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Regierungschef abgesetzt Auf die Wirtschafts- folgt die Verfassungskrise: Hoffnungsträger Tunesien versinkt im Chaos

Das Land war einst Ausgangspunkt des „arabischen Frühlings“ und Hoffnungsträger der demokratischen Bewegung. Nun könnte Tunesien jedoch zum Symbol für ihren Niedergang werden.
27.07.2021 - 18:27 Uhr Kommentieren
Demonstranten klettern auf das Tor, das von Soldaten bewacht wird. Quelle: dpa
Eingang des Parlaments in Tunis

Demonstranten klettern auf das Tor, das von Soldaten bewacht wird.

(Foto: dpa)

Düsseldorf Ein abgesetzter Regierungschef, ein entmachtetes Parlament, eine Ausgangssperre – auf eine tiefe ökonomische Krise folgt die politische Implosion. Die Lage in Tunesien könnte fragiler kaum sein.

Auch am Dienstag waren in der Hauptstadt Tunis das Parlamentsgebäude und wichtige Einrichtungen der Regierung von Militärs umstellt. Präsident Kais Saied ordnete zudem an, dass sämtliche Arbeit in öffentlichen Einrichtungen für zwei Tage ausgesetzt wird. Bis Ende August gilt eine nächtliche Ausgangssperre.

Das nordafrikanische Land war einst Ausgangspunkt des „arabischen Frühlings“ und Hoffnungsträger der demokratischen Bewegung, jetzt könnte es zum Symbol für ihren Niedergang werden. Saied hatte Regierungschef Hichem Mechichi nach neuen Massenprotesten in Tunis und anderen Städten gegen die Folgen der Wirtschaftskrise am Sonntagabend überraschend entlassen und die Arbeit des Parlaments ausgesetzt.

Außerdem entließ er am Montag Verteidigungsminister Ibrahim Bartagi und die amtierende Justizministerin Hasna Ben Slimane. Die islamistisch geprägte Regierungspartei Ennahda warf Saied einen „Putsch gegen die Revolution und gegen die Verfassung“ vor und kündigte Widerstand an.

Mechichi hatte den Posten als Ministerpräsident im September 2020 angetreten. Er hatte dabei den Rückhalt der beiden stärksten Parteien im Parlament, die islamisch-konservative Ennahda und „Kalb Tounes“ (Herz Tunesiens). Die Spannungen zwischen Saied und Mechichi nahmen unter anderem zu, nachdem der Präsident sich im Januar geweigert hatte, fast ein Dutzend neue Minister zu vereidigen.

Ökonomische Lage in Tunesien ist prekär

„Die größte Gefahr für eine Nation ist eine innere Explosion“, sagte Saied. Zudem versuchte er, Wirtschaft und ausländische Investoren zu beruhigen: „Wir haben kein Problem mit Geschäftsleuten.“

Die internationale Gemeinschaft blickt mit zunehmender Sorge auf die Entwicklungen. Quelle: dpa
Polizisten bewachen das Parlamentsgebäude

Die internationale Gemeinschaft blickt mit zunehmender Sorge auf die Entwicklungen.

(Foto: dpa)

Tatsächlich ist die ökonomische Lage des nordafrikanischen Landes mit nur zwölf Millionen Einwohnern prekär. Bereits vor Ausbruch der Pandemie flohen immer mehr junge Menschen wegen Perspektivlosigkeit aus dem Land. Die Jugendarbeitslosigkeit lag damals schon bei 35 Prozent.

Corona hat die Wirtschaftslage dramatisch verschärft. Die Wirtschaft brach 2020 um fast zehn Prozent ein. Der Tourismus – im Jahr 2019 besuchten noch zehn Millionen Menschen das Mittelmeerland – kam mehr oder weniger zum Erliegen.

Und eine Entspannung der pandemischen Lage ist wegen der grassierenden Delta-Variante nicht in Sicht. Insgesamt starben fast 18.000 Menschen seit Ausbruch der Pandemie im Zusammenhang mit dem Virus. Und bislang sind trotz internationaler Unterstützung nur rund fünf Prozent der Bevölkerung komplett geimpft. Die Krankenhäuser sind überfüllt, der Sauerstoff ist knapp. Wegen der ausweglosen Lage entließ Mechichi vergangene Woche den Gesundheitsminister.

Bereits kurz nach Amtsübernahme des parteilosen Regierungschefs begann ein Machtkampf zwischen ihm und dem Staatschef. Von Beginn an stand das Militär eher aufseiten Saieds. Am Montag stellte sich dann auch der einflussreiche Gewerkschaftsdachverband UGTT auf die Seite des Präsidenten. Damit war die Machtfrage vorläufig geklärt.

Tunesiens Präsident Saied verhängt Ausgangssperre

Die internationale Gemeinschaft blickt mit zunehmender Sorge auf die Entwicklungen in Tunesien. Die EU rief den tunesischen Präsidenten auf, die Blockade des Parlaments zu beendigen. Die institutionelle Stabilität müsse so „rasch wie möglich wiederhergestellt werden“, sagte der EU-Auenbeauftragte Josep Borrell am Dienstag.

Dazu gehöre insbesondere die Wiederaufnahme des Parlamentsbetriebs. Die demokratische Verankerung des Landes sowie die Achtung der Rechtsstaatlichkeit, der Verfassung und des Rechtsrahmens müssten bewahrt werden.

Auch die USA mahnten zu Besonnenheit. Es gebe Gespräche der US-Regierung mit tunesischen Politikern, „um mehr über die Lage zu erfahren“, sagte eine Sprecherin des Weißen Hauses.

Mehr: Tunesiens Präsident feuert Regierungschef und übernimmt Amtsgeschäfte

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