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Sanna Marin Schnell und unbürokratisch: So hat die finnische Regierungschefin ihr Land bisher durch die Krise geführt

Sanna Marin überzeugt seit ihrer Amtsübernahme durch ihr Krisenmanagement. Ob sie auch eine strategisch denkende Politikerin ist, wird sich laut Experten noch zeigen müssen.
13.03.2021 - 16:02 Uhr Kommentieren
Die finnische Ministerpräsidentin führte ihr Land bislang gut durch die Krise. Quelle: dpa
Sanna Marin

Die finnische Ministerpräsidentin führte ihr Land bislang gut durch die Krise.

(Foto: dpa)

Stockholm Der Zeitpunkt ihrer Amtseinführung war denkbar ungünstig: Als Sanna Marin Anfang Dezember 2019 zur damals jüngsten Ministerpräsidentin der Welt gewählt wurde, war die Coronapandemie bereits in China ausgebrochen. Damals ahnte die Finnin noch nicht, dass sie wenige Wochen später vor ihre vermutlich größte politische Herausforderung gestellt werden würde. Die 35 Jahre alte Sozialdemokratin ist mit vielen Vorschusslorbeeren gestartet. Heute, 15 Monate später, hat sie sich erfolgreich behauptet.

Markku Lehmus, Statistikchef beim Wirtschaftsforschungsinstitut Etla, bescheinigt ihr gute Arbeit: „Marin hat das meiste richtig gemacht“, sagt er dem Handelsblatt. „Das vergangene Jahr hat wirklich ihre Führungsqualitäten gezeigt.“

Das war nicht selbstverständlich, führt sie doch eine Koalition von fünf Parteien an, die sich nicht immer einig sind. „Ihr ist es gelungen, die Koalition zusammenzuhalten“, urteilt Kimmo Grönlund, Politologie-Professor an der Åbo Akademi Universität in Turku.

Allerdings schränkt er auch ein: „Ihre bisherige Politik bestand nur aus Corona-Krisenmanagement.“ Ob die Regierungschefin auch eine strategisch denkende Politikerin ist, müsse sich noch zeigen. An Absichtserklärungen mangelt es auf jeden Fall nicht. Zusammen mit ihren Amtskolleginnen Kaja Kallas aus Estland, Mette Frederiksen aus Dänemark und Bundeskanzlerin Angela Merkel forderte Marin Anfang März die rasche Digitalisierung in der EU.

„Wir müssen den digitalen Binnenmarkt in all seinen Dimensionen stärken“, forderten die vier Regierungschefinnen in einem gemeinsamen Appell an Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Die Finanzierung von Zukunftsprojekten solle über den Wiederaufbaufonds zur Überwindung der Coronakrise geschehen.

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Auf die Coronakrise reagierte Marin auf jeden Fall schnell und unbürokratisch. Heute steht Finnland vergleichsweise gut da. Seit Ausbruch sind in dem 5,5 Millionen-Einwohner-Land 779 Menschen an oder mit Covid-19 gestorben. Zwar ist die 14-Tage-Inzidenz zuletzt wieder auf 150 gestiegen, doch ein beherztes Eingreifen hat eine noch schlimmere Entwicklung verhindern können.

Marin setzt auch unpopuläre Maßnahmen durch

Auch wirtschaftlich sind die Auswirkungen der Pandemie für das Land glimpflich verlaufen. Das Bruttoinlandsprodukt sank im vergangenen Jahr um 2,9 Prozent. „Das ist im Vergleich zur übrigen Euro-Zone, wo das BIP um 6,8 Prozent sank, relativ gering“, meint Lehmus. Für das laufende Jahr rechnet das Wirtschaftsinstitut Etla wieder mit einem Wachstum von rund 3,2 Prozent.

Marin schreckt in ihrer Covid-Politik auch nicht vor unpopulären Maßnahmen zurück. Ende vergangener Woche erklärte sie, dass auch ein vollständiger Lockdown mit einem Ausgangsverbot nicht auszuschließen sei. Ein Beschluss über die drastische Einschränkung der Bewegungsfreiheit ist noch nicht gefasst, doch zeigt das Beispiel, dass die Mitte-links-Koalition nichts dem Zufall überlassen will. „Sie greift hart durch, wenn es notwendig ist“, attestiert ihr Politologe Grönlund.

So beschloss ihre Regierung im vergangenen Jahr die Schließung der Hauptstadtregion. Niemand durfte nach und aus Helsinki ausreisen, da die Infektionszahlen in der Metropole stark angestiegen waren. Seit dieser Woche sind die Restaurants wieder geschlossen.

Außerdem ordnete Marin Grenzschließungen an. Trotz niedriger Infektions- und Todeszahlen untersagte die Regierung im Prinzip alle touristischen Reisen in das Land. Nur Reisende aus Ländern mit einer 14-Tage-Inzidenz von unter 25 pro 100.000 Einwohner dürfen einreisen. In Europa erreicht diesen Wert kein Land.

Es gibt durchaus Kritik an Marins Grenzschließungen: „Die dänische Ministerpräsidentin Mette Frederiksen und Sanna Marin machen mit ihren Grenzschließungen einen großen Fehler“, glaubt Politologe Grönlund. „Das widerspricht dem europäischen Gedanken. Außerdem wird es die Rechtspopulisten stärken.“

Die Koalitionsregierung konnte bisher in ihrer Anti-Covid-Politik politisch auch so früh und rigoros eingreifen, weil die rechtpopulistische Partei der Finnen (vormals Wahre Finnen), die stabil bei 18 bis 20 Prozent liegt, teilweise noch stärkere Restriktionen forderte. Die wünschten sich wohl auch viele Finnen, sagt Politologe Grönlund.

Finnland folgte mit seiner Strategie des schnellen Handelns mehreren asiatischen Ländern, die Erfahrungen mit Pandemien haben und deshalb schnell durchgriffen. Der Unterschied zum Nachbarland Schweden ist deutlich. Die Regierung in Helsinki schränkte beispielsweise die Reisemöglichkeiten im vergangenen Sommer für die eigenen Bürger stark ein.

Beliebtheitswerte sind stabil

All diese Maßnahmen und der hohe Standard der Digitalisierung im Bildungs- und Gesundheitssektor haben zu den im europäischen Vergleich niedrigen Infektions- und Todeszahlen geführt. Der Chef der finnischen Gesundheitsbehörde, Mika Salminen, sieht die Schließung von Schulen und ein Ein- und Ausreiseverbot „als einen der wichtigsten Faktoren“, warum Finnland so gut durch die Krise gekommen ist.

Die Popularität von Marin hat trotz der Restriktionen nicht gelitten. „Ihre Beliebtheitswerte sind relativ stabil“, sagt Etla-Ökonom Lehmus. Erreichte ihre sozialdemokratische Partei bei den Wahlen 17,7 Prozent der Stimmen, konnte die Parteivorsitzende Marin die Führung sogar noch auf 19,5 Prozent ausbauen, wie die neueste Meinungsumfrage des öffentlich-rechtlichen Senders YLE in der vergangenen Woche zeigte. „Zuletzt ist allerdings vor allem in den sozialen Medien Kritik an ihrem angeblich zu zögerlichen Handeln geäußert worden,“ so Lehmus.

Als belastend könnte sich der Anstieg der Arbeitslosigkeit auswirken. Sie ist von 6,7 Prozent 2019 auf 7,8 Prozent im vergangenen Jahr gestiegen. „Und in diesen Zahlen sind die beurlaubten Arbeitnehmer nicht enthalten“, sagt Ökonom Lehmus.

Vonseiten der Wirtschaft gab es bislang nur sehr verhaltene Kritik am Kurs der Regierung. Das liegt nach Meinung von Lehmus auch an den wirtschaftlichen Hilfen für Unternehmen, die von den Restriktionen besonders betroffen sind. Die Regierung habe schnell gehandelt und betroffenen Unternehmen zügige Hilfe gewährt. Auf einer Skala von 0 bis 10 erreichte die Regierung Marin bei einer Umfrage von über 1000 finnischen Unternehmen eine 7.

Grönlund von der Universität in Turku mahnt jedoch. „Wenn man nur auf die Todeszahlen blickt, ist Finnland gut durch die Krise gekommen. Aber wir müssen auch auf die Folgekosten der Pandemie schauen. In fünf Jahren werden wir vermutlich mehr über die wirtschaftlichen Folgen, über soziale Probleme, Alkoholkonsum und häusliche Gewalt wissen“, sagt der Politologe. Aber er bescheinigt Regierungschefin Marin ebenfalls, dass sie in der Coronakrise mit ihrer pragmatischen Art bisher gute Arbeit geleistet habe.

Mehr: „Gravierende Defizite“: Digital-Appell der Regierungschefinnen stößt auf Unterstützung – und Kritik.

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