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Steuerexperte Paul Kirchhof zu Panama Papers Oasen ohne eigene Quellen

Panama und anderswo: Das Entdeckungsrisiko für Steuersünder muss steigen, Eine Rechtsordnung, die den freien Menschen ins Unrecht lockt, dann als Täter entlarvt und bestraft, führt in eine subtile Diktatur. Ein Gastbeitrag.
  • Paul Kirchhof
28.04.2016 - 20:00 Uhr

Oh, wie schön ist Panama! – lesen unsere Enkelkinder in einem Buch, in dem ein kleiner Bär und ein kleiner Tiger in das „Land ihrer Träume“ aufbrechen, dabei irreführenden Wegweisungen folgen und sich plötzlich zu Hause wiederfinden, wo sie auf dem Sofa liegen, fischen gehen und gut schlafen können.

Heute ist Panama das Sammelwort für Steueroasen, die in aller Welt verstreut sind und in Zeiten einer Digitalwährung sogar ohne Standort wirtschaften können. In diesem Panama werden Gewinne vor Ehepartnern und Erben, Gewerkschaften und Gewerbeaufsicht, Neid und Kriminalität verheimlicht, vor allem aber dem Staat geschuldete Steuern vorenthalten. Doch die aktuelle Debatte um die Briefkastenfirmen schärft wieder den Sinn für die Unterscheidung von Briefkasten und Firma.

Der Autor Professor für öffentliches Recht und Steuerrecht an der Universität Heidelberg. Quelle: action press [M]
Paul Kirchhof

Der Autor Professor für öffentliches Recht und Steuerrecht an der Universität Heidelberg.

Quelle: action press [M]

Wenn diese Staaten den Unternehmern immer geringere Steuern anbieten, erscheint das manchen als gesunder Wettbewerb um mobiles Kapital. Doch ein solcher Wettbewerb wird sein Ziel, den allgemeinen Wohlstand durch Leistungsanstrengung der Wettbewerber zu mehren, verfehlen. Er wird letztlich bei einem Nullaufkommen, dem Zusammenbruch des Staates, enden.

Der sozial Schwache wird vom Staat kein Existenzminimum erhalten, sondern auf das herbe Wettbewerbsprinzip treffen, das die Wettbewerber in Sieger und Besiegte teilt. Die Zusammenführung der Umsatzsteuer innerhalb der EU müsste als wettbewerbswidriges Kartell beanstandet werden. Deswegen ist es gut, dass Recht nicht käuflich, nicht wettbewerblich zu verteilen ist.

Wenn ein Unternehmer mit seinem Unternehmen einen wirtschaftlichen Erfolg erzielt, ist dieser Gewinn durch die Wahrnehmung der Freiheit gerechtfertigt, wird von der Rechtsgemeinschaft als individuelle Tüchtigkeit, als Beitrag zur allgemeinen Prosperität anerkannt und ermutigt. Doch gibt diese Unternehmerfreiheit dem Berechtigten nicht das Recht, sich für oder gegen die Steuer zu entscheiden. Im Steuerrecht gilt die Gleichheit vor dem Gesetz. Jeder hat die Steuer zu zahlen, die das Gesetz je nach erzieltem Gewinn fordert.

Das Recht zum Auswandern

Wenn der Unternehmer sein Gewerbe in Friedensgebieten betreiben, ein anerkanntes Vertragsrecht und Währungssystem nutzen, gut ausgebildete Arbeitskräfte einsetzen und ein zur Internetnachfrage fähiges Publikum ansprechen konnte, muss er einen Teil dieses auch von der Rechtsgemeinschaft ermöglichten Erfolgs an den Staat abgeben, um dieses System auch für die Zukunft zu sichern.

Diese Gleichheit vor dem Steuergesetz ist allerdings erschwert, wenn verschiedene Staaten denselben Steuerfall unterschiedlich belasten. Besteuert der eine Staat den Gewinn niedrig oder gar nicht, der andere hingegen hoch, erwägt der Unternehmer einen Standortwechsel. Seine Freiheit berechtigt ihn, seinen Produktionsstandort dorthin zu verlegen, wo die Steuer schonend, die Last des Umweltschutzes mäßig, das Arbeitsrecht unternehmerfreundlich ist.

Das Recht zum Auswandern – traditionell: „Stadtluft macht frei“ – ist anerkannt. Das Problem liegt in einem Recht, das eine formelle Standortverlagerung ohne tatsächliche Ortsveränderung gestattet.

Die Möglichkeiten zu einem solchen formalistischen Rechtswechsel sind vielfältig. Der Unternehmer wählt ein ausländisches Organisationsstatut oder meldet sich bei einem ausländischen Register an. Er kann sich durch Gerichtsstands- und Schiedsklauseln einem anderen Recht unterwerfen, auch durch Wechsel der Nationalität neues Recht beanspruchen. Er nutzt Schwächen und Lücken von Steuergesetzen und Doppelbesteuerungsabkommen. Produkte und Finanztransfers können durch ihren Herkunftsort oder auch durch einen Zwischenaufenthalt die Rechtsstandards des Gesundheitsrechts, des Umweltrechts, des Steuerrechts senken. Recht droht zu wählbarer Ware zu werden.

Ob ein solcher Rechtswechsel durch Willensakt („voice“) oder Abwanderung („exit“) zulässig ist, bestimmt sich nach der jeweiligen Rechtsfolge. Der Gewinn wird dort besteuert, wo die Ware produziert wird, das Handelshaus die Ware anbietet. Die eingesetzte Kaufkraft wird von der Umsatzsteuer dort erfasst, wo der Endverbraucher die Leistung erwirbt.

Wer den Gewinn verlagern will, muss deshalb vorher die Erwerbsgrundlage – den Gewerbebetrieb, die freiberufliche Praxis, das landwirtschaftliche Anwesen – im Geltungsbereich der steuerbegünstigenden Rechtsordnung errichten und ins Werk setzen. Wird eine Firma nur formal in einer fremden Rechtsordnung gegründet, mag das Gesellschaftsrecht die ausländische Scheinkapitalgesellschaft als inländische Personengesellschaft behandeln.

Das Steuerrecht wird einen eigenen Weg gehen und die tatsächliche Betriebsstätte belasten, abwandernde Gewinne an der Quelle besteuern, durch internationale Kontrollmitteilungen und Datenaustausch Steuertatbestände erfassen, Unternehmen, die einen Auslandstransfer organisieren und beraten, für die Steuer haften lassen. Gleichheit vor dem Steuergesetz fordert Gleichheit in der tatsächlichen Belastungswirkung. Dieses Erfordernis hat das Bundesverfassungsgericht zu den ausländischen Kapitaleinkünften und jüngst zur Erbschaftsteuer hervorgehoben.

Habgier und Kriminalität mitbeobachten
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