Spanien Spanische Konservative bieten Sozialisten Koalition an – wenn sie die Linkspopulisten fallen lassen

Der Sozialistenchef in Spanien ringt um einen Koalitionspartner.
Madrid Das vorläufige Koalitionsabkommen von Sozialisten und Linkspopulisten sorgt in Spanien für Unruhe. Der Grund ist zum einen die Regierungsbeteiligung der Linkspopulisten von Unidas Podemos. Die Partei ist aus der Bewegung der Krisenverlierer hervorgegangen und setzt sich für eine grundlegende Umverteilung des Wohlstands ein. Zum anderen bräuchte dieses Bündnis für eine Mehrheit wahrscheinlich die Unterstützung der katalanischen Separatisten. Das aber ist nach deren jüngsten und teils gewalttätigen Protesten in Barcelona politisch extrem heikel.
Diese Gemengelage bringt die konservative Partido Popular (PP) nun dazu, einen ungewöhnlichen Vorschlag zu machen: Sie bietet der sozialistischen Partei PSOE eine große Koalition an, oder „zumindest“ ihre Enthaltung bei der Abstimmung über eine Minderheitsregierung von Sánchez – allerdings nur, wenn der sich wieder von Podemos abwendet.
Die geplante linke Regierung sei „ein historischer Fehler“, der Spanien just in dem Moment treffe, an dem das Land mit dem Problem der Separatisten und einer enormen wirtschaftlichen Unsicherheit konfrontiert sei. „Wenn jemand das stoppen kann, dann versichere ich, dass bei der PP die Türen offen sind, um zu reden“, sagte der Chef der konservativen Regionalregierung in Galizien, Alberto Núñez-Feijóo am Freitag. Und fügte hinzu, dass er für diese Angebot die Rückendeckung von Partei-Chef Pablo Casado habe.
Experten begrüßen das Angebot. „Die PP versucht damit, für Stabilität im Land zu sorgen“, sagt Lluis Orriols, Politologe an der Universität Carlos III in Madrid. Das sei bei der geplanten Koalition des Wahlsiegers Sánchez mit Unidas Podems kaum der Fall. Käme die durch eine Enthaltung der Separatisten an die Macht, müsste Sánchez wie bisher für jedes Projekt erneut um eine Mehrheit kämpfen. „Wahrscheinlich würde er erneut keinen Haushalt durchbringen und es würden eher früher als später wieder Wahlen fällig“, so Orriols.
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Auch der ehemalige Regierungschef Felipe González fordert ein breiteres Parteienbündnis. „Hoffentlich kriegen wie eine stabile Regierung mit Mehrheiten und nicht nur eine nur mit Linken oder Rechten und bestehend aus Blöcken“, sagte er und warnte andernfalls vor einer „Staatskrise“. Der Grandseigneur der Sozialisten sieht in dem Abkommen mit Podemos allerdings eine Möglichkeit, zur Regierungsfähigkeit Spaniens beizutragen.
Rechtspopulisten machen Regierungsbildung schwierig
Das Drama der spanischen Politik besteht nicht nur darin, dass das Parlament immer weiter zersplittert – bei dieser Wahl zog etwa auch die Antisystempartei CUP neu in den Kongress in Madrid ein. Die Regierungsbildung ist vor allem deshalb so schwer, weil die katalanischen Separatisten nach ihrem gesetzeswidrigen Unabhängigkeitsreferendum vor zwei Jahren kein solider Partner mehr sind. In den vergangenen Jahrzehnten hatten sie mit ihren Stimmen mal einer rechten, mal einer linken Regierung die Mehrheit gesichert.
Doch der Konflikt in Katalonien hat sich so weit zugespitzt, dass bereits eine rechtsextreme nationalistische Partei in das Parlament einzog und zur drittstärksten Kraft geworden ist – Vox. Sie surft auf der breiten Welle der Spanier, die eine harte Hand gegen die Separatisten fordern. Bislang hatten von ihren Stimmen auch die rechtsliberalen Ciudadanos profitiert.
Die Wurzeln der Partei liegen in Katalonien, wo sie sich als Gegenentwurf zu den Unabhängigkeitsbefürwortern gegründet hat. Doch Ciudadanos hat in der Wahl am Sonntag erdrutschartig Stimmen verloren. Grund war die Weigerung des inzwischen zurückgetretenen Parteichefs Albert Rivera, nach der Wahl im April auch nur mit den Sozialisten über eine Koalition zu reden, die eine komfortable Mehrheit im Parlament gehabt hätte. Auch jetzt weigert sich Ciudadanos, Sánchez zu unterstützen. Bleibt die Partei dabei, bräuchte der die Hilfe der katalanischen Separatisten.
Für die Konservativen ist es mit Vox im Nacken schwer, Sánchez zu unterstützen. Insofern überrascht das Gesprächsangebot von Feijóo. Doch es gibt auch eine andere Lesart: „Bisher hat die PP von den territorialen Konflikten in Katalonien profitiert“, sagt Orriols.
Auch die PP vertritt eine strikte Haltung in der instabilen Region, während die Sozialisten stärker für einen Dialog mit den Separatisten eintreten. „Wenn die PP jetzt sieht, dass vor allem Vox von der Verschärfung des Konfliktes profitiert, könnte das ihre Bereitschaft erhöhen, sich zusammen mit den Sozialisten auf eine grundlegende Lösung in Katalonien zu einigen“, meint der Politologe.
Allerdings liegt genau da das Problem: Die Unruhe-Region, die Spaniens Politik derart dominiert, lässt sich so leicht nicht befrieden. Größere finanzielle Zugeständnisse für eine der reichsten Gegenden des Landes würden den Protest in anderen Regionen zur Folge haben. Und ein legales Unabhängigkeitsreferendum verstößt gegen die Verfassung. Um sie zu ändern, müssten alle Spanier zustimmen – was undenkbar ist.
In Spanien geht es deshalb nicht darum, Pedro Sánchez irgendwie erneut ins Amt zu hieven. Es geht vielmehr darum, mit einer soliden Mehrheit eine volle Legislaturperiode zu regieren und die drängenden Probleme des Landes anzupacken. An dem Punkt ist Sánchez noch lange nicht.
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