Korea will Weltmarktführer für Akkus und Chips werden - 100 Milliarden Euro Investition
Benachrichtigung aktivierenDürfen wir Sie in Ihrem Browser über die wichtigsten Nachrichten des Handelsblatts informieren? Sie erhalten 2-5 Meldungen pro Tag.
Fast geschafftErlauben Sie handelsblatt.com Ihnen Benachrichtigungen zu schicken. Dies können Sie in der Meldung Ihres Browsers bestätigen.
Benachrichtigungen erfolgreich aktiviertWir halten Sie ab sofort über die wichtigsten Nachrichten des Handelsblatts auf dem Laufenden. Sie erhalten 2-5 Meldungen pro Tag.
Jetzt Aktivieren
Nein, danke
Anzeige
Serie: Das bessere Wachstum Koreas New Deal zeigt, wie Staat und Konzerne Zukunftsbranchen konzertiert besetzen wollen
Mit mehr als 100 Milliarden Euro an Investitionen will die Regierung das Land zum Weltmarktführer bei Akkus und Chips aufbauen. Es geht um noch mehr als Innovations- und Wachstumspolitik.
Südkoreas Präsident Moon bei einem Treffen Konzernchefs in Seoul
Großunternehmen wie Samsung, SK, Hyundai und LG sollen mit Milliardeninvestitionen Teil des New Deal sein.
Tokio Südkoreas Präsident Moon Jae-in hat den Ort für Koreas Angriff auf den Autoakku-Markt mit Sinn für Symbolik ausgesucht. Seine K-Battery-Strategie stellt er Anfang Juli in der größten Fabrik des Batterieherstellers LG Energy Solutions vor. „Unser Land will bis 2030 ein globales Kraftzentrum der Batterieproduktion werden“, verspricht Moon den Vertretern von Südkoreas Batterieindustrie im Publikum.
40 Billionen Won (rund 30 Milliarden Euro) will der Staat in die heimische Batterieindustrie investieren, davon die Hälfte als Zuschüsse für neue Werke. Und Südkoreas Industrie zieht mit. Gastgeber LG Chem, dem LG Energy Solutions gehört, kündigt zur Feier des Tages an, 15,1 Billionen Won in den Aufbau eines Batterie-Hubs zu investieren.
Die Chefs der lokalen Akkurivalen Samsung SDI und SK Innovation applaudieren. Es wird erwartet, dass sie mit ähnlichen Investitionen nachziehen. Denn die K-Battery-Initiative ist Teil eines noch ambitionierteren Entwicklungsplans, des „Korean New Deals“.
Das historische Vorbild hatte die USA aus der Weltwirtschaftskrise vor dem Zweiten Weltkrieg geführt – zu neuen Höhen. Moon will die Coronakrise „in eine Gelegenheit“ verwandeln, um die zehntgrößte Volkswirtschaft in der Nach-Corona-Welt zum Weltmarktführer bei Akkus, Chips, Mobiltechnik und Umwelttechnologien aufzubauen. „Mit innovativen Risikofirmen und Start-ups als Hauptantriebskräfte wird Korea zu einem ‚digitalen Powerhouse‘ aufsteigen, das die Welt anführt“, so seine Vision.
Das Programm findet international Beachtung. Moon stellt immerhin insgesamt Investitionen in Höhe von 160 Billionen Won (117 Milliarden Euro) in Aussicht, acht Prozent von Südkoreas Bruttoinlandsprodukt. Allein bis 2025 sollen 900.000 Jobs geschaffen werden. Und der Präsident läutete damit eine industriepolitische Wende ein.
Der New Deal stelle nach Jahren kurzfristiger Konjunkturprogramme „den Wechsel in eine positive politische Richtung hin zu langfristigen Investitionsprojekten dar“, sagt Kathleen Oh, Korea-Volkswirtin der Bank of America. Und Randall Jones, der Chef des Japan/Korea Desks bei der OECD, sieht im New Deal des Landes „ein starkes Fundament für die Nach-Covid-19-Welt“.
Das Besondere ist, dass die Regierung nicht allein auf die Macht des Staats vertraut. „Die koreanische Version des New Deals zeichnet sich dadurch aus, dass sie von der Regierung geführt wird, aber private Investitionen fördert“, erklärt das Korea Institute of Economic Research in einer Analyse. Die Großkonzerne stehen national in der Pflicht, mit Investitionen in Fabriken und Start-ups zu helfen.
Die deutsche Wirtschaft, die schon jetzt mehr nach Südkorea als ins größere Japan exportiert, hofft, von der Strategie profitieren zu können. „Da könnten sich Chancen für Kooperationen bieten,“ meint Martin Henkelmann, der Chef der deutschen Auslandshandelskammer in Korea. Deutschland und Korea hätten starke Industriebereiche, die teilweise konkurrierten, sich aber auch oft ergänzten. „Es ist faszinierend wie die Koreanerinnen und Koreaner die Zukunft willkommen heißen und neue Technologien annehmen.“
Forschungsriese Korea: Ein Land will sein Wirtschaftswunder wiederholen
Die enge Kooperation zwischen Staat und den Familienkonglomeraten des Landes hat schon Südkoreas Aufstieg von einem armen Bauernstaat zu einer Industrienation innerhalb einer Generation ermöglicht. „Dabei haben systematische Investitionen in Forschung und Entwicklung das Land von einem Nachzügler in einen Innovationsführer verwandelt“, sagt Anders Karlsson, Ostasien-Experte beim globalen Forschungsanalytiker Elsevier.
Laut einer Elsevier-Studie machten die Forschungs- und Entwicklungsausgaben von Staat und Konzernen zwischen 2015 und 2019 4,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts aus. Ein hoher Wert, übertroffen nur vom kleinen Israel. In Japan und Deutschland lag der Wert bei knapp über drei Prozent.
Südkorea hat schon jetzt Batterie- und Displayhersteller von Weltrang. Die Chiphersteller Samsung Electronic und SK Hynix dominieren den Weltmarkt für Speicherchips, Samsung ist zudem Weltmarktführer bei Smartphones. Autobauer Hyundai ist einer der Technologieführer bei Brennstoffzellautos. Zudem ist Südkorea Pionier bei den superschnellen 5G-Mobilnetzen und hat schon die ersten Schritte zu 6G-Netzen getestet.
Das Land hat auch eine sehr aktive heimische Internetwirtschaft. Naver dominiert statt Google die Internet- und Kartensuche. Der Chat-App-Riese Kakao hält die globalen Riesen fern, während Amazon wegen großer heimischer Lieferrivalen wie Coupang den Markt meidet. Auch die Start-up-Szene boomt.
Doch will Korea mehr. In der Vergangenheit flossen die Gelder oft in angewandte Forschung, berichtet Karlsson. „Aber das Land verschiebt die Investitionen immer mehr zur Grundlagenforschung, die die Saat für neue Technologien darstellt.“ Und der New Deal wird nun zum industriepolitischen Doping.
Korean New Deal: Eine stabilere und ausgeglichenere Wirtschaftsstruktur schaffen
Es geht beim koreanischen New Deal um weit mehr als reine Wachstumspolitik. Südkoreas Präsident Moon will durch die Eroberung von Weltmarktanteilen in den neuen digitalen Boombranchen die wachsende Schere zwischen Arm und Reich, starken Großkonzernen und technologisch schwachem Mittelstand überwinden, um eine „inklusive“ Gesellschaft zu schaffen.
„Wir werden keine Mühen scheuen, Start-ups zu unterstützen, damit sie sich zu ‚internationalen Einhorn-Unternehmen‘ entwickeln können“, verspricht deshalb das Ministerium für Wissenschaft und Informations- und Kommunikationstechnologie. Mit Betonung von Umwelt und Digitalisierung sowie regionaler Entwicklung weist der koreanische New Deal Parallelen zum europäischen Wiederaufbaufonds auf. Die wichtigsten Bereiche sind Akkus, Chips und Künstliche Intelligenz.
Data Dam & Co.: Koreas Weltmachtfantasien bei Akkus, Chips und Künstlicher Intelligenz
In der Akku-Welt kämpft LG Chemical schon seit Jahren mit chinesischen und japanischen Rivalen um die Weltmarktführung. Auch die anderen lokalen Batteriehersteller wollen vom Boom durch die Elektroautooffensiven der Autobauer profitieren. „Der weltweite Batteriemarkt hat sich in den letzten fünf Jahren verdoppelt“, sagte Moon im Juli. „Es wird erwartet, dass der Markt bis 2025 den Markt für Speicherchips übertreffen wird.“
Bis 2030 rechnet die Regierung mit einem Umsatzvolumen von 350 Milliarden US-Dollar - und hofft, dass koreanische Hersteller 40 Prozent ausmachen. Entsprechend engagiert gehen die koreanischen Hersteller nun intern und auf dem Weltmarkt auf Partnersuche. LG Energy Solution und SK Innovation haben bereits angekündigt, insgesamt 14 Milliarden Dollar in die Batterieherstellung in den USA zu investieren. In Korea werden Bünde mit Hyundai geschlossen.
In der Chipindustrie sind die Ziele ähnlich ambitioniert mit dem K-Halbleiter-Plan. Gejagt von globalen Rivalen wollen Samsung und SK Hynix ihre Gewinne aus der Speicherchipherstellung nutzen, um die Auftragsproduktion von Chips (Foundries) und die Entwicklung von Systemchips auszubauen. Der Staat will ihnen nun helfen, dem bisher größten Anbieter im Foundry-Markt, TSMC aus Taiwan, sowie dem Wettbewerber Intel aus den USA Marktanteile abzunehmen. Die Regierung hofft, bis 2030 Südkoreas Chipexporte auf 200 Milliarden Dollar zu verdoppeln.
Darüber hinaus setzt die Regierung massiv auf die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle im Bereich der Künstlichen Intelligenz. Als kleines Land mit nur 51 Millionen Einwohnern ist Südkorea gegenüber Riesen wie China oder den USA im Nachteil, denn gute Ergebnisse werden derzeit erreicht, wenn die Künstliche Intelligenz aus riesigen Datenmengen lernen kann. Das wichtigste Projekt für den Aufbau des „digitalen Kraftwerks“ ist deshalb der „Data Dam“, der Datenstaudamm.
Die Regierung will eine nationale Architektur aufbauen, die die im öffentlichen und privaten Sektor generierten Daten sammelt, standardisiert und dann Wissenschaft und Wirtschaft zur Auswertung durch KI zur Verfügung stellt. So sollen in Verknüpfung mit Koreas Internetwirtschaft neue Geschäftsideen geboren und die Produktivität und die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen verbessert werden.
Zwischen Risiko und großer Hoffnung
Der Erfolg des New Deals ist aber keineswegs garantiert. Volkswirtin Oh weist darauf hin, dass bisher Details über die Investitionsförderung privater Unternehmen sowie die versprochene Schaffung neuer gesetzlicher Regeln für die neuen Industrien fehlen. Außerdem sorgt sie sich, ob der Staat die versprochenen Investitionen auch bei steigender Schuldenlast weiter tätigt.
Auch geopolitische Entwicklungen könnten Südkoreas Ambitionen bremsen. Der Technikkrieg zwischen Südkoreas Schutzmacht USA und dem größten Markt China könnte Koreas Exporte einschränken. Vor allem aber ist Korea nicht konkurrenzlos mit seiner Strategie. Nicht nur der Nachbar China versucht, genau die gleichen Branchen zu beherrschen.
Serie: Das bessere Wachstum
Weltweit wollen Staaten ihre Wirtschaft nach der Corona-Pandemie digitaler und grüner, widerstandsfähiger und gerechter gestalten. Beispiellose staatliche Investitionen sollen dies ermöglichen. Das Ringen um ein besseres Wirtschaftswachstum wird dieses Jahrzehnt prägen. Das Handelsblatt zeigt, mit welchen Ideen Länder ihr Wachstum verbessern wollen – und was Deutschland inspirieren könnte.
Weltweit wollen Staaten ihre Wirtschaft nach der Pandemie mit Rekordinvestitionen transformieren. Das Handelsblatt zeigt, wie Länder ihr Wachstum verbessern wollen.
US-Präsident Biden strebt nach dem Rekordaufschwung nur noch ein bescheidenes Wachstum an, dafür aber mehr Gerechtigkeit. Kann der Paradigmenwechsel gelingen?
Frankreich setzt beim Wachstum nach der Coronakrise auf Start-ups aus dem Technologiesektor. Sein Modell will Präsident Macron auf die ganze EU übertragen.
Auch die industriepolitischen Vorstöße der Europäischen Union (EU) gehen in eine ähnliche Richtung. So werden die neuen Wiederverwertungsvorschriften für Autoakkus der EU nicht nur in Korea, sondern auch in Japan und China als gezielter Angriff auf die dortigen Batterieproduzenten gesehen. Denn sie würden den Bau von Akkufabriken und Lieferketten in der EU erzwingen.
Aber viele Experten geben dem New Deal durchaus Erfolgschancen, zumal Südkorea relativ glimpflich durch die Coronakrise kam. Für 2021 erwartet das Land vier Prozent Wachstum. Die hohen Investitionen in die neuen Infrastrukturen würden die Wertschöpfung steigern, meint Oh. Und mehr struktureller Wandel hin zu einer stärker digitalisierten und auf niedrige CO2-Emissionen ausgerichteten Wirtschaft dürfte dem New Deal folgen, glaubt sie.
Kammerchef Henkelmann ist ebenfalls optimistisch: „Wenn sich Korea etwas auf die Fahnen geschrieben hat, ziehen regelmäßig alle mit.“
Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.