Scholz bei Macron SPD-Kanzlerkandidat bleibt vage bei möglicher Reform der EU-Schuldenregeln

„Freundschaftlicher Austausch“ drei Wochen vor der Bundestagswahl.
Paris Zumindest auf den Bildern konnte sich Olaf Scholz als Staatsmann präsentieren: Bei seinem Besuch am Montag in Paris schreitet der SPD-Kanzlerkandidat vorbei an Soldaten der republikanischen Garde in den Élysée-Palast, sitzt dort gemeinsam mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron auf schweren Ledermöbeln vor goldverzierten Wänden.
Einen gemeinsamen Auftritt mit Macron vor der Presse gab es allerdings nicht, denn aus protokollarischer Sicht ist der Gast aus Deutschland bislang nur Bundesminister. Also sprach Scholz auf der Dachterrasse der deutschen Botschaft in die Mikrofone, als Kulisse dahinter der Eiffelturm.
Überraschende Akzente setzte Scholz in seinem Statement nicht. Deutschland und Frankreich würden eine wichtige Rolle für eine „europäische Souveränität“ in der Welt spielen, sagte er. Die Zusammenarbeit beider Länder sei bei der europäischen Antwort auf die Coronakrise zentral gewesen. Auch beim Klimaschutz müssten Berlin und Paris eng zusammenarbeiten.
Der SPD-Kandidat war offiziell als deutscher Finanzminister ins Nachbarland gereist, doch sein Besuch stand unter dem Eindruck der Bundestagswahl in drei Wochen. Aus dem Scholz-Lager hieß es, im „sehr freundschaftlichen“ Gespräch mit Macron sei natürlich auch die Frage gestreift worden, „wie sich die Dinge in Deutschland so entwickeln“.
Die Frage, ob er eine Koalition mit der Partei Die Linke eingehen würde, verfolgte Scholz auch in Paris. Die Antwort fiel nicht anders aus als in Berlin: Scholz formulierte sicherheits- und außenpolitische Bedingungen für ein Regierungsbündnis.
Die Nato und eine gute transatlantische Kooperation seien zentral, sagte er. „Jeder, der in Deutschland Regierungsverantwortung anstrebt, muss das für sich klar haben.“
Außerdem müsse sich Deutschland als bevölkerungsreichstes Land und stärkste Wirtschaftskraft in der EU auch sicherheitspolitisch engagieren. „Wir können nicht an der Seite stehen und Kommentare zum politischen Geschehen vergeben“, sagte Scholz.
Vertrauteste Größe für die Franzosen
Wer in Paris mit Kennern der deutsch-französischen Beziehungen spricht, der hört, dass Scholz die vertrauteste Größe unter den drei Kanzlerkandidaten im deutschen Wahlkampf sei. Von einem SPD-Kanzler erwartet man sich in Frankreich auch mehr Verständnis für einen flexibleren Umgang mit den Schuldenregeln in der EU. Es wird spekuliert, dass Macron nach der Bundestagswahl einen Vorstoß für eine Reform der Maastricht-Kriterien unternehmen könnte.
Während der Pandemie ist die Staatsverschuldung in Frankreich auf fast 120 Prozent des Bruttoinlandsprodukts angestiegen – doppelt so viel, wie für einen Euro-Staat eigentlich erlaubt sind. Die Konsolidierung der öffentlichen Finanzen, so lautet die in Paris weitverbreitete Haltung, dürfe in den kommenden Jahren nicht auf Kosten von Investitionen in Digitalisierung und Klimaschutz durchgedrückt werden.

Olaf Scholz mit Soldat der republikanischen Garde
Scholz sagte nach dem Treffen mit Macron ausweichend: In der Pandemie habe man gesehen, dass die europäischen Regeln bereits „sehr große Flexibilität“ ermöglichen würden. Als Beispiel nannte der Minister den EU-Wiederaufbaufonds, bei dem die Mitgliedstaaten gemeinsam Schulden aufnehmen.
Während der Verhandlungen zum Wiederaufbaufonds hatte der Bundesfinanzminister mehrfach mit Macron telefoniert. Das Lager des SPD-Kanzlerkandidaten weist auch darauf hin, dass sich Scholz und Macron schon seit einiger Zeit kennen. Die Treffen würden in die Zeit zurückgehen, als Scholz noch Hamburger Bürgermeister und Macron in der Regierung des früheren französischen Präsidenten François Hollande war.
Am Mittwoch empfängt Macron den Kanzlerkandidaten der Union, Armin Laschet (CDU). Die Kandidatin der Grünen, Annalena Baerbock, reist nicht nach Paris. Die Erklärung der Grünen: Baerbock wolle drei Wochen vor der Wahl „so viel Zeit wie möglich für den Austausch mit den Bürgerinnen und Bürgern in unserem Land nutzen, statt für ein Foto nach Paris zu fahren“.
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