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Regierungskrise Italiens Premier Conte stellt die Vertrauensfrage im Senat – diese vier Szenarien sind möglich

Tag der Wahrheit für Giuseppe Conte: Im Abgeordnetenhaus hat er die Abstimmung über die Vertrauensfrage zwar gewonnen. An diesem Dienstag steht jedoch die Entscheidung im Senat an.
19.01.2021 - 08:37 Uhr Kommentieren
Im Abgeordnetenhaus hat Italiens Premier die Vertrauensfrage am Montag gewonnen. Quelle: Reuters
Giuseppe Conte

Im Abgeordnetenhaus hat Italiens Premier die Vertrauensfrage am Montag gewonnen.

(Foto: Reuters)

Rom Es ist eine hauchdünne Mehrheit, die Giuseppe Conte nun in der Abgeordnetenkammer hinter sich hat: Mit gerade mal sechs Stimmen mehr als nötig wurde Italiens Premier am Montagabend in seinem Amt bestätigt. 55 Minuten hatte Conte zuvor für sich geworben, an die „parlamentarischen Kräfte“ appelliert, die derzeitige Krise zur „Wunde im Land“ erklärt. Die kleinere der zwei Hürden hat der 56-Jährige damit genommen.

Vor der größeren steht Conte an diesem Dienstag, wenn er erneut die Vertrauensfrage stellen muss – im Senat, der zweiten Parlamentskammer. Für Italiens Premier ist es der Tag der Wahrheit. Die folgenden vier Szenarien sind möglich.

Szenario eins: absolute Mehrheit

Im Senat sind die Mehrheitsverhältnisse noch viel unklarer als in der Kammer. Die Stimmen der Mitte-links-Regierung aus Sozialdemokraten, Bewegung Fünf Sterne und der Kleinstpartei Liberi e Uguali (LeU) reichen nach dem Rückzug von Italia Viva (IV) nicht mehr aus – der Partei von Ex-Premier Matteo Renzi, die das Land erst in die politische Schieflage brachte.

Conte hat zuletzt alles versucht, um neue Unterstützer zu finden. Im Senat sitzen einige Fraktionslose, die nun das Zünglein an der Waage sein könnten. Auch vereinzelte Senatoren aus der Opposition könnten für den parteilosen Premier stimmen. Für die absolute Mehrheit bräuchte er 161 Stimmen.

Durch den Abzug von zwei Ministerinnen hat der ehemalige Premier das Land in eine Regierungskrise gestürzt. Quelle: AP
Matteo Renzi

Durch den Abzug von zwei Ministerinnen hat der ehemalige Premier das Land in eine Regierungskrise gestürzt.

(Foto: AP)

Bekommt Conte 161 oder mehr, geht er gestärkt aus der Krise. Die Regierung könnte weitermachen und das Kabinett neu aufstellen, im Italienischen ein „Rimpasto“. „Conte wird versuchen, die Mehrheit in den kommenden Wochen auszubauen“, glaubt Giovanni Orsina, Leiter der School of Government an der römischen Universität Luiss. „Dafür kann er auch die beiden Ministerien nutzen, die Italia Viva frei gemacht hat.“

Die zwei Posten könnte der Premier möglicherweise zum Dank an neue Unterstützer verteilen. „Vor allem das Landwirtschaftsministerium hat ein gewisses Gewicht“, meint Orsina.

Szenario zwei: wackelige Mehrheit

Es gibt bei der Senats-Abstimmung einen großen Unsicherheitsfaktor: Italia Viva. Nachdem sich die Partei im Streit über die Verwendung von EU-Geldern aus der Regierung zurückgezogen hatte, enthielt sie sich bei der Kammer-Abstimmung am Montag komplett. Enthalten sich auch die 18 IV-Senatoren bei der Vertrauensfrage, ändert sich das Quorum – und Conte bräuchte nur noch 151 Stimmen für die Mehrheit. Um dauerhaft weiter zu regieren, wäre das Konstrukt aber viel zu wackelig.

Schon am Mittwoch, wenn das Parlament über den Nachtragshaushalt entscheiden muss, würde die einfache Mehrheit nicht mehr ausreichen. Um die Neuverschuldung von 32 Milliarden Euro beschließen zu können, mit denen Italien unter anderem neue Impfstoffe kaufen und von der Pandemie betroffene Unternehmen entschädigen will, braucht es die absolute Senats-Mehrheit – also wieder 161 Stimmen.

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Auf Dauer würde die Minderheitenregierung kaum überstehen. „Diese Situation würde Italiens Exekutive stark schwächen“, meint der Ökonom Lorenzo Codogno. Vor allem in einer so wichtigen Phase, in der Italien die G20-Präsidentschaft übernommen habe und den Wiederaufbaufonds finalisieren müsse.

Szenario drei: Übergangsregierung

Scheitert Conte im Senat, müsste er bei Staatspräsident Sergio Mattarella seinen Rücktritt erklären. Mattarella könnte dann eine Übergangsregierung ins Amt heben. Solch ein „technisches Kabinett“ hat es in Italien schon mehrfach gegeben hat – zuletzt von 2011 bis 2013 unter dem ehemaligen EU-Kommissar Mario Monti, der nach Silvio Berlusconis Machtverlust einsprang. Alle Minister im Monti-Kabinett waren damals parteilose Experten.

Sollte der italienische Premier im Senat scheitern, könnte der Staatspräsident eine Übergangsregierung ins Amt heben. Quelle: AFP
Sergio Mattarella (links im Bild) und Giuseppe Conte im September 2019

Sollte der italienische Premier im Senat scheitern, könnte der Staatspräsident eine Übergangsregierung ins Amt heben.

(Foto: AFP)

In der momentanen Situation könnte ein technisches Kabinett dafür sorgen, dass der milliardenschwere EU-Wiederaufbaufonds in den kommenden Monaten umgesetzt wird – und die Gelder dem Land bei dringend benötigten Reformen helfen. „Wir müssen aufpassen, kein Klima des Misstrauens gegenüber unserem Land zu schaffen“, sagt Valentina Meliciani, Ökonomie-Professorin an der Luiss. Daher sei es so wichtig, dass die europäischen Gelder korrekt benutzt werden. Eine Übergangsregierung könnte genau das sicherstellen – und anschließend den Weg zu Neuwahlen frei machen.

Szenario vier: vorgezogene Neuwahlen

Muss Conte sein Amt aufgeben, könnte Staatspräsident Mattarella auch Neuwahlen ausrufen. Eigentlich wäre der nächste reguläre Wahltermin erst in mehr als zwei Jahren, im Mai 2023. Vorgezogene Wahlen wollen die Regierungsparteien unbedingt vermeiden. Die Opposition fordert sie seit Tagen lauthals.

Die Begründung ist auf beiden Seiten klar: Nach derzeitigen Umfragen würde eine breite rechte Mehrheit aus der Lega von Ex-Innenminister Matteo Salvini, den postfaschistischen Fratelli d’Italia und Berlusconis Forza Italia entstehen. Die derzeitige Regierung würde hingegen massiv an Stimmen verlieren, vor allem die Fünf-Sterne-Bewegung. Rund die Hälfte der Parlamentarier bangt um ihr Mandat.

Neuwahlen müssten bis spätestens Juni terminiert werden. Denn im Juli beginnt das „weiße Semester“ in Italien: Ein halbes Jahr vor den Präsidentschaftswahlen – Mattarella tritt nach sieben Jahren im Amt im Januar 2022 turnusgemäß ab – darf das Staatsoberhaupt die Parlamentskammern nicht mehr auflösen. Um das politische Vakuum nicht bis ins nächste Jahr zu ziehen, müsste noch im Frühsommer gewählt werden. Ein Termin samt Wahlkampf inmitten der Pandemie.

Der Zeitplan: Showdown am Abend

Giuseppe Conte spricht an diesem Dienstag um 9.30 Uhr im Senat. Dort wird er eine ähnliche Rede halten wie schon vor den Abgeordneten der Kammer. Anschließend werden die Senatoren debattieren und Fragen stellen, am Nachmittag darf Conte antworten.

Votiert wird im Senat – wie schon in der Kammer – erst am Abend. Frühestens um 19.30 Uhr könnte die Abstimmung beginnen. Mit einem Ergebnis ist gegen 20.30 Uhr zu rechnen.

Mehr: Die EU will Milliarden Euro verteilen – aber bei Italien und Spanien hakt es.

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