und an den Beinen. Der staatliche Gefängnisdienst hat erklärt, Nawalny erhalte jede medizinische Unterstützung, die er brauche.
Die Europa-Grünen forderten die Bundesregierung und die EU auf, sich beim russischen Präsidenten Wladimir Putin für eine Verlegung Nawalnys in die EU einzusetzen. „Nawalny ist in unmittelbarer Lebensgefahr“, sagte der Grünen-Europapaabgeordnete Sergey Lagodinsky dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). „Die Lage ist nach Erkenntnissen seines Umfeld dermaßen ernst, dass er ohne ärztliche Betreuung bald sterben könnte“, sagte der deutsche Politiker, der selbst aus Russland stammt. „Meines Erachtens müssen wir gegenüber dem Kreml auf einen sofortigen Transport Nawalnys in die EU bestehen.“
Zweieinhalb Jahre Gefängnis
Nawalny ist einer der schärfsten Kritiker des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Er wurde am 17. Januar nach seiner Rückkehr aus Deutschland verhaftet. Dort war er fünf Monate wegen eines Anschlags mit einem Nervengift behandelt worden, für den er den Kreml verantwortlich machte. Der Kreml hat das zurückgewiesen.
Seine Festnahme bei der Rückkehr wurde offiziell damit begründet, dass er mit seinem Aufenthalt in Deutschland gegen Bewährungsauflagen verstoßen habe. Diese stammten von einer Verurteilung wegen Veruntreuung aus dem Jahr 2014, die Nawalny als erfunden und der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte als rechtswidrig eingestuft hatte.
Nawalny wurde nach seiner Rückkehr zu zweieinhalb Jahren Gefängnis wegen des Verstoßes gegen Bewährungsauflagen verurteilt. Im März wurde er in eine für ein besonders hartes Regiment bekannte Strafkolonie in der Region Wladimir verlegt, 85 Kilometer östlich von Moskau.
Mehr: EU startet Beschlussverfahren für neue Russland-Sanktionen.
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