Steueroasen USA drängen auf globale Mindeststeuer – Mehrere EU-Staaten zittern um Standortvorteil
London Die Idee, eine Untergrenze für Unternehmensteuern international zu verabreden, klingt bestechend – doch sie ist hochumstritten. Denn viele Länder sehen sich als Gewinner des bisherigen Steuerwettbewerbs. Und dabei handelt es sich nicht nur um berüchtigte Karibikstaaten wie die Bahamas oder die britischen Jungfrauinseln.
Auch europäische Nationen wie Irland, die Niederlande und Luxemburg betrachten die staatliche Beihilfe zur Steuergestaltung als wichtigen Beitrag zur Standortpolitik. Malta, Zypern und osteuropäische Länder wie Estland setzen ebenfalls auf Niedrigsteuern, um Investitionen ins Land zu holen und ihre Wirtschaft in Gang zu halten.
Wegen des freien Kapitalverkehrs auf dem europäischen Binnenmarkt ist der Steuerwettbewerb in der EU so stark ausgeprägt wie in kaum einem anderen Wirtschaftsraum. Nach Angaben der Hilfsorganisation Oxfam befinden sich fünf der zehn weltweit wichtigsten Niedrigsteuerstandorte in Europa.
Gerade US-Konzerne wissen das zu nutzen. Die Europatochter von Amazon residiert in Luxemburg. Facebook und Google haben sich in Irland niedergelassen. Auch wenn Steuervermeidungsspezialitäten wie der „Double Irish with a Dutch Sandwich“ inzwischen abgeschafft sind, zeugen sie von der Kreativität der Konzerne im Spiel mit Schlupflöchern und Steueroasen. Eine Harmonisierung der Unternehmensteuern ist innerhalb der EU immer wieder diskutiert worden – und jedes Mal gescheitert: Eine Mehrheit war nicht in Sicht.
Durch den Vorstoß der USA könnte sich das nun ändern. Washington will die Steuer auf Auslandsgewinne auf 21 Prozent anheben. Zugleich wollen sich die Amerikaner im Rahmen der Industriestaatenvereinigung OECD für eine internationale Mindeststeuer einsetzen, was die Wahrscheinlichkeit für einen Durchbruch deutlich erhöht.
Streit in der EU zu Steuerfragen
Die Pläne der Amerikaner machen „die meisten Steuervermeidungsmodelle in Europa unattraktiv“, sagt Sven Giegold, Finanzexperte der Grünen. „Den ruinösen Steuerwettbewerb in Europa können wir jetzt mit Amerika überwinden.“ Dazu, so Giegold, brauche US-Finanzministerin Janet Yellen jetzt transatlantische Unterstützung, auch wenn dies für Bundesfinanzminister Olaf Scholz Ärger mit den Steueroasen in der EU bedeute.
Dieser Ärger zeichnet sich bereits ab. Weil die Europäer in Steuerfragen zerstritten sind, wird auch der Vorstoß der Amerikaner innerhalb der EU sehr unterschiedlich bewertet. Gerade in Irland zeigen sich Politiker und Wirtschaftsvertreter alarmiert. Aus irischer Sicht hat sich das bisherige Modell bewährt.
Ganz Europa versank 2020 in der Corona-Rezession, nur Irland verzeichnete ein sattes Wirtschaftswachstum von 3,4 Prozent. Hauptgrund: Der große Exportsektor der multinationalen Unternehmen boomte dank der gestiegenen Nachfrage nach Medizintechnik, Pharma- und Techprodukten. Die Bilanz bestätigt die irische Strategie, globale Konzerne mit einem ultraniedrigen Körperschaftsteuersatz von nominal 12,5 Prozent auf die Insel zu locken.
Doch damit könnte es bald vorbei sein. Eine ungünstige OECD-Regelung dürfte für das Land teuer werden. Debattiert wird über zwei unterschiedliche Maßnahmen: Zum einen sollen globale Unternehmen künftig ihre Steuern in den Ländern zahlen, wo die Gewinne erwirtschaftet werden.
Das würde Irland zwei Milliarden Euro an Steuereinnahmen im Jahr kosten, schätzt das dortige Finanzministerium. Das entspricht knapp einem Fünftel der jährlichen Einnahmen aus der Unternehmensteuer.
Abkehr von der „globalen Steuermarke Irland“
Zum anderen will die OECD mit dem globalen Mindeststeuersatz eine verbindliche Untergrenze einziehen. Läge diese über dem irischen Satz von 12,5 Prozent, würden sich die Steuereinnahmen Dublins kurzfristig zwar erhöhen.
Langfristig aber könne dies zu weniger Investitionen und damit zu einer geringeren Steuerbasis führen, warnen Wirtschaftsverbände. Vor allem wäre ein Körperschaftsteuersatz von deutlich mehr als 12,5 Prozent eine Abkehr von der „globalen Steuermarke Irland“, sagt der Chef des Arbeitgeberverbands IBEC, Danny McCoy.

Die irische Regierung lockt seit zwanzig Jahren globale Konzerne mit einem niedrigen Körperschaftsteuersatz von 12,5 Prozent ins Land.
Sollte es der Biden-Regierung gelingen, ihre Steuerpläne durch den Kongress zu schleusen, hätte das auf den Standort Irland erhebliche Auswirkungen. Die US-Multis müssten dann 12,5 Prozent Körperschaftsteuer in Irland plus weitere 8,5 Prozent in den USA abführen, um auf die von der US-Regierung geforderten 21 Prozent zu kommen. Das würde es für amerikanische Firmen deutlich weniger reizvoll machen, sich in Irland anzusiedeln – was die abwehrende Haltung der Regierung in Dublin erklärt.
Etwas anders stellt sich die politische Lage in den Niederlanden da. Dort ändert sich die Position der Regierung aus innenpolitischen Gründen. Der angeschlagene Premier Mark Rutte wird sich künftig wohl auf eine Koalition mit der linksliberalen Partei D66 stützen müssen. Die Niederlande könnten damit künftig im EU-Kreis kompromissbereiter auftreten als bisher.
Auch in Luxemburg verändert sich das Kalkül.
In einem Fernsehinterview lobte Finanzminister Pierre Gramegna die US-Pläne sogar: Diese seien ein „Schritt in die richtige Richtung“ und im „besten Interesse“ der Europäer und Amerikaner. „Wir brauchen mehr Solidarität“, forderte der Finanzminister. Eine bemerkenswerte Kehrtwende für das Herzogtum, das in der Steuerpolitik bisher nicht auf Solidarität, sondern auf seine nationale Souveränität gepocht hatte.
Mehr: Irland erlebt ein kleines Wirtschaftswunder – trotz des Brexits
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Auch IRLAND und LUXEMBURG lassen grüßen.
@A. Hansen - ich kann Ihnen nur zustimmern.
Schon peinlich genug, dass mal wieder ein Impuls von aussen (USA) kommen muss damit in Brüssel mal wer aufwacht. Über Solidarität wird ja viel geschwafelt wenn es um das Anzapfen vermeintlich reicher EU Länder geht. Gemeinsame Steuerregeln wären aber mal ein solidarischer Anfang, um den EU Steueroasen wie Irland, Niederlande, Luxemburg oder Malta trocken zu legen.
Wird aber nicht passieren. Also steigt die Unzufriedenheit über 'diese EU' und wir warten, bis der nächste austritt.
Ein jeder sollte sein Steuerpäckchen mit Anstand tragen. Es kann ja nicht sein, dass Einzelunternehmer aufgrund der fehlenden Umsetzungsmöglichkeit (ebenso wie Facebook uvm. zu agieren) die Dummen sind. Wir stecken alle im selben Geldkreislauf und da kotzt es mich an, dass Unternehmen wie Lufthansa 200mio Gewinn in Malta einbuchen und im Resetfall der deutsche Steuerzahler herhalten muss.
Es sollte nicht so schwer sein moralisches Rückrat zu beweisen. Das gleiche gilt für Politiker, die hunderte Millionen (mit Maut und Deutsche Bundesautobahn GmbH) in den Sand setzen. Abtreten und gut ist. Die Pattexmentalitiät sollte man einfach mit der Eisenstange aus dem Gefängnis brechen.