Rüstungspolitik Scholz bremst Kramp-Karrenbauers Eurodrohnen-Projekt

Die Verteidigungsministerin wird um ihr Projekt kämpfen. Man erwarte Koalitionstreue von der SPD, so Kramp-Karrenbauer.
Berlin Für Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) ist die Eurodrohne ein europäisches Prestigeobjekt: Entwickelt und gebaut von Deutschland, Frankreich, Italien und Spanien, soll sie die technologisch weltweit führende Drohne werden und länger als andere in mittleren Höhen kreisen können. Für Finanzminister Olaf Scholz (SPD) dagegen ist das Projekt vor allem eines: ein gigantisches Kostenrisiko.
Deshalb ist unklar, ob die SPD im Haushaltsausschuss der Freigabe von rund drei Milliarden Euro für die Entwicklung der Eurodrohne zustimmen wird – obwohl der Koalitionsausschuss von Union und SPD sich bereits Anfang Februar festgelegt hat, das Projekt noch vor der Sommerpause zu beschließen.
Anders als üblich hat das Finanzministerium die ausverhandelten Verträge zwischen den vier Staaten und den beteiligten Unternehmen nicht nach rein formaler Prüfung an den Bundestags-Haushaltsausschuss zur Entscheidung weitergeleitet. Sondern es hat dem 335 Seiten dicken Vertragswerk aus dem Verteidigungsministerium eine zehnseitige Bedenkenliste vorangestellt.
Die Hauptkritikpunkte aus dem Haus von Scholz: Der Entwurf enthalte „im Vergleich zu anderen Verträgen eine ungewöhnlich einseitige zulasten der Auftraggeberseite ausgestaltete Risikoverteilung, die zu nicht prognostizierbaren Mehrkosten in der Zukunft führen könnte“.
Zweitens sei nicht akzeptabel, dass es eine „außerordentliche Preiseskalationsregel“ gebe, weil der Arbeitsstundenpreis für die Drohne bei Airbus mit den beiden anderen Großvorhaben FCAS-Kampfflugzeug und neue Eurofighter verknüpft werde.
Und drittens werde es nach der Entwicklungsphase ab 2025 weitere Finanzmittel im hohen dreistelligen Millionen Euro-Bereich geben müssen, „für die eine Haushaltsvorsorge nicht erkennbar ist“.
Darüber hinaus kritisiert das Finanzministerium, dass die Koordinierung des Projekts über die Occar, eine Organisation mehrerer EU-Staaten zum effizienten und effektiven Management von gemeinsamen Rüstungsvorhaben, laufen soll: Damit habe Deutschland zu wenig Einfluss. Allerdings ist es bei multinationalen Militärprojekten das normale Vorgehen, dass die Occar sie koordiniert.
Verteidigungsministerium hält Kritik für überzogen
Im Verteidigungsministerium reagiert man denn auch mit Unverständnis. In Scholz“ Haus fehle die Expertise zu Rüstungsprojekten, die massive Kritik rieche nach Wahlkampf.
„Multinationale Projekte können nicht nach rein nationalen Ambitionen realisiert werden“, sagte eine Sprecherin des Verteidigungsministeriums auf Anfrage. Risiken gebe es bei jedem Projekt.
Bei Rüstungsprojekten sei es absolut üblich, dass es eine Verknüpfung gebe zu weiteren Projekten – und zwar durchaus auch zugunsten des Auftragsgebers Bund: Wenn Airbus die geplanten Aufträge für FCAS und den Eurofighter bekomme, werde die Drohne billiger, nicht teurer, weil die Airbus-Werke besser ausgelastet würden.
Im Verteidigungsministerium meint man inzwischen, zu viele Details in die Ausschussvorlage geschrieben zu haben, indem alle erdenklichen Risiken, auch die in ferner Zukunft, aufgelistet wurden. Dabei gebe es „Meilensteine“, bei deren Erreichen das mehrjährige Projekt jeweils nachjustiert werde.
Und beim ersten Kritikpunkt, dem Risiko zulasten der staatlichen Auftraggeber, habe das Finanzministerium übersehen, dass es nicht um zivile Verträge, sondern Rüstungsverträge gehe, bei denen eine Risikoaufteilung zwischen Hersteller und Auftraggeber üblich sei.
Soweit es gehe, so die Sprecherin, würden Rüstungsverträge immer zivilen Standards entsprechen. Aber es gebe insbesondere dann, wenn es ein multinationales Projekt sei, Besonderheiten, die sich in den Verträgen niederschlagen würden.
Für das Misstrauen im Finanzministerium spricht Erfahrung
Für das Misstrauen des Finanzministeriums spricht allerdings die Erfahrung, dass bisher noch jedes Rüstungsgroßprojekt am Ende erheblich teurer war als geplant. Der Bundesrechnungshof sieht ebenfalls ein erhebliches Kostenrisiko, weist aber auch darauf hin, dass ein gewisses Kostenrisiko bei Neuentwicklungen nicht unüblich sei. Daher müsse der Bundestag „politisch entscheiden“, ob er die Eurodrohne wolle oder nicht.
Die Grünen sind ebenso skeptisch wie Scholz. Grünen-Haushalts- und Verteidigungspolitiker Tobias Lindner sagte dem Handelsblatt: „Der Vertragsentwurf zur Eurodrohne ist der schlechteste, den ich in den letzten zehn Jahren gesehen habe. Europäische Zusammenarbeit kann kein Freibrief dafür sein, solch schlechte Verträge zu schließen.“
Die Union folgt dagegen den Argumenten ihrer Verteidigungsministerin und hält die Kritik von Scholz für maßlos. Der CDU-Verteidigungsexperte Patrick Sensburg etwa warf Scholz bei „Tagesschau.de“ vor, sich einen „schlanken Fuß zu machen“, obwohl es um ein wichtiges Projekt für die Sicherheit des Landes gehe.
In CDU und CSU ist man ohnehin wütend auf den Finanzminister und SPD-Kanzlerkandidaten, weil er vor einigen Wochen auch die Beschaffung von Heron-TP-Drohnen aufgehalten hat: Die Ausschussvorlage des Verteidigungsministeriums leitete er nicht an den Bundestag weiter.
Die Union wirft der SPD vor, wegen ihrer Ablehnung bewaffneter Drohnen für die Bundeswehr gar keine Drohnen beschaffen zu wollen, also nicht einmal solche zur Aufklärung. Scholz wolle so den linken Flügel um SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich fest in seinen Wahlkampf ums Kanzleramt einbinden.
Bei der Bundeswehr jedenfalls wächst die Sorge, noch lange auf Drohnen warten zu müssen. Denn alle Rüstungsvorhaben, die nicht vor der Sommerpause vom Bundestag genehmigt sind, landen auf der langen Bank, bis die Wahlen und Koalitionsverhandlungen stattgefunden haben und die Regierungsbildung abgeschlossen sein wird.
Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer wird um ihr Projekt kämpfen. „Der Auftrag des Koalitionsausschusses von Anfang Februar bleibt die regierungsgemeinsame Grundlage für die Behandlung des Projekts“, sagte die Ministeriumssprecherin. Die Vorlage habe den Haushaltsauschuss erreicht. Jetzt erwarte man Koalitionstreue von der SPD.
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