Schweiz wählt neues Parlament: Rechtes Lager laut Umfragen vorn
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Schweiz wählt neues ParlamentRechtes Lager laut Umfragen vorn
Die Flüchtlingskrise bestimmt auch den Wahlkampf in der Schweiz. Vor den Parlamentswahlen am Sonntag liegt die nationalkonservative Volkspartei (SVP) in Umfragen vorn. Wer am Ende regiert, ist trotzdem offen.
17.10.2015 - 13:12 Uhr
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Rechte vorn
Wie schon bei der letzten Wahl scheint die SVP stärkste Kraft zu werden.
Bern Mehr als fünf Millionen stimmberechtigte Schweizer sind an diesem Sonntag aufgerufen, ein neues Parlament zu wählen. Nach einem Wahlkampf, der stark von der Flüchtlingskrise und den Differenzen zwischen der Eidgenossenschaft und der EU bestimmt war, wird Umfragen zufolge die nationalkonservative Schweizerische Volkspartei (SVP) erneut stärkste politische Kraft.
Meinungsforscher des Instituts gfs.bern trauen der SVP im Vergleich zu den Parlamentswahlen 2011 einen Zuwachs um etwa eineinhalb Prozentpunkte auf knapp 28 Prozent der Wählerstimmen zu. Die SVP hatte unter dem Slogan „Frei bleiben!“ erklärt, sie garantiere als einzige Partei, dass die Zuwanderung von Ausländern begrenzt, Missbräuche im Asylwesen beseitigt und ein angeblich drohender „Anschluss“ an die EU verhindert werde.
Einen Zuwachs um ebenfalls rund 1,5 Prozentpunkte haben Demoskopen für die wirtschaftsnahe rechtsliberale FDP vorausgesagt. Sie würde demnach auf 16,7 Prozent kommen.
Die Schweizer Wirtschaft, Deutschland und die EU
Zwischen der Schweiz und der EU besteht ein reger Warenaustausch. Die Schweiz exportierte 2013 nach Angaben des Bundeswirtschaftsministeriums (BMWI) Waren im Wert von rund 90 Milliarden Euro (54,9 Prozent der Ausfuhren) in die Mitgliedstaaten der Europäischen Union.
Importiert wurden aus den Mitgliedstaaten der EU Waren im Wert von rund 108 Milliarden Euro (74,4 Prozent der gesamten Einfuhren).
Die Schweiz ist viertwichtigster Handelspartner der EU nach USA, China und Russland. Exportiert werden Pharmazeutika, Industriemaschinen, Präzisionsinstrumente, Uhren.
Deutschland ist laut BMWI Zielland für rund ein Drittel der schweizerischen Exporte. Knapp ein Fünftel der schweizerischen Importe stammen aus Deutschland. Deutschland ist somit der mit Abstand wichtigste Wirtschaftspartner der Schweiz.
Aber auch für Deutschland sind die Handelsbeziehungen zur Schweiz von „enormer“ Bedeutung, schreibt das BMWI auf seiner Webseite. Die Schweiz nimmt demnach in der Rangliste der wichtigsten deutschen Handelspartner den 8. Rang sowohl bei den Exporten als auch bei den Importen ein.
2012 hatte die vergleichsweise kleine Schweiz (acht Millionen Einwohner) wertmäßig mehr deutsche Produkte eingeführt als beispielsweise Russland (142 Millionen Einwohner), Japan (127 Millionen Einwohner) oder Polen (38 Millionen Einwohner).
290.000 Deutsche leben und arbeiten laut BMWI in der Schweiz. Deutsche bilden damit nur noch knapp nach Italienern (15,9 Prozent) die zweitstärkste Ausländergruppe (15,2 Prozent).
Als zweitstärkste politische Kraft dürfte jedoch laut gfs.bern erneut die Sozialdemokratische Partei der Schweiz (SP) aus den Wahlen hervorgehen. Sie hatte 2011 18,7 Prozent der Stimmen bekommen. Ihr wird nun ein Zuwachs auf 19,2 Prozent zugetraut. Die SP tritt für eine engere Zusammenarbeit mit der EU und für eine gemäßigte Reform der Asylpolitik ein.
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Die Zugewinne von Nationalkonservativen und Rechtsliberalen würden laut Umfragen zulasten der Christdemokraten (CVP) und kleinerer Parteien in der politischen Mitte gehen, darunter die Grünliberale Partei (GLP) und die Bürgerlich-Demokratische Partei (BDP). Daher war in Schweizer Medien von einem zu erwartenden „Rechtsrutsch“ die Rede.
Welche konkreten Folgen das Wahlergebnis für die Bildung der nächsten Regierung – des Bundesrates der Eidgenossenschaft – hat, wird sich aber erst am 9. Dezember zeigen. Dann entscheidet das Parlament in mehreren Wahlgängen über die Vergabe der sieben Ministerposten.
Der Ausländeranteil in den Schweizer Nachbarländern
Gut 34 Millionen Migranten leben in der EU (ohne Kroatien) - die Quote liegt bei 6,8 Prozent. Rund zwei von fünf Ausländern sind EU-Bürger, die in einem anderen Mitgliedstaat leben. Die anderen kommen aus Nicht-EU-Staaten. Luxemburg ist Quoten-Spitzenreiter: Dort sind rund 44 Prozent Einwanderer - gefolgt von Zypern mit 20 Prozent.
Mit einem Ausländeranteil von rund 9 Prozent (7,2 Millionen) liegt Deutschland EU-weit im oberen Mittelfeld. Die meisten Einwanderer kommen aus der Türkei (1,6 Millionen), Polen und Italien (je rund 530 000).
Von den rund 8,5 Millionen Einwohnern ist jeder neunte ein Ausländer (11,6 Prozent). Sie kommen vorrangig aus Deutschland (158 000), der Türkei (114 000) und Serbien (111 000).
Die Ausländerquote liegt bei rund 6 Prozent. Vier von zehn Migranten stammen aus Afrika, fast ebenso viele aus der EU - meist aus Portugal (495 000; Stand 2010).
Das Land hat einen Ausländeranteil von knapp 8 Prozent. Die Hälfte davon kommt aus Osteuropa - am häufigsten aus Rumänien (888 000) und Albanien (467 000; Stand 2010).
Jeder dritte der rund 37 000 Einwohner ist kein Liechtensteiner. Die Einwanderer kommen zu gleichen Teilen aus EU- und Nicht-EU-Staaten - die meisten aus der Schweiz (rund 3600).
Die Regierung in Bern setzt sich nach den Grundsätzen der Schweizer Konkordanzdemokratie aus Vertretern mehrerer der wählerstärksten Parteien zusammen. „Der Bundesrat entscheidet als Kollegium“, schreibt die Verfassung vor. Einen Regierungschef mit Richtlinienkompetenz gibt es nicht. Die Arbeit des Kabinetts wird im jährlichen Wechsel von einem Minister oder einer Ministerin koordiniert, die jeweils nur „Erste unter Gleichen“ sind.
Derzeit sind im Bundesrat fünf Parteien vertreten: Mit je zwei Ministern die Sozialdemokraten und die FDP sowie mit je einem die Christdemokraten, die SVP und die 2008 von ihr abgespaltene BDP. Die SVP will diesmal zwei Ministerposten beanspruchen. Sollten die Abgeordneten ihr dies nicht gewähren, könnte die Partei auch entscheiden, in die Opposition zu gehen und die Durchsetzung ihrer Ziele allein im Rahmen der direkten Demokratie durch Volksentscheide anzustreben.