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Streit mit Brüssel EU ist empört: Großbritannien will neues Brexit-Abkommen zu Nordirland

In Nordirland leiden britische Unternehmen unter dem Brexit-Effekt. Premier Johnson will daher nun den Ausstiegsvertrag nachverhandeln. Die EU lehnt das kategorisch ab.
21.07.2021 - 17:59 Uhr Kommentieren
Gegner des Nordirlandprotokolls protestieren gegen den Sonderstatus der Region. Quelle: imago images/NurPhoto
Demonstration in Belfast

Gegner des Nordirlandprotokolls protestieren gegen den Sonderstatus der Region.

(Foto: imago images/NurPhoto)

London Das Nordirlandprotokoll ist erst seit gut sieben Monaten in Kraft, doch die britische Regierung will es schon wieder neu verhandeln. In einem 28-seitigen Dokument veröffentlichte sie am Mittwoch ihre Forderungen an die EU. „Wir können nicht so weitermachen wie bisher“, sagte Brexit-Minister David Frost im britischen Oberhaus. Es seien „erhebliche Änderungen“ notwendig.

Mit der Intervention kurz vor der Sommerpause eskaliert Frost den Streit um die EU-Grenzkontrollen in der britischen Provinz. Explizit drohte er damit, die Vereinbarung aufzukündigen. „Die Bedingungen sind gegeben, um den Artikel 16 des Protokolls anzuwenden“, sagte er. Demzufolge darf ein Partner bei „ernsthaften wirtschaftlichen Störungen“ das Protokoll einseitig aufheben. Man hoffe aber, dass die EU verhandlungsbereit sei, sagte Frost. Gemeinsam wolle man „ein neues Gleichgewicht“ finden.

Warum will Großbritannien das Protokoll nachbessern?

Seit dem Brexit zum Jahresbeginn gibt es eine Zollgrenze in der Irischen See. Denn Großbritannien ist nicht mehr Teil des Europäischen Binnenmarkts und der Zollunion, der britische Landesteil Nordirland aber schon. Alle Güter, die aus Großbritannien nach Nordirland geliefert werden, unterliegen daher EU-Grenzkontrollen. Britische Unternehmen klagen über Verzögerungen und zusätzliche Kosten, weil sie Zollformulare ausfüllen müssen. Es gebe erhebliche Probleme bei Lieferungen von Lebensmitteln, Medikamenten, Tieren und Pflanzen, sagte Frost.

Der Chairman der britischen Supermarktkette Marks & Spencer, Archie Newman, warnte, dass es zu Weihnachten Lücken in den Regalen in Nordirland geben könne, wenn es keine Neuregelung für Lebensmittel gebe.

Was genau schlägt Frost vor?

Die Regierung will Änderungen in drei Punkten. Erstens sollen britische Unternehmen von Warenkontrollen verschont bleiben, wenn sie angeben, dass ihre Güter in Nordirland bleiben und nicht über die offene Landgrenze nach Irland gelangen. Zweitens soll die EU erlauben, dass Güter mit britischer Zulassung in Nordirland verkauft werden können.

Das betrifft etwa Medikamente. Drittens sollen die EU-Institutionen, darunter der Europäische Gerichtshof, keinerlei Zuständigkeit für Nordirland mehr haben.
Um genug Zeit für die Verhandlungen des neuen Protokolls zu haben, schlägt Frost ein Moratorium vor. Sämtliche Übergangsperioden sollen weitergelten, bis eine Einigung gefunden ist.

Warum kommt dieser Vorschlag ausgerechnet jetzt?

Ende September läuft die Übergangsperiode für Lebensmittel aus. Danach darf keine frische Wurst und Hackfleisch mehr nach Nordirland exportiert werden. Die EU-Binnenmarktregeln sehen vor, dass Fleisch aus Drittstaaten eingefroren sein muss. Im Hinblick auf die neue Deadline wollte Frost offenbar schon einmal den Druck auf die EU erhöhen, bevor alle Akteure in die Sommerpause verschwinden.

Was sagt die EU dazu?

Die EU lehnt die Forderungen rundheraus ab. „Wir werden nicht nachverhandeln“, sagte EU-Kommissionsvize Maros Sefcovic. In Brüssel ist die Empörung groß, dass Premier Boris Johnson sich nicht an den Ausstiegsvertrag halten will, den er selbst ausgehandelt hat. Man sei bereit, über „kreative Lösungen im Rahmen des Protokolls“ zu reden, sagte der irische Europaminister Thomas Byrne der BBC. Aber man dürfe nicht vergessen, dass Großbritannien selbst entschieden habe, den Binnenmarkt zu verlassen und bürokratische Hürden im Handel einzuführen.

Auch im Europaparlament wurden die Briten an ihre Verpflichtungen erinnert. „Die EU sollte jetzt weiter auf die rechtmäßige Implementierung des Nordirlandprotokolls drängen und der britischen Regierung klarmachen, dass sie praktikable Lösungsvorschläge im Rahmen des Protokolls erwartet“, sagte Anna Cavazzini , Grünen-Abgeordnete und Vorsitzende des Binnenmarktausschusses.

„Es war glasklar, dass das Nordirlandprotokoll Zollkontrollen in der irischen See mit sich bringen wird. Anstatt zur eigenen Politik zu stehen und sich an internationale Verträge zu halten, gießt Frost jetzt mit seinen Vorschlägen populistisches Öl auf das Feuer, was in Nordirland lodert.“

Unterstützung erhielt die EU aus Washington. Großbritannien müsse im Rahmen der „bestehenden Mechanismen“ bleiben, sagte ein Sprecher des US-Außenministeriums. Dies hatte US-Präsident Joe Biden seinem Gastgeber Johnson bereits beim G7-Gipfel gesagt.

Wie begründet Frost seine Forderungen?

Der Brexit-Minister führt zwei Argumente an: Zum einen seien die EU-Kontrollen übertrieben. So fänden 25 Prozent aller Kontrollen an EU-Außengrenzen in Nordirland statt, obwohl hier nur ein Bruchteil des Außenhandels passiert. Aus Frosts Sicht ist es daher nur eine Frage des politischen Willens in Brüssel, die Kontrollen zu verringern. Zum anderen sei Nordirland ein „integraler Bestandteil“ des Königreichs, sagte Frost.

Die „erzwungene Trennung“ vom Rest Großbritanniens führe zu Unruhen unter den nordirischen Unionisten. Das sei nicht im Sinne des Karfreitagsabkommens, zu dem die EU sich ebenfalls bekennt. Mit dem Abkommen war einst der Bürgerkrieg in der Provinz beendet worden.

Was kann die EU tun, wenn Großbritannien das Protokoll aufkündigt?

Wenn eine Seite den Vertrag kündigt, darf die andere Seite Ausgleichsmaßnahmen ergreifen. Dies könnten zum Beispiel Strafzölle auf britische Produkte sein. Johnson setzt jedoch darauf, dass die EU einen solchen Handelskrieg vermeiden will.

Mehr: Supermärkte warnen vor Konsequenzen im Brexit-Streit um Nordirland

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