So funktioniert das griechische Wahlsystem: Mit Bonus-Stimmen zur absoluten Mehrheit
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So funktioniert das griechische WahlsystemMit Bonus-Stimmen zur absoluten Mehrheit
Alexis Tsipras hat viele Syriza-Abgeordnete nicht mehr hinter sich. Er möchte Neuwahlen und dann die absolute Mehrheit erringen. Eine Besonderheit des griechischen Wahlsystems könnte ihm dabei helfen.
Athen Griechenland steht vor Neuwahlen. Ministerpräsident Alexis Tsipras ist in der Erwartung zurückgetreten, aus einer neuen Abstimmung gestärkt hervorgehen. Zunächst muss Staatspräsident Prokopis Pavlopoulos nun die Vorsitzenden der zwei nach Syriza größten Parteien mit der Regierungsbildung beauftragen. Dass diese gelingt, ist angesichts der Mehrheitsverhältnisse im Parlament aber unwahrscheinlich. So steht die Neuwahl vermutlich am 20. September an.
Wahlberechtigt sind etwa 9,8 Millionen Griechen über 18 Jahre. Sie haben nur eine Stimme. Eine Partei braucht mindestens drei Prozent der Stimmen, um ins Parlament einzuziehen. Derzeit sind dort sieben Parteien vertreten, die die 300 Sitze füllen. Gewählt wird nach von den Parteien aufgestellten Listen, die sich wiederum auf Wahlkreise beziehen. 58 Abgeordnete kommen aus Athen, wo die Hälfte der Wähler wohnen.
Aus der letzten Wahl war Syriza als stärkste Fraktion mit 149 Abgeordneten hervorgegangen, die damit knapp weniger als die absolute Mehrheit von 151 Mandaten hat. Sie koaliert mit den rechtsgerichteten „Unabhängigen Griechen“.
Das sind Griechenlands Parteien
Die konservative Partei Nea Dimokratia (ND) mit 27,8 Prozent und 76 Abgeordneten.
Das Bündnis der radikalen Linken (Syriza). Die Partei hatte bei den letzten Wahlen im Januar 36,4 Prozent und 149 Abgeordnete im Parlament mit 300 Sitzen erhalten. Nach ihrer Spaltung am Freitag hat die Syriza nur noch 124 Abgeordnete.
Die neue Fraktion Volkseinheit (LAE) mit 25 Abgeordneten. Diese Angeordneten waren bislang in der Syriza und spalteten sich aus Protest gegen die Sparpolitik ab.
Die rechtsradikale Partei Goldene Morgenröte mit 6,3 Prozent und 17 Abgeordneten.
Die Partei der politischen Mitte To Potami mit sechs Prozent und ebenfalls 17 Abgeordneten.
Die Kommunisten (KKE) mit 5,5 Prozent und 15 Abgeordneten.
Die rechtspopulistische Partei der unabhängigen Griechen (Anel) mit 4,8 Prozent und 13 Abgeordneten.
Die Sozialisten (Pasok) kommen auf 4,7 Prozent und 13 Abgeordnete.
Das Ziel von Tsipras dürfte es sein, diesmal die absolute Mehrheit zu erringen. Inzwischen haben sich 25 Abgeordnete des radikal-linken Flügels von der Syriza abgespalten und die Gründung einer eigenen Partei angekündigt. Etwa ein Drittel der Abgeordneten hatte ihm bei der Abstimmung über die Reformpakete nicht mehr unterstützt. Die Neuwahl bietet dem nach wie vor populären Tsipras so aber auch die Chance, sich künftig auf zuverlässigere Gefolgsleute zu stützen.
Dabei könnte der Syriza-Partei eine Besonderheit des Wahlsystems helfen: Die stärkste Partei bekommt zusätzlich 50 Bonus-Mandate, ohne dass sich an der Gesamtzahl der 300 Sitze etwas ändert. Umgerechnet heißt dies, dass für die absolute Mehrheit der Mandate etwas über 40 Prozent der Wählerstimmen reichen. Allerdings kann es auch weniger sein. Das hängt davon ab, wie viele Parteien an der Drei-Prozent-Hürde scheitern und deren Stimmen dann nicht zählen.
Ein Beispiel: Wenn fünf Prozent der abgegebenen Stimmen auf diese Weise verloren gehen, würden Syriza schon um die 38 Prozent für die absolute Mehrheit reichen. Nach einer Juli-Umfrage konnte Syriza mit rund 34 Prozent der Stimmen rechnen. Dafür müssten die „Sonstigen“ allerdings gut 15 Prozent der Wähler auf sich vereinigen.
Sollte bei der Wahl keine Partei die absolute Mehrheit der Sitze erreichen, wird Präsident Pavlopoulas dem Vorsitzenden der stärksten Fraktion den Auftrag zur Regierungsbildung geben. Dieser muss dann einen Koalitionspartner oder Zustimmung für eine Minderheitsregierung finden. Scheitert dies, wird der Auftrag an die zweitstärkste und danach an die drittstärkste Fraktion gegeben.
Kommt es immer noch zu keiner Regierung, ruft der Präsident die Parteichefs zu einem letzten Einigungsversuch zusammen. Scheitert auch dies, benennt der Präsident eine Übergangsregierung für die Zeit bis zu Neuwahlen. Das war zuletzt 2012 der Fall: Nach der vorgezogenen Wahl im Mai misslang die Regierungsbildung – sie gelang erst nach einer zweiten Wahl sechs Wochen später.
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