Spannungen in Ostasien Kampf um jedes Wort

Feiern zum Jahrestag des Kriegsendes am Yasukuni-Schrein.
Tokio Am 15. August 1945 hörten die Japaner erstmals die Stimme ihres Kaisers. Die Botschaft war niederschmetternd, aber auch ein Zeichen des Neuanfangs: Japan kapitulierte. Der Zweite Weltkrieg war für Japan offiziell zu Ende. Doch auch 70 Jahre später knirscht es zwischen Japan und seinen damaligen Opfern China und Korea. Der Streit um die Geschichtsschreibung ist ein wichtiger Grund. Umfrage der japanischen Organisation Genron und der chinesischen Zeitung China Daily
Das beste Beispiel: Die Gedenkrede von Japans Ministerpräsident Shinzo Abe zum Jahrestag. Abe ist einer der Anführer einer Gruppierung, die das dunkle Kapitel der japanischen Geschichte umdeuten oder verdrängen will. Umso größer ist die Spannung, welche Worte er verwenden wird.
China, Südkorea, aber auch zum Beispiel Abes Koalitionspartner, die buddhistische Neue Gerechtigkeitspartei, fordern, dass der Ministerpräsident der Erklärung seines Vorgängers Tomiichi Murayama aus dem Jahr 1995 treu bleibt. Murayama hatte sich ausdrücklich für Japans Aggression und Kolonialherrschaft entschuldigt.
1910 hatte Japan Korea annektiert. Die Kolonisierung Chinas nahm 1931 an Fahrt auf und gipfelte ab 1937 im zweiten chinesisch-japanischen Krieg.
Ringen um jeden Buchstaben
Abes Mentor Junichiro Koizumi hatte Murayamas Worte zehn Jahre später wiederholt. Doch Abe hat bisher in Reden nur „tiefe Reue“ gezeigt. Weder die Entschuldigung noch das Eingeständnis von Japans Aggression und Kolonialismus kamen ihm über Lippen.
Wie glaubwürdig Aussöhnung geht, demonstrierte am Mittwoch der Ex-Ministerpräsident Yukio Hatoyama. Der erste Ministerpräsident der jetzt oppositionellen Demokratischen Partei kniete nach koreanischer Sitte in Korea vor einem Mahnmal koreanischer Befreiungskämpfer nieder und entschuldigte sich.
Abe dagegen ringt um jeden Buchstaben. Nachdem sein Koalitionspartner ihn massiv bearbeitet hat, wird er seinem Kabinett nun wohl doch am Freitag eine Rede zur Beschlussfassung vorlegen, die die geforderten Begriffe aufgreifen wird. Die konservative Zeitung Yomiuri schrieb unter Berufung auf Regierungsquellen, es sei auch eine Wendung dabei, „die von den Nachbarn als eine Entschuldigung Japans aufgefasst werden kann.“ Ob das ausreicht?
Umstrittener Schrein für Kriegsverbrecher
Die fehlende Verarbeitung der eigenen Vergangenheit in Japan haben die Regierungen in China, Südkorea und Nordkorea immer wieder genutzt, um sich innen- wie außenpolitisch über die Ablehnung Japans zu legitimieren.
Die Gräueltaten der japanischen Armee werden in China bis heute mit anti-japanischen Erziehungskampagnen der Bevölkerung in wacher Erinnerung gehalten. Bis heute wird Japan als militaristischer Staat dargestellt.
In Japan hingegen sieht eine einflussreiche Gruppe konservativer Gesinnungsgenossen Abes keinen Grund zu in ihren Augen „masochistischen“ Entschuldigungen. Vielmehr habe Japan sich gegen imperialistische Mächte verteidigt und die asiatischen Länder vom Joch des weißen Mannes befreien wollen. Von Zeit zu Zeit können daraus handfeste diplomatische Krisen werden, die schwelende Territorialkonflikte und wachsende geopolitische Spannungen verschärfen.
Ein Symbol ist der umstrittene Yasukuni-Schrein in Tokio, in dem auch verurteilten Kriegsverbrechern gedacht wird. Nachdem Japans Regierungschef Junichiro Koizumi den Schrein besucht hatte, stellte China aus Protest für Jahre jegliche politischen Spitzenkontakte ein. Abe wird wohl am Samstag zum 70. Jahrestag nicht zum Yasukuni-Schrein gehen.
Bekenntnis zu Kriegsprostituierten
Zwischen Südkorea und Japan herrscht derzeit Eiszeit. Denn Südkoreas Präsidentin Park Geun-hye fordert ein klares Bekenntnis Japans zu den südkoreanischen Kriegsprostituierten, die oft mit Zwang rekrutiert wurden
Japanische Diplomaten arbeiten mit chinesischen und südkoreanischen Kollegen an Sprachregelungen, die allen Seiten helfen, das Gesicht zu wahren und sich wieder an einen Tisch zu setzen. Denn bei allem Konfliktpotenzial sind besonders Japan und China wirtschaftlich eng verflochten. Japanische Unternehmen sind wichtige Investoren in China, liefern Maschinen und Bauteile für das Wirtschaftswunder dort und kaufen chinesische Endprodukte.
Abe wird voraussichtlich Anfang September nach China reisen, um sich am Rande der Feiern zum Sieg über Japan mit Chinas Staatschef Xi Jinping zu treffen. „Wir haben vorerst die Talsohle in den Beziehungen durchschritten“, meint der japanische Sicherheitsexperte Ken Jimbo von der Keio-Universität. Aber die Lage bleibe ambivalent und fragil. Dass Abe Worte der Anteilnahme aus der Nase gezogen werden müssen, zeigt dies.
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