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Rohstoffe Der große Gewinner der Gaspreiskrise ist Russland

Der Kreml streicht so viel Geld aus Öl- und Gasexporten ein wie seit Langem nicht. Und Präsident Putin drückt jetzt auch noch Nord Stream 2 an den Start.
14.10.2021 - 04:00 Uhr Kommentieren
Der Kremlchef nennt es
Wladimir Putin auf der "Energiewoche" in Moskau

Der Kremlchef nennt es "Blödsinn", dass Moskau Energie als Waffe einsetze. Europa sei selbst schuld an den hohen Gaspreisen.

(Foto: dpa)

Berlin Der Ölpreis liegt auf einem Siebenjahreshoch, und die Gaspreise gehen so ungestüm in die Höhe, dass der Versorger Eon momentan keine neuen Gastarife anbietet. Die Inflation erreicht wegen der stark steigenden Energiepreise immer neue Höhen, Verbraucher müssen immer mehr für Benzin und Heizen zahlen. Das gilt vor allem für Europa. In der Nachbarschaft gibt es aber einen großen Gewinner: Russland als weltgrößter Öl- und Gasexporteur fährt riesige Sondergewinne ein.

Mit 125 Milliarden Dollar allein an Steuereinnahmen aus der Ausfuhr von Erdöl und Erdgas könne der Kreml rechnen, sagt Dmitri Marintschenko, Senior Director der Natural Resources and Commodities Group der Ratingagentur Fitch. Das seien 50 Milliarden Dollar mehr als im Jahr zuvor und liege sogar über den Export-Einnahmen für die russische Staatskasse im Vor-Coronajahr 2019.

Die russischen Staatseinnahmen aus den Energieverkäufen könnten am Ende aber noch höher ausfallen als der schon jetzt prognostizierte 70-prozentige Anstieg: Bisher hatte das russische Finanzministerium mit 70 Dollar pro Barrel Rohöl kalkuliert (statt 43 im Jahr zuvor) und mit 320 Dollar pro 1000 Kubikmeter Gas (gegenüber 143 Dollar 2020). Der Gaspreis war aber am 6. Oktober auf mehr als 1900 Dollar angezogen, ein Fass Erdöl der Nordseesorte Brent kam kürzlich schon über 80 Dollar.

Kampf um Gazproms Exportmonopol

Am meisten profitiert der russische Staat von den Ölexporten: Denn die machen 75 bis 80 Prozent der Einnahmen aus allen Energieausfuhren aus, da die Ölkonzerne bei hohen Preisen besonders stark abkassiert werden. Der vom Kreml kontrollierte Gazprom-Konzern, der das Monopol für Erdgasexporte per Pipeline hat, kann hohe Summen behalten. Gazprom-Chef Alexej Miller ist ein langjähriger Vertrauter von Wladimir Putin. Aber ebenso gut verdrahtet mit dem Staatschef ist auch der CEO des mehrheitlich staatlichen Ölkonzerns Rosneft Igor Setschin. Und so fordert er bereits, in Kürze auch Erdgas ausführen zu dürfen.

Dies könnte sogar nötig werden, wenn die Bundesnetzagentur EU-Recht umsetzt und die umstrittene Ostseepipeline Nord Stream 2 zwar zulässt, aber im Sinne des dritten Energiepakets Leitungsbesitzer Gazprom die volle Nutzung der Gasröhre untersagt. Dann könnte Rosneft die Hälfte der Kapazität von 55 Milliarden Kubikmeter Erdgas jährlich ausfüllen. Gegen diesen „Kuhhandel“ regt sich im Europaparlament bereits massiver Widerstand. Die EU-Kommission hat bei der Bundesnetzagentur, die bis Mitte Januar über die Inbetriebnahme von Nord Stream 2 entscheiden muss, bereits die exakte Einhaltung aller EU-Gasmarktverordnungen angemahnt.

Putin lockt die Europäer

Putin macht indes mit einem Lockangebot heftig Druck auf Europa, das unter den exorbitanten Energiepreisen stöhnt: Die Inbetriebnahme der Pipeline werde „die Spannungen auf dem europäischen Energiemarkt erheblich verringern, und das wird sich auf die Gaspreise auswirken“, versprach der Kremlchef für den Fall einer schnellen Genehmigung von Nord Stream 2. Auf der Russischen Energiewoche am Mittwoch in Moskau warf Putin der EU erneut vor, „administrative Hürden“ gegen die Ostseepipeline aufgebaut zu haben.

Damit zielte er auf das sogenannte dritte Energiepaket der EU, das eine Trennung zwischen Netz- oder Pipelinebetreibern sowie den Lieferanten von Strom oder Erdgas vorsieht (Unbundeling). Putin will diese Regelung kippen, um Gazprom – das sowohl die Betreibergesellschaft Nord Stream 2 AG besitzt wie auch das durchzuleitende Erdgas fördert – sein Exportmonopol zu erhalten und Konkurrenz auszuschalten.

Putin wiegelt indes ab: Dass Russland Öl und Gas als politische Waffe nutze, sei „einfach Blödsinn“, behauptete er in Moskau.

Kampf gegen europäische Regeln

Ebenso bekämpft Russland bereits seit einiger Zeit das Verbot bindender Langzeitverträge für Gaslieferverträge, in denen Preise langfristig festgeschrieben werden wie auch zu liefernde Mengen. Sollten die bestellten Mengen nicht gebraucht werden, müsste dafür ein Ausfallhonorar gezahlt werden (Take or Pay). Die EU hatte dies aus wettbewerbsrechtlichen Gründen gestoppt.

Russland lockt nun aber die EU, wieder zu Langfristlieferverträgen zurückzukehren, um in der aktuellen Hochpreisphase angeblich günstiger zu fahren. Dabei soll als Einfallstor Bulgarien dienen, das ärmste EU-Mitglied: „Bulgarien ist immer noch ein armes Land“, begründete die russische Botschafterin in Sofia, Elena Mitrofanowa, ein Angebot niedrigerer Gaspreise bei der Unterzeichnung eines Langfristliefervertrags mit Gazprom. „Gerade angesichts des Anstiegs der Spotmarktpreise für Gas auf Weltmarktniveau sind stabile langfristige Verträge von großer Bedeutung,“ unterstrich Mitrofanowa an die Adresse der bulgarischen Regierung.

Gazprom gewinnt – russische Arbeitnehmer nicht

Ein sicherer Gewinner der europäischen Gaskrise steht indes jetzt fast schon fest: Gazprom. Dessen Finanzchef Iwannikow geht davon aus, dass der weltgrößte Gaskonzern angesichts der stark steigenden Gewinne aus dem Gasverkauf für das laufende Jahr „mindestens 36 Rubel Dividende“ zahlt (umgerechnet 0,42 Euro) nach 12,55 in diesem und dem bisherigen Rekordjahr 2018 mit 16,61 Rubel. Über die Hälfte davon fließt an die russische Regierung.

Die allermeisten Russinnen und Russen haben indes nichts davon: „Die Öl- und Gaseinnahmen steigen stark an, aber die Einkommen der Bürgerinnen und Bürger Russlands sinken“, sagt Anton Bykow, Senior Analyst des Brokerhauses Esperio in Moskau. Obwohl das russische Bruttoinlandsprodukt auch wegen der Ausweitung der Förderung von Rohstoffen seit einem Jahrzehnt um durchschnittlich zwei Prozent jährlich gewachsen sei, lägen die Einkommen heute auf dem Niveau von vor zehn Jahren, die Realeinkommen seien sogar geschrumpft.

Zum Ankurbeln des Wirtschaftswachstums kann die Einnahmelawine auch nicht genutzt werden, die die hohen Energiepreise auslösen: Alle Einnahmen aus Ölexporten oberhalb von 43,3 Dollar pro Barrel fließen nicht in den Staatshaushalt und damit in mögliche Investitionsprogramme – sondern werden in den Nationalen Wohlstandsfonds gelenkt. Eine Staatsschatulle für schlechte Zeiten.

Mehr: Welche Rolle Gazprom bei den steigenden Energiepreisen spielt

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