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Logos von Amazon, Facebook, Google und Apple
(Foto: Reuters/Bloomberg/dpa/dpa [M])

Staatliche Regulierung Allianz gegen Big Tech: Druck auf Facebook und Google wächst

Außenminister Maas setzt sich für ein internationales Bündnis ein, um große Technologiefirmen stärker zu regulieren. Auch die USA beteiligen sich daran.
06.04.2021 - 04:00 Uhr 1 Kommentar

Brüssel, Berlin Der Druck auf Facebook, Google und Co. wächst: Europa und die USA wollen enger zusammenarbeiten, um die Macht der Technologiekonzerne zu beschneiden. Das kündigte Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) im Handelsblatt an. „Die EU wird nicht allein für eine sichere Onlinekommunikation sorgen können, dafür brauchen wir starke Partner“, sagte er.

Das Auswärtige Amt hat mit der Denkfabrik Institute for Strategic Dialogue das „Digital Policy Lab“ gegründet, das Ministerialbeamte und Regulierer aus der EU, den USA und anderen Ländern zusammenbringt. „Dass unsere Werte auch online verteidigt werden müssen, sehen inzwischen viele ein und schließen sich Forderungen nach internationaler Koordination an“, so Maas. Ziel ist es, sich auf grundsätzliche Regeln zu verständigen, die im Internet gelten sollen.

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Die Diskussionspapiere liegen dem Handelsblatt vor. Sie zeigen, dass sich in immer mehr Ländern die Einsicht durchsetzt, dass staatliche Regulierung in die Algorithmen eingreifen muss, die entscheiden, welche Inhalte Nutzer präsentiert bekommen.

Hintergrund sind Sorgen über die polarisierende, womöglich demokratiegefährdende Wirkung von Social Media. Jüngst sprach auch EU-Kommissionsvizin Margrethe Vestager mit der neuen US-Handelsbeauftragten Katherine Tai über das Thema. Vestager ist überzeugt: „Zusammen können wir den Rahmen für eine Entwicklung und Nutzung von Technologie setzen, die unsere gemeinsamen demokratischen Werte widerspiegelt.“

Am Wochenende wurde erneut ein Datenleck bei Facebook bekannt, betroffen ist eine halbe Milliarde Nutzer. Wie die EU setzt auch US-Präsident Joe Biden verstärkt auf Regulierung und Kooperation.

Der US-Präsident setzt verstärkt auf Regulierung und Kooperation. Quelle: AP
Joe Biden

Der US-Präsident setzt verstärkt auf Regulierung und Kooperation.

(Foto: AP)

Kürzlich hat Joe Biden einen Satz gesagt, der keinem seiner Vorgänger in den Sinn gekommen wäre: „Wir müssen beweisen, dass die Demokratie funktioniert.“ Der US-Präsident hat erkannt, dass im Digitalzeitalter fraglich ist, was eben noch selbstverständlich erschien: dass Demokratie, Rechtsstaat und Marktwirtschaft anderen Herrschaftsformen um Längen überlegen sind.

Das Freiheitsversprechen, das sich mit der Vernetzung der Menschheit anfangs verband, hat sich ins Gegenteil verkehrt. Weltweit erodieren Datenschutz und Bürgerrechte unter der Macht der Tech-Konzerne, via Social Media verbreiten sich Verschwörungsmythen und vergiften politische Debatten. Gleichzeitig erhebt sich ein Systemrivale: China propagiert ein eigenes, autoritäres Modell der Digitalisierung und errichtet einen Hightech-Überwachungsstaat. Damit fordert die Volksrepublik die technologische und ökonomische Dominanz des Westens heraus.

Der Bundesaußenminister sucht den Schulterschluss mit gleichgesinnten Partnern. Quelle: dpa
Heiko Maas

Der Bundesaußenminister sucht den Schulterschluss mit gleichgesinnten Partnern.

(Foto: dpa)

Um der digitalen Herausforderung gewachsen zu sein, muss die demokratische Welt technologiepolitisch zusammenrücken, mahnt Biden – und findet in Europa immer mehr Unterstützung. Erst vor ein paar Wochen hatte sich EU-Kommissionsvizin Margrethe Vestager im Handelsblatt für eine transatlantische Tech-Allianz ausgesprochen. Jetzt legt Bundesaußenminister Heiko Maas nach.

Angesichts „hybrider Gefahren“ für die Demokratie, wie etwa „Kampagnen ausländischer Desinformation“, sucht Maas den Schulterschluss mit gleichgesinnten Partnern. Informelle Gespräche über eine gemeinsame Regulierungsagenda laufen bereits. Das „Digital Policy Lab“, das das Auswärtige Amt und das britische Institute for Strategic Dialogue (ISD) gemeinsam ins Leben gerufen haben, bietet das Forum dafür. Neben Vertretern der US-Regierung nehmen auch Großbritannien, Irland, die Niederlande, die Slowakei, Schweden, Neuseeland und Australien an den Gesprächen teil.

„Unser Ziel ist, gemeinsam Wege zu finden, wie Staaten durch Regulierung und bessere Resilienz zu einem freiheitlich-demokratischen Internet beitragen können“, sagt Maas. Die Gespräche laufen auf Arbeitsebene und befinden sich noch im frühen Stadium. Aber das Bemühen, das Social-Media-Problem mit vereinten Kräften anzugehen, ist deutlich zu erkennen.

In Dokumenten des Digitallabors wird ein neuer Ansatz vorgeschlagen, um die Risiken zu minimieren, die Tech-Konzerne für die Demokratie darstellen. Statt sich darauf zu beschränken, die Legalität von Nutzerbeiträgen zu überprüfen, sollten Staaten das Problem grundsätzlicher angehen – und direkt in die Funktionsweise der Onlinenetzwerke eingreifen. Sprich: in die Algorithmen, die entscheiden, was ein Nutzer in seinem Newsfeed sieht und was nicht.

Einblicke in die Algorithmen

Diese Algorithmen sind bisher die Geschäftsgeheimnisse der Onlineplattformen. Ihre genaue Funktionsweise bleibt für Außenstehende undurchsichtig, doch für Kritiker ist klar: Weil Facebook, Twitter und Youtube nach größtmöglicher Aufmerksamkeit ihrer Nutzer trachten, bedienen ihre Algorithmen niedere Instinkte. Sie potenzieren die Reichweite aller Inhalte, die aufregen – Lügen, Propaganda, Wahnvorstellungen –, und radikalisieren damit Teile der Gesellschaft.

Autoritäre Staaten wissen das zu nutzen. Mit Troll- und Bot-Armeen verstärken sie das ohnehin wachsende Misstrauen in demokratische Institutionen. Beispiele gibt es zuhauf: Russlands Einmischung in die US-Wahlen, Desinformationen über das Coronavirus, Chinas „Wolfskrieger“-Diplomatie. „Der Systemwettbewerb zwischen autoritären Regimen und Demokratien wird auch im digitalen Raum mit immer härteren Bandagen ausgetragen“, stellt Maas fest.

Wir müssen das Spielfeld ebnen, das bisher eindeutig extremistischen Botschaften zuneigt. ISD-Chefin Sasha Havlicek

Die Demokratie steht in der digitalen Welt damit doppelt unter Druck. Onlineplattformen verstärken innere Spannungen. Das Ziel des Digitallabors ist es nun, den Demokratien aus der Defensive zu helfen und die Macht der Onlineriesen einzuschränken.

„Wir müssen das Spielfeld ebnen, das bisher eindeutig extremistischen Botschaften zuneigt“, so beschreibt ISD-Chefin Sasha Havlicek die Aufgabe. „Wer ein Boot verkauft, muss sicherstellen, dass es schwimmt. Wer ein Haus baut, muss garantieren, dass es nicht einstürzt. Warum sollte der Tech-Sektor die einzige Branche sein, in der keine einheitlichen Sicherheitsstandards gelten?“

Gesetze wie das NetzDG der falsche Ansatz

Außenminister Maas beschäftigt diese Frage schon seit Jahren. Als Justizminister legte er das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) vor, das Onlineplattformen verpflichtet, Hassbotschaften zu löschen. Viel bewirkt hat es nicht, dafür aber hitzige Zensur-Kontroversen ausgelöst.

Die Experten vom Institute for Strategic Dialogue glauben nicht, dass Gesetze wie das NetzDG der richtige Ansatz sind. Diese „bergen das Risiko, dass sie die Plattformen dazu verleiten, Inhalte übermäßig weit zu entfernen, um potenzielle Geldstrafen zu vermeiden“, heißt es in den Dokumenten, die dem Handelsblatt vorliegen.

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Das Digitallabor macht sich stattdessen für einen „systemischen Ansatz“ stark. Dazu zählt eine „verstärkte Prüfung und Überwachung der zugrunde liegenden Prozesse, wie etwa Empfehlungs- und Newsfeed-Algorithmen, die eine wichtige Rolle bei der Bestimmung der Reichweite und Wirkung von Onlineinhalten spielen“. Zugleich müssten die Transparenzregeln für die Tech-Firmen verschärft werden, damit „Regulierungsbehörden und Forscher wichtige Daten über die Auswirkungen von Unternehmensmaßnahmen zur Bekämpfung illegaler Inhalte“ erhalten.

Die EU plant bereits eine umfassende Reform der Onlineregulierung. Der Digital Services Act (DSA) könnte im kommenden Jahr in Kraft treten. Nach Einschätzung des ISD stellt der DSA einen Schritt in Richtung „systemischer Regulierung“ dar. Tatsächlich sehen Entwürfe Transparenzvorschriften für Algorithmen vor.

Koordiniertes Vorgehen nötig

Großbritannien schlägt mit der „Online Safety Bill“ einen ähnlichen Weg ein. Im US-Kongress wird der „Protecting Americans From Dangerous Algorithms Act“ beraten. Letztlich drehe sich alles um die Frage, „wie wir uns vor Desinformation besser schützen können, aber dabei die Meinungsfreiheit erhalten“, erläutert Maas. „Dazu tauschen wir uns mit anderen, gleichgesinnten Staaten aus und haben jüngst auch die USA mit an Bord geholt.“

Dass ein koordiniertes Vorgehen gegen die Macht der amerikanischen Internetriesen nötig ist, zeigt der jüngste Machtkampf in Australien. Die dortige Regierung wollte Facebook und Google mit einem Gesetz dazu bringen, mehr von ihren Werbeeinnahmen mit klassischen Medienverlagen zu teilen. Hintergrund ist, dass beide Konzerne bislang weitgehend kostenlos Nachrichten der Verlage nutzen, um mehr Nutzer auf ihre werbefinanzierten Plattformen zu locken.

Die australische Regierung wollte Facebook und Google mit einem Gesetz dazu bringen, mehr von ihren Werbeeinnahmen mit klassischen Medienverlagen zu teilen. Quelle: Reuters
Logos von Google und Facebook

Die australische Regierung wollte Facebook und Google mit einem Gesetz dazu bringen, mehr von ihren Werbeeinnahmen mit klassischen Medienverlagen zu teilen.

(Foto: Reuters)

Google und Facebook reagierten auf den Vorstoß aus Canberra mit der Drohung, Australien komplett den Rücken zu kehren, sollte die Regierung ihr Ansinnen nicht zurückziehen. Am Ende einigten sich beide Seiten auf einen Kompromiss, der die Tech-Konzerne zumindest teilweise dazu verpflichtet, die Vorleistungen der Verlage finanziell stärker zu honorieren

Das Kräftemessen „Down Under“ hat dazu geführt, dass auch in Europa und den USA Forderungen nach einem besseren Leistungsschutzrecht für Verlage lauter werden. Die Vizepräsidentin des EU-Parlaments, die SPD-Politikerin Katarina Barley, fordert auch hierzulande Konsequenzen und plädiert dafür, den DSA entsprechend zu verschärfen.

Facebook tritt Flucht nach vorn an

Die Demokraten im US-Kongress reagierten mit einer neuen Gesetzesinitiative, dem „Journalism Competition and Preservation Act (JCPA)“, die sich am Vorbild Australien orientiert. „Wir sind an einem Punkt angelangt, an dem die Unternehmen so dominant sind, dass sie ein ganzes Land als Geisel halten können“, konstatiert die demokratische Senatorin Amy Klobuchar aus Minnesota in einem Podcast der „New York Times“. „So verhalten sich Monopole.“

Die Zeiten, in denen die Konzernchefs aus dem Silicon Valley in Washington hofiert wurden, sind vorbei. US-Präsident Biden vergibt wichtige Posten an prominente Kritiker von Big Tech: Tim Wu wird Technologie- und Wettbewerbsberater im Weißen Haus, Lina Khan soll ins Führungsteam der Kartellbehörde FTC stoßen. Beide haben sich dafür ausgesprochen, Technologiekonzerne zu zerschlagen.

Facebook tritt schon die Flucht nach vorn an. Nick Clegg, so etwas wie der Außenminister des Konzerns, erklärte seine Unterstützung für neue Regulierungsinitiativen – solange diese nicht allzu stark in das Geschäftsmodell der Onlinenetzwerke eingreifen: „Langfristig werden sich die Menschen nur dann mit algorithmischen Systemen wohlfühlen, wenn sie einen besseren Einblick in deren Funktionsweise haben“, schrieb der frühere britische Vizepremier in einem Blog.

Mehr: Vorbehalte gegen eine Techallianz sind in der EU noch groß.

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  • Mmhh... hört sich toll an, wenn denn alles für das Gute umgesetzt wird. Risiken für die Demokratie einschränken? Wie werden eigentlich Risiken definiert? Eine Abweichung von dem erwartetem Ergebnis in die eine oder andere Richtung? Definiert Risiken bitte etwas genauer, mir scheint es gibt nur Ängste und keine Chancen/Möglichkeiten im positivem Sinne hierbei. Natürlich haben Skeptiker auch Ihre berechtigung und etwas nützliches im Wesen der Debattenkultur. Nur sollten Sie, IMHO, nicht die Oberhand gewinnen, um neue Innovationen / Projekte / Veränderungen der Gesellschaft zu verhindern!
    Etwas negatives bleibt: dabei wird meiner Meinung nach die Freiheit wieder ein Stück weit eingeschränkt, um den eigenen Ar*** zu retten? Freiheiten einschränken scheint mir wohl gerade "Inn" zu sein. Demokratie wird sich weiterentwickeln... wohin bleibt offen? Mal sehen ob Herr Maaß nach der BTW 21 noch Außenminister bleiben wird.
    Bleibt GESUND und bei guten Sinnen!

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