Steueroasen Rund 150 Steuerstrafverfahren nach „Panama Papers“-Enthüllungen

Er bezifferte die derzeitigen Steuer-Mehreinnahmen auf bundesweit rund 4,2 Millionen Euro.
Frankfurt Pecunia non olet, Geld stinkt nicht, lautet ein altes lateinisches Sprichwort. Allerdings gibt es reichlich Geldflüsse, die zumindest anrüchig sind. Einem dieser Flüsse geht die Sonderermittlungsgruppe zu den sogenannten Panama Papers nach. Ihr Name: OLET, übersetzt also Gestank. Schmutzige, stinkende Geschäfte – das ist es, was die Ermittler erwarteten als sie vor zwei Jahren begannen, das nach eigenen Angaben größte Datenleck zu analysieren, dass je von einer deutschen Steuerverwaltung ausgewertet wurde.
Insgesamt 49 Millionen Dokumente über Geschäfte in Steueroasen in einem Datenumfang von 3,2 Terabyte liegen den deutschen Behörden vor. Das Bundeskriminalamt (BKA) hatte 2017 durchgestochene Dokumente der panamaischen Kanzlei Mossack Fonseca angekauft, die Geschäfte von Spitzenpolitikern, Prominenten und wohlhabenden Geschäftsleuten offenlegten, bei denen Briefkastenfirmen eine entscheidende Rolle spielen.
Ob es sich dabei nur um moralisch fragwürdige oder auch um strafbare Geschäfte handelt, wertet das BKA seither zusammen mit der Steuerfahndung Kassel aus, die federführend für die Bundesländer agiert. Am Mittwoch stellten der hessische Finanzminister Thomas Schäfer (CDU) und Armin Wolf, leitender Ermittler der Kasseler Fahnder, die ersten Ergebnisse vor und lieferten Einblick in die Analyse.
In rund 150 Fällen seien aufgrund der Enthüllungen den Panama Papers bereits Steuerstrafverfahren eingeleitet oder laufende Verfahren erweitert worden, so Wolf. Allerdings sei dies nur eine Momentaufnahme und mit weiteren Verfahren zu rechnen. Mit einem weiteren Anstieg ist auch bei den Steuermehreinnahmen zu rechnen, die aus der Aufarbeitung des Panama Papers resultieren. Nach Angaben Schäfers liegen die bundesweit erfolgten Nachzahlungen noch bei vergleichsweise bescheidenen 4,2 Millionen Euro.
Berichte des Rechercheverbunds aus WDR, NDR und Süddeutscher Zeitung von Anfang April, das bereits 150 Millionen Euro zusammengekommen seien, konnte der hessische Finanzminister nicht bestätigen. Allerdings seien viele Verfahren noch nicht abgeschlossen, so Schäfer. Er hob zudem hervor, dass die präventive und abschreckende Wirkung, die die Enthüllungen auf diejenigen habe, die ähnliche Geschäfte planen würden, fast noch wichtiger sei. Schließlich sei die Gefahr gewachsen, dass solche Machenschaften aufgedeckt werden.
Land Hessen zahlte mehr als 300.000 Euro für die Daten
Vor mehr als drei Jahren hatte ein Datenleck bei einem Verwalter von Briefkastenfirmen in Panama weltweit für Aufregung gesorgt, nachdem internationale Medien darüber berichtet hatten. Rund ein Jahr dauerte es schließlich noch, bis auch die deutschen Behörden in den Besitz der Dokumente kamen.
Mit rund 316.000 Euro beteiligte sich das Land Hessen seinerzeit am Ankauf durch das BKA. Wie viel die Wiesbadener insgesamt für die Dokumente zahlten, ist nicht bekannt. Der Datensatz ist so enorm, dass er ausgedruckt und aneinandergelegt eine Strecke von 10.290 Kilometern ergeben würde – die Entfernung von Frankfurt bis Singapur.
Informationen über mehr als 270.000 Gesellschaften in 21 sogenannten Offshore-Regionen, sprich Steueroasen wie Panama, den Bahamas, Zypern oder auch Malta finden sich in den Datensätzen, die sich über einen Zeitraum von den späten 1970er Jahren bis 2017 erstrecken.
Ein großes Problem: Bei den meist in englischer Sprache verfassten Dokumenten handelte es sich weit überwiegend um unstrukturierte Datensätze in einer Vielzahl von Formaten. Es finden sich E-Mail-Korrespondenzen, Gründungsunterlagen- und Urkunden sowie Verträge, Vollmachten aber auch Passkopien und Kontounterlagen.
Die Informationen galt es nach Angaben von OLET-Chef Wolf zunächst in möglichst einheitliche und damit durchsuchbare Formate zu bringen. Erst danach war es möglich, die Daten weiteren Auswertungen zugänglich zu machen. Besonderes Augenmerk richteten die Ermittler dabei auf dezidierte Handlungsanweisungen sowie Formulare für Blanko-Unterschriften, die den Interessenten an die Hand gegeben wurden.
Einsatz künstlicher Intelligenz
Um zudem etwaigen Bezug der Unterlagen zu Deutschland zu finden und sichtbar zu machen, kam auch künstliche Intelligenz zum Einsatz. Dafür entwickelte das BKA einen Prozess, der sogenannte neuronale Netze und wissensbasierte Komponenten kombiniert.
Inzwischen habe das Kasseler Auswertungsteam rund 290.000 Dokumente zu über 1.500 Offshore-Firmen an die zuständigen Steuerbehörden im In- und Ausland gegeben. Die Abfrage von Informationen ist dabei ein wechselseitiges Spiel - 281 Anfragen wurden dabei von den Behörden proaktiv an die Ermittlungsgruppe OLET herangetragen. „Die Auswertung der Panama Papers bringt Ermittler weltweit näher zusammen. Diese Schlagkraft werden Kriminelle auch in anderen Verfahren zu spüren bekommen“, so Finanzminister Schäfer.
Kritische Töne kamen unterdessen vom Sprecher der Grünen im europäischen Parlament, Sven Giegold: Die Bundesregierung habe nach den Panama Papers nicht konsequent genug gehandelt. „Verschachtelte Firmenkonstrukte erlauben es den wahren Eigentümern in Deutschland immer noch, unerkannt zu bleiben. Die Bundesregierung weigert sich bisher, die europäische Rechtslage zur Offenlegung von Firmenbesitzern auch bei Schachtelkonstruktionen umzusetzen. Wir brauchen eine Europäische Finanzpolizei mit eigenen Ermittlungsbefugnissen unter dem Dach von Europol.“
Anfang 2018 hatten die EU-Finanzminister Panama von ihrer schwarzen Liste der Steueroasen gestrichen. Das Land hatte zuvor zugesichert, seine Steuerpraktiken zu untersuchen und etwaig anzupassen. Die Kanzlei Mossack Fonseca, die im Zentrum der Enthüllungen durch die Panama Papers stand, hat unterdessen vor rund einem Jahr ihr operatives Geschäft eingestellt. Der Imageschaden, die Medienkampagne, finanzielle Konsequenzen und das irreguläre Vorgehen einiger panamaischer Behörden hätten „irreparablen Schaden verursacht“, so die Begründung.
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