Sanna Marin Wie Finnlands Regierungschefin im Parlament für den Wiederaufbaufonds kämpft

Die Haushaltsverhandlungen waren für Finnlands Regierungschefin die erste richtige Bewährungsprobe.
Stockholm Es waren die wohl aufregendsten Tage in ihrer politischen Karriere. Als Finnlands sozialdemokratische Regierungschefin Sanna Marin am Mittwochmittag vor die Kameras trat, lagen hinter ihr acht Tage, zum Teil Nächte, in denen sie mit ihren vier Koalitionspartnern um den Haushaltsrahmen für die kommenden Jahre gestritten hatte.
Und damit nicht genug: Während des Verhandlungsmarathons entschied der Verfassungsausschuss, dass für die Annahme des 750 Milliarden schweren EU-Hilfsfonds eine Zweidrittelmehrheit und nicht die einfache Mehrheit im Parlament notwendig ist. Damit könnte der Wiederaufbaufonds der EU gefährdet sein, denn die gemeinsame Schuldenaufnahme der EU muss in allen Mitgliedsländern ratifiziert werden. Also genug Aufregungspotenzial für Marin.
Im Parlament kommt ihre Mitte-Links-Regierung auf 117 der 200 Sitze. Damit ist die Regierung von Sanna Marin auf Stimmen der Opposition angewiesen. Die Hoffnungen ruhen nun auf der konservativen Sammlungspartei, die mit 38 Abgeordneten im Parlament vertreten ist und allgemein als EU-freundlich gilt.
Marin wollte sich am Mittwoch nicht zu der Entscheidung des Verfassungsausschusses äußern. Man darf aber davon ausgehen, dass sie direkt nach den Regierungsverhandlungen intensive Gespräche mit allen Abgeordneten führen wird. Wann über das Milliardenpaket abgestimmt wird, ist noch nicht klar.
Bei den schwierigen Koalitionsverhandlungen ging es nicht um den Wiederaufbaufonds der EU. Vielmehr spielten die finanziellen Hilfen für finnische Unternehmen für die Zeit nach Corona die Hauptrolle. Marins Sozialdemokraten und die Grünen wollten rund 500 Millionen Euro zum Neustart bereitstellen. Der Koalitionspartner von der Zentrumspartei möchte hingegen die zusätzlichen Mittel auf maximal 200 Millionen Euro begrenzen.
„Wir haben einen Kompromiss in vielen Fragen erreicht“, erklärte Marin am Mittwochmittag. Um welche Kompromisse es sich handelt, wollten die Parteivorsitzenden der Koalition noch nicht sagen, da noch einige kleinere Fragen zu lösen sind. Marin ließ sich nur so viel entlocken: „Wir wollen Wachstum fördern, die Beschäftigungsquote erhöhen und die öffentlichen Finanzen stärken.“
Auch schwierigste Situationen kann sie bewältigen
Für die 35-jährige Sanna Marin war es die erste richtige Bewährungsprobe. Als sie vor knapp zwei Jahren zur damals jüngsten Regierungschefin der Welt gewählt wurde, bemängelten ihre Kritiker sogleich, dass sie für ein so verantwortungsvolles Amt viel zu jung sei. Es fehle ihr schlicht die Erfahrung. Nun hat die Mutter einer dreijährigen Tochter bewiesen, dass sie durchaus in der Lage ist, auch schwierigste Situation zu bewältigen. Unterstützung bekommt sie von ihrem Mann, der sich maßgeblich um die kleine Tochter kümmert.
Marin wuchs in einer gleichgeschlechtlichen Ehe auf. In der Schule habe sie niemandem erzählt, dass sie mit zwei Frauen aufwuchs. Aber die damals ungewöhnliche Familiensituation habe sie stark gemacht, erzählte sie später. In der aktuellen Koalitionskrise konnte sie das erneut beweisen. Und sie wird alles daransetzen, dass auch der EU-Wiederaufbaufonds nicht am Nein Finnlands scheitern wird.
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