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Russland „Direkte Bedrohung für unser Land“: Chaos in Afghanistan stürzt Moskau in einen Zwiespalt

Russland gilt neben China als der große Gewinner des westlichen Scheiterns am Hindukusch. Doch der Kreml befürchtet dramatische Folgen, sollte die instabile Lage überschwappen.
26.08.2021 - 04:09 Uhr 8 Kommentare
Moskau verstärkt die Militärpräsenz an der afghanischen Grenze. Quelle: dpa
Russische Truppen in Tadschikistan

Moskau verstärkt die Militärpräsenz an der afghanischen Grenze.

(Foto: dpa)

Moskau Wladimir Putin sieht sich seit Jahren als der große Gegenspieler zum Westen. Vor allem das angeblich einseitige und rücksichtslose Vorgehen der USA geißelt Russlands Präsident immer wieder mit scharfen Worten. Auch ein Zentralasien ohne amerikanische Truppen hat er stets gefordert.

Doch der übereilte Rückzug der westlichen Truppen aus Afghanistan lässt den Kremlherrn nicht aufjubeln: „Was die Operation in Afghanistan betrifft, so kann sie sicherlich nicht als Erfolg bezeichnet werden“, sagte Putin beim Besuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel in Moskau und fügte hinzu: „Aber es liegt nicht in unserem Interesse, jetzt dazustehen und von einer Art Misserfolg zu sprechen.“

Der Anti-Westler Putin hat gute Gründe für seine Zurückhaltung: Russland wisse sehr gut um die Verhältnisse in Afghanistan, spielte Putin auf eine Schmach der Sowjetunion an. Das Land musste 1989 nach zehn Jahren Krieg am Hindukusch geschlagen abziehen, was durch Konflikte daheim auch zum Auseinanderfallen der UdSSR beitrug.

Und Putin, der 2001 die Nato-Luftschläge gegen Terrorgruppen in Afghanistan durch Überflugrechte und die Nutzung von Militärbasen in Kirgistan und Usbekistan durch westliche Truppen unterstützte, weiß um die Folgen des Abzugs damals und heute: Es bestehe die Gefahr, dass der Drogenschmuggel und die illegale Migration zunähmen, vor allem aber, dass Terroristen das Chaos in Afghanistan nutzten. „Das ist eine direkte Bedrohung für unsere Verbündeten und für unser Land“, sagte Putin mit Blick etwa auf die Ex-Sowjetrepubliken Tadschikistan, Usbekistan und Turkmenistan, direkte Nachbarn Afghanistans.

Russland steht vor dem Zwiespalt, dass die Taliban seit 2003 nach russischem Recht als Terroristen gelten, aber Russlands Afghanistan-Sondergesandter Zamir Kabulow seit Jahren regelmäßig Taliban-Vertreter zu Gesprächen nach Moskau lädt. „Nicht umsonst haben wir in den letzten sieben Jahren Kontakte mit der Taliban-Bewegung aufgenommen und viele Punkte diskutiert“, sagte Kabulow dem Radiosender „Echo Moskwy“. Moskau habe gesehen, „dass diese Kraft irgendwann eine führende Rolle in der Zukunft Afghanistans“ spielen werde.

Die größten Sorgen des Kremls sind die Destabilisierung der zentralasiatischen Nachbarstaaten Russlands und ein erneutes Überschwappen islamistischer Ideologie und extremistischer Rebellen. Der kriegerische Konflikt um die russische Teilrepublik Tschetschenien war ebenso wie Unruhen im usbekischen Fergana-Tal und zahlreiche Anschläge in Usbekistan immer wieder von militanten Islamisten entfacht worden. Auch kamen weltweit bekannt gewordene Terroristen aus der Region, etwa die beiden Brüder, die mit einem Bombenanschlag auf den Boston Marathon 2013 drei Menschen getötet und 264 verletzt haben.

Russlands „Hauptproblem“ sei, „dafür zu sorgen, dass die Taliban nicht versuchen, Gewalt zu schüren oder ihre harte Version des Islams über die Grenzen Afghanistans hinaus zu verbreiten“, meint der Zentralasien-Experte Arkadi Dubnow. Im Gegenzug für diese Zurückhaltung „wird sich Moskau für die politische Anerkennung der Taliban und ihre Streichung von der UN-Liste der terroristischen Organisationen einsetzen“.

Und auch die Zusammenarbeit mit Peking wird durch die Lage in Afghanistan forciert. Gemeinsam mit China, dessen muslimisch geprägte Uiguren-Provinz Xinjiang an Afghanistan grenzt, will Moskau „Bemühungen im Kampf gegen von afghanischem Gebiet ausgehenden Bedrohungen“ ausbauen, teilte der Kreml nach einem Telefonat Putins mit Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping am Mittwoch mit. Es solle verhindert werden, dass sich die Instabilität auf angrenzende Staaten ausbreite.

Mehr: „Hinterher alles zu wissen, ist mühelos” – Welche Schlüsse die Kanzlerin aus dem Afghanistan-Debakel zieht

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8 Kommentare zu "Russland: „Direkte Bedrohung für unser Land“: Chaos in Afghanistan stürzt Moskau in einen Zwiespalt"

Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.

  • @Christian H.
    Die Muslime sterben nicht weil sie Muslime sind, sondern aus machtpolitischen Gründen und da sie teils noch Religionskriege führen. Christen werden in muslimischen Ländern aus fast nur religiösen Gründen verfolgt und teils getötet. Als Atheist sehe ich das ohne jede Parteinahme. Der Krieg zwischen Warlords ist schon sehr alt und systemimmanent. Das Stammesdenken wird in ca. 100 Jahren wahrscheinlich nicht zu Demokratie führen. Christen werden in vielen muslimischen Ländern deshalb verfolgt, nur weil sie Christen sind. Zitat: "Tötet die Ungläubigen, wo immer ihr sie findet, sendet Furcht in ihre Herzen". Furcht durch Terroranschläge, ziemlich einfach zu verstehen.

  • @ Herr Franz Pfaff

    Christenverfolgung? In Afghanistan und Irak wurden durch die moralisch begründeten (aber natürlich scheinheilige - man denke an die Unterstützung von Warlords, die Scheindemokratie in Afghanistan und den Partner Saudi Arabien) hunderttausende von Muslimen getötet. In Indien gibt es 200 Millionen Muslime, die unterdrückt werden. Wo sterben tausende an Christen? Haben Sie doch nicht so viel Angst.

  • Kein vernünftig denkender Mensch hat jemals erwartet, dass man Afghanistan demokratisieren kann. Die freiheitlich-demokratische denkenden Menschen könnten allenfalls in einem sehr blutigen Guerilla-vs-Guerilla-Bürgerkrieg gegen die Taliban gewinnen. Mit einer regulären Armee kann man gegen die Taliba nicht gewinnen, weil der Faktor Zeit und Soldatennachwuchs immer auf deren Seite ist.

  • Die deutsche Politik ist chaotisch und ideologisch geprägt.
    Man will die Welt retten bezüglich Klima, Kriege und sonstiges und holt sich Probleme ins Haus ohne die Auswirkungen zu bedenken.
    Pragmatisches Denken wie das eines Herren Putins sind in Deutschland nicht gewollt. Selbst ein Herr Seehofer wurde massiv kritisiert als er die Flüchtlinge 2015 komplett registrieren wollte. Dass Merkel die strahlende Heldin sein soll, verstehe wer mag, die Beliebtheit - Umfragen vor der Wahl kann ich nicht nachvollziehen.
    Irgendwie lernen die deutschen politiker nicht - man sollte sie immer klein schreiben!

  • Man mag von Putin halten, was man will: Ein skrupelloser Diktator, der nicht vor Mord und Verbrechen zurückschreckt, sich nicht um das Völkerrecht schert (aber wer tut das schon?), sein Land in einer eisernen Faust hält und wahrscheinlich auch kleptokratisch veranlagt ist (übrigens alles Eigenschaften, die er mit Napoleon Bonaparte, dem französischen Nationalhelden gemeinsam hat). Allerdings beweist er immer wieder, dass er den westlichen Staatenlenkern taktisch und strategisch haushoch überlegen ist. Der Unterschied ist, dass er eine Vision und ein Ziel hat, das er ausdauernd verfolgt: Russland soll wieder eine Weltmacht sein und die Bedeutung bekommen, welche die Sowjetunion einst hatte. Gefürchtet und bärenstark. Dazu sind ihm alle Mittel recht und geschickt spaltet er den "Westen" (wer auch immer nun dazugehören mag) und setzt Propaganda zur Destabilisierung ein. Dem haben weder Europa noch die USA irgendetwas entgegenzusetzen, weil sie konfliktscheu und moralische Imperialisten sind, in deren Weltbild das alles nicht passt, selbst wenn die Fakten direkt vor ihren Nasen liegen. Dümmlich und kurzatmig sind sie zu einer Strategie der Selbstbewahrung nicht in der Lage, sondern sind nur vom linken Zeitgeist beseelt, bestimmte Segnungen in die Welt zu schreien und ihren Staatsvölkern aufzupressen. Der Westen soll rund 2 Billionen USD in Afghanistan versenkt haben und jeder, der es sehen wollte, musste erkennen, dass es ein hoffnungsloses Unterfangen ist, dort westliche Strukturen aufbauen zu wollen. Wen hat es schon gekümmert, dass Afghanistan einer der Hauptexporteure von Rauschgift war - auch unter der Herrschaft des Westens. Wie immer war Putin hier auch einen Schritt voraus: Aus der Vergangenheit lernen, sich zurücklehnen und den Gegnern beim Scheitern zusehen. Dabei aber auch schon einen Schritt weiterdenken, nämlich an die Terrorismusgefahr und damit die Sicherung der eigenen Grenzen. Nicht revolutionär, aber eben mehr als bspw. deutsche Politiker hinbekommen.

  • @Herr Franz Pfaff
    selbst aus atheistischer Sicht ist es unverständlich, warum die größte Gruppe, die weltweit religiös verfolgt wird, es sind die Christen, nicht eher aufgenommen werden in Europa-Deutschland, als radikale Muslime, von denen viele nicht lesen und schreiben können. Leute aufzunehmen, deren Ziel es ist, in Deutschland ein Kalifat zu schaffen ist ein (denken Sie sich selbst ein Schimpfwort dazu).

  • Ich habe den Sieg der Taliban stets vorhergesagt, aber ich kann darueber nicht klammheimlich laecheln. Meine Meinung fuer die naechsten 5 Jahre ist, dass die
    Taliban sich relativ gut verhalten, weil sie Anerkennung und Geld brauchen. Aber dann
    wird sich die Politik aendern und es wird Konvulsionen in Pakistan und womoeglich
    auch in den Golfstaaten und Arabien geben. Den boesen Iran sehe ich dabei als
    Stabilitaetsfaktor.

  • Man kann von Putin halten was man möchte, jedoch ist sein Weitblick schon beachtenswert.
    Bis Brüssel solche Überlegungen für den EU-Raum anstellt, wird es mal wieder zu spät und Europa ein Kalifat sein. - Lacht nur! Den wir, der Westen, haben zwar die Uhr, die Isalmisten jedoch die Zeit.
    Der österreichische Bundeskanzler Kurz spricht aus Erfahrung davon, dass Afghanen sehr schwer oder gar nicht zu integrieren sind. In dieselbe Richtung geht eine Analyse der WELT. Und trotzdem kommen, nicht nur die Ortskräfte, nach Deutschland. Ich werde eine Kerze in Lourdes anzünden, wenn Herr Seehofen kein Innenminister mehr ist, denn was hat er gegen die Christenverfolgung in der Welt getan: gar nichts.

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