Regierungskrise in Lissabon Gescheiterter Haushaltentwurf: In Portugal droht eine Regierung zu zerbrechen, die in der EU als Vorbild galt

Der Sozialist verteidigt eine strikte Haushaltsdisziplin.
Madrid Der Zeitpunkt könnte kaum ungünstiger sein: Mitten im Wiederaufbau bricht in Portugal die Regierung auseinander. Das Land ist von der Coronakrise hart gebeutelt, das Bruttoinlandsprodukt brach im vergangenen Jahr um 8,4 Prozent ein.
Dabei ist der Grund für die nationale Krise derselbe, für den man Portugal international viel Respekt zollt: die Haushaltsdisziplin von Regierungschef António Costa. Sein Budgetentwurf für das kommende Jahr sieht vor, dass das Defizit von den geschätzten 4,3 Prozent in diesem Jahr auf 3,2 Prozent im kommenden Jahr sinkt und damit wieder fast das Maastricht-Kriterium von drei Prozent erfüllt.
Zwar hatte Costa auch höhere Ausgaben für das nationale Gesundheitswesen, eine Erhöhung des Mindesteinkommens sowie höhere Renten und Beamtensaläre geplant. Seinen Partnern – den Kommunisten und dem linksradikalen Linken Block – reichte das aber nicht.
Sie hatten höhere Steigerungen gefordert und stimmten am Mittwochabend zusammen mit den oppositionellen Konservativen gegen den Haushalt. Kommunisten und Linker Block erklärten, Costa habe unter anderem ihre Forderungen nach einem besseren Arbeitnehmerschutz missachtet und sich zu sehr auf eine Verringerung des Haushaltsdefizits konzentriert.
Die Krise in Portugal zeigt, wie schwierig es wird, in den EU-Staaten wieder zu den Stabilitätskriterien zurückzukehren.
Sozialisten aus ganz Europa blickten bislang voller Neid auf Portugal
Zwar ist ein fehlendes Budget kein zwingender Grund für eine Neuwahl. Staatspräsident Marcelo Rebelos de Sousa hatte vor der Abstimmung aber bereits angekündigt, dass er das Parlament auflösen und Neuwahlen ausrufen werde, falls das Parlament sich nicht auf einen Haushalt für 2022 einige. Costa schloss einen Rücktritt aus und kündigte an, die Übergangsregierung bis zu den Neuwahlen zu leiten, die vermutlich im Januar und damit zwei Jahre vor dem regulären Urnengang stattfinden werden.
Mit Neuwahlen würde eine Allianz ihr Ende nehmen, auf die Sozialisten aus ganz Europa neidisch geblickt haben. Costa rühmt sich dafür, einen alternativen Weg zur Austerität gefunden zu haben, der für mehr Wachstum sorgt, aber gleichzeitig nachhaltige Finanzen sichert.
Auch mithilfe einer boomenden Weltwirtschaft gelang ihm das in seiner ersten Amtszeit ab 2015. Er senkte die Staatsverschuldung von 131 Prozent der Wirtschaftsleistung auf 117 Prozent im Jahr 2019, dem Jahr vor der Pandemie. Das Wachstum lag 2019 bei 2,5 Prozent, und aus dem Haushaltsdefizit von 4,4 Prozent machte er einen positiven Saldo von 0,1 Prozent.
Seinen linken Partnern versuchte Costa bis zuletzt die Bedeutung solider Finanzen klarzumachen. „Die richtigen Finanzen sorgen für internationale Glaubwürdigkeit“, sagte er bei der Haushaltsdebatte. „Die richtigen Finanzen haben es uns ermöglicht, dieses Mal mit Solidarität und nicht mit Austerität auf die pandemische Krise zu reagieren.“ Doch es half nichts: Portugal hat die drittgrößte Staatsverschuldung in der EU nach Griechenland und Italien.
Wiederaufbau könnte sich verzögern
Die politische Krise könnte den so wichtigen Wiederaufbau in Portugal verzögern. Neuwahlen würden nicht vor Januar stattfinden, und vor April dürfte kein neuer Haushalt stehen.
In der Übergangszeit greift in Portugal die sogenannte Zwölftelregel. Sie besagt, dass ohne neues Budget jeden Monat nur ein Zwölftel dessen ausgegeben werden darf, was der Staat im Jahr zuvor verbraucht hat. Damit könnten auch die Gelder aus dem europäischen Wiederaufbaufonds bis zu einem neuen Budget in der Luft hängen. Portugal erhält von der EU 14 Milliarden Euro als nicht rückzahlbare Transfers.
Dabei scheinen vorgezogene Neuwahlen niemandem zu nutzen. „Die linken Partner von Costa werden Stimmen verlieren“, prophezeit António Costa Pinto vom Institut für Soziologie an der Universität Lissabon.
Sie hätten es dennoch auf den Bruch angelegt: „Die Bedingungen, die sie Costa für ihre Stimmen zum Haushalt gestellt haben, waren so hoch, dass er sie nicht erfüllen konnte.“ Das Motiv dafür sieht er darin, dass Kommunisten wie linker Block aus der Unterstützung für Costa keine Vorteile mehr für sich erwarten.
Einige Analysten befürchten nun, dass Portugal nach der Wahl ein fragmentiertes Parlament droht und keine Regierung zustande kommt. Denn die rechte Opposition ist in einem internen Machtkampf um die Parteiführung gefangen und liegt in Umfragen deutlich hinter den Sozialisten. Laut einer Umfrage der portugiesischen Wirtschaftszeitung „Jornal de Negocios“ von Ende September würden die Sozialisten bei Neuwahlen 37 Prozent und die konservative PSD 25 Prozent der Stimmen erreichen. Derzeit halten die Sozialsten im Parlament 108 der 230 Sitze.
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