Spanischer Außenminister Josep Borrell könnte der EU-Außenpolitik mehr Charisma verleihen

Man müsse Europa den Menschen besser erklären, sagte der spanische Außenminister vor der EU-Wahl.
Madrid Josep Borrell hatte sich schon aus der ersten Linie der Politik zurückgezogen. Doch dann kochte 2017 der Unabhängigkeitskonflikt zwischen Katalonien und der spanischen Regierung in Madrid hoch, und der geborene Katalane bestieg wieder die Podien: Auf zahlreichen Demonstrationen in der nordspanischen Region verteidigte der 72-Jährige als Redner die Einheit des Landes.
Mit seinen durchdachten Argumenten und seiner ruhigen Art in dem hitzigen Konflikt sorgte er für viel Aufmerksamkeit. Als der amtierende spanische Ministerpräsident Pedro Sánchez im vergangenen Sommer das Misstrauensvotum gegen den damaligen Premier Mariano Rajoy gewann, machte er Borrell zum spanischen Außenminister. Der gewiefte Politiker war damit zurück auf der großen Bühne.
Nun wartet auf Borrell eine neue prominente Rolle auf der europäischen Bühne: Nach dem Willen der Staats- und Regierungschefs soll der Spanier Hoher Vertreter der Europäischen Union für Außen- und Sicherheitspolitik, kurz EU-Außenbeauftragter, werden.
„Borrell ist ein Überzeugungstäter. Er braucht die Öffentlichkeit nicht, sondern ist aus Verantwortungsgefühl zurück in die Politik gekommen“, ist der spanische Politologe Fernando Vallespín überzeugt. Womöglich ist das auch der Grund, warum es Borrell jetzt wieder nach Brüssel zieht. Man müsse den Leuten Europa besser erklären und ihnen klarmachen, wie wichtig die EU sei, sagte der Sozialist in kleiner Runde einige Wochen vor der Europawahl.
Für den gelernten Luftfahrtingenieur und promovierten Ökonomen ist es nicht der erste Topjob in der EU. Von 2004 bis 2007 war er Präsident des Europäischen Parlaments. Später leitete Borrell, der auch einen Master der Elite-Uni Stanford sowie des Institut Francais du Pétrole besitzt und Professor für Wirtschaftsmathematik ist, das Europäische Hochschulinstitut in Florenz.
In Spanien gilt er als ein Vertreter der alten Klasse von Politikern, die viel Charisma besitzen. Selbst Mitglieder anderer Parteien reden voll Hochachtung von ihm. So begründet ein hochrangiger Vertreter der rechtsliberalen Ciudadanos die Ablehnung seiner Partei gegenüber den spanischen Sozialisten damit, dass es dort heute kaum mehr Leute vom Schlag eines Josep Borrell gebe.
Mogherini galt als blass
Borrell hat nicht nur in der Politik gearbeitet, sondern unter anderem sieben Jahre lang beim spanischen Ölkonzern Cepsa die Abteilung für Computersysteme geleitet. Bei der Arbeit in einem israelischen Kibbuz lernte er seine erste Frau kennen, 1975 schloss er sich den spanischen Sozialisten an und wurde Anfang der 90er-Jahre unter Felipe González Transport- und Umweltminister.
„Josep Borrell wird das Amt des EU-Außenbeauftragten sicher mit mehr Leben füllen als die bisherige Amtsinhaberin“, erwartet Politologe Vallespín. „Er wird versuchen, es aufzuwerten.“ Die bisherige Repräsentantin, die Italienerin Federica Mogherini, galt als blass. Borrells Aufgabe wird es künftig sein, die gemeinsame Position der EU-Mitglieder gegenüber ihren Partnern zu erarbeiten und zu kommunizieren.
Bei den Europawahlen war Borrell die Nummer eins auf der Liste der spanischen Sozialisten. Der spanische Premier Pedro Sánchez hat stets betont, dass sein Land bei der Vergabe der Top-Posten bedacht werden müsse, weil Spanien in der EU seit Jahren unterrepräsentiert sei. Er hatte sich für den sozialistischen, holländischen Kandidaten Frans Timmermanns als EU-Kommissionschef eingesetzt.
Nachdem der den Posten nicht erhalten hatte, lag Borrell als Außenbeauftragter auf der Hand. Es ist allerdings derjenige Posten unter den Topjobs, der Spanien am wenigsten Einfluss innerhalb der EU sichert.
Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.