Start der Corona-Impfung Briten feiern den „V-Day“ – „Wir waren von Anfang an sehr organisiert“
London Der Impfstoff kam erst kurz vor der Verabreichung in einem gekühlten Behälter im Universitätskrankenhaus von Coventry an. Um 6.31 Uhr am Dienstagmorgen erhielt die pensionierte Verkäuferin Margaret Keenan die erste reguläre Corona-Impfung der westlichen Welt. „Ich weiß nicht, was ich sagen soll“, sagte die 90-jährige Britin. Es sei „seltsam und wunderbar“.
Großbritannien hatte als erstes Land weltweit den Impfstoff der Firmen Pfizer und Biontech zugelassen. Am Dienstag begann der nationale Gesundheitsdienst NHS in 70 Krankenhäusern mit dem Impfprogramm. Am ersten Tag sollen 5000 Menschen die Spritze erhalten. In drei Wochen ist eine zweite Dosis nötig, um wirksamen Schutz vor dem Virus zu bieten.
Die britischen Medien tauften den Tag zum „Vaccine Day“, kurz „V-Day“. Die Bezeichnung war bislang für das Ende des Zweiten Weltkriegs reserviert. Nun feierten Kommentatoren den vermeintlichen Sieg über das Virus.
„Wie haben wir es geschafft, die Ersten zu sein?“, fragte eine Fernsehreporterin den wissenschaftlichen Chefberater der Regierung, Patrick Vallance. „Wir waren von Anfang an sehr organisiert“, antwortete der Wissenschaftler. Man habe frühzeitig eine Taskforce eingesetzt, die sich um die Bestellung möglichst vieler verschiedener Impfstoffe gekümmert habe.
Aus der EU hatte es Kritik gegeben, dass die britische Aufsichtsbehörde MHRA mit der Notfallzulassung vorgeprescht war. Es gehe nicht darum, „irgendwie Erster zu sein“, hatte Gesundheitsminister Jens Spahn gesagt. Entscheidend sei es, sichere und wirksame Impfstoffe zu bekommen, um Vertrauen in der Bevölkerung zu schaffen.
Doch schien die Schnellzulassung das Vertrauen der ersten Patienten im Königreich nicht zu erschüttern. Keenan, die ein blaues T-Shirt mit dem Slogan „Merry Christmas“ trug, empfahl ihren Landsleuten, sich ebenfalls impfen zu lassen. „Macht es“, sagte sie. „Es ist kostenlos. Es ist das Beste, was je passiert ist. Wenn ich es kann, könnt ihr es auch.“
Johnson: Motivationsschub für die gesamte Nation
Der Impfstoff ist jedoch nicht allgemein zugänglich. Der NHS impft nach einem strikten System, die Ältesten zuerst. Am Dienstag wurden nur Menschen über 80 geimpft.
Als Zweiter erhielt in Coventry ein gewisser William Shakespeare die Spritze. Der 81-Jährige wohnt obendrein auch noch in Stratford-upon-Avon, dem Geburtsort seines berühmten Namensvetters aus dem 17. Jahrhundert. Auch die 94-jährige Queen Elizabeth II. soll bald geimpft werden.
Premierminister Boris Johnson besuchte das Sankt-Thomas-Krankenhaus in London, um sich mit den ersten Impfpatienten fotografieren zu lassen. Hier hatte er nach seiner Corona-Infektion selbst im Sommer einige Tage auf der Intensivstation gelegen.
Erste Patientin in Großbritannien erhält Covid-19-Impfung
Die Impfung sei ein Motivationsschub für die gesamte Nation, sagte Johnson. Aber man könne es sich noch nicht leisten, die Corona-Maßnahmen zu lockern.
Der 90-jährige George Dyer war einer der ersten Londoner, die am Morgen in einem Krankenhaus im Stadtteil Croydon die Spritze erhielten. Er freue sich darauf, wieder unter Menschen zu kommen, sagte er. „Ich fühle mich sehr privilegiert“.
Auch Biontech-Manager Sean Marett war hochzufrieden. „Unsere Firma ist extrem stolz, diese Bilder zu sehen“, sagte er dem Sender Sky News. Das Königreich werde eine „gute Zahl an Impfdosen“ dieses Jahr erhalten.
Bisher haben Pfizer und Biontech 800.000 Impfstoffdosen ins Königreich geliefert. Da zwei Dosen pro Person nötig sind, reichen sie für 400.000 Menschen. Gesundheitsminister Matt Hancock wollte nicht sagen, wann die nächste Lieferung erwartet wird. Das hänge unter anderem von den Produktionskapazitäten der Hersteller sowie von den Transportmöglichkeiten ab, sagte er.
Hancock schien von der Bedeutung des Tages überwältigt zu sein. „Es war ein hartes Jahr für so viele Menschen“, sagte er dem Sender ITV und wischte sich vor laufender Kamera die Tränen aus den Augen. Der Minister steht seit Monaten in der Kritik wegen der zahlreichen Pannen beim Corona-Management, die dazu geführt haben, dass mehr als 61.000 Menschen im Land an dem Virus gestorben sind.
Altersheime sollen Priorität haben
Hancock versprach, vor Weihnachten mit dem Impfen in Altersheimen zu beginnen. Hier gab es bisher besonders viele Corona-Opfer. Die Verteilung des empfindlichen Impfstoffs an Altersheime ist jedoch schwierig, weil er bei minus 70 Grad gelagert werden muss.
Unzählige alte Menschen haben seit dem Ausbruch der Pandemie im März das Haus nicht verlassen und ihre Familien nicht gesehen. „Wir haben sehr lange auf diesen Impfstoff gewartet“, sagte der neunfache Großvater Hari Shukla aus Newcastle. Er sei ein „goldenes Los“, um zurück zum normalen Leben zu finden.
Mehr: Deutschland kann 170 Millionen mit Corona-Impfstoff versorgen.
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Können wir die Politiker bitte zuerst impfen? Da weder sie noch die Pharmafirmen irgendeine Haftung für Impfschäden übernehmen, sollten sie als "gutes Beispiel" vorangehen--und ihr Vertrauen in die Impfstoffe beweisen.
"Macht es“, sagte sie. „Es ist kostenlos. Es ist das Beste, was je passiert ist. Wenn ich es kann, könnt ihr es auch.“
Das Beste, was je passiert ist? Waren wohl trübe 90 Jahre seither...
Auch bei uns in Deutschland und der EU gibt genug Bewohner, die bereit sind, sich impfen zu lassen! Die Impfgegner müssen ja nicht. Ob England mit der Zulassung zu schnell waren oder wir zu langsam, wird die Zeit zeigen; ich vermute mal: wir sind zu kompliziert und damit zu langsam.