Studie Produktive GroKo – Union und SPD setzen viele Wahlversprechen um
Berlin In den ersten 15 Monaten dieser Legislaturperiode hat die große Koalition 140 von 296 Wahlversprechen umgesetzt. Immerhin 40 Versprechen wurden bereits in Angriff genommen. Das geht aus einer neuen Studie der Bertelsmann-Stiftung hervor, die am Montag präsentiert wurde. Studienautor Robert Vehrkamp von der Bertelsmann-Stiftung betonte auf einer Pressekonferenz, dass es nicht darum gehe, „ob die umgesetzten Versprechen politisch sinnvoll“ seien. „Aber aus unserer Sicht ist das Einhalten und Umsetzen von Wahlversprechen bereits ein Wert an sich.“
Laut der Studie hat das Innenministerium die meisten Wahlversprechen umgesetzt, gefolgt vom Arbeits- und dem Gesundheitsministerium. Auf den letzten drei Plätzen liegen das Auswärtige Amt, das Entwicklungsministerium und das Wirtschaftsministerium. Das Verteidigungsministerium hat hingegen den größten Anteil seiner Versprechen umgesetzt: von 13 gesetzten Zielen wurden zehn umgesetzt.
Viele der GroKo-Versprechen beruhen auf Forderungen der SPD. Sie war demnach erfolgreicher darin, ihre Punkte im Koalitionsvertrag unterzubringen. Etwa 25 Prozent aller Versprechen des Koalitionsvertrags finden sich ausschließlich im Wahlprogramm der Sozialdemokraten.
Auf die Union hingegen entfallen nur elf Prozent. Bei der Umsetzung sind die Koalitionspartner gleichauf: von den unionsgeprägten Versprechen wurden 44 Prozent, von den SPD-geprägten 45 Prozent umgesetzt. „Interessant ist hierbei, dass etwa die Hälfte der Versprechen im Koalitionsvertrag, auf keines der Wahlprogramme zurückgeführt werden können“, so Vehrkamp.
Interner Streit schadet der GroKo
Wenn die Große Koalition im Großen und Ganzen ganz erfolgreich regiert, warum ist sie dann so unbeliebt? Nach Einschätzung des Politikwissenschaftlers Wolfgang Schröder liegt das vor allem an internen Querelen. „Vor allem im Sommer 2018 hat die große Koalition interne Konflikte ausgetragen, die von außen kaum nachvollziehbar waren. Das hat der Koalition massiv geschadet“, so Schröder auf der Pressekonferenz. Die Koalition habe damals 15 Prozent an Vertrauen in Umfragen verloren. Davon habe sie sich nie wieder erholt.
Nach Einschätzung Schröders fehle es aber auch an einer kritischen Öffentlichkeit: „1990 wurden in Deutschland 30 Millionen Zeitungen täglich gedruckt, heute sind es noch 15 Millionen.“ Eine Bewertung von Politik setzte auch eine gewisse Informiertheit voraus.
„Wenn man die großen Themen unserer Zeit nimmt – Migration, Ökologie und soziale Gerechtigkeit – fragt man sich, was die große Koalition hier bewegt“, so Schröder. Die angegangenen Reformen seien zu kleinteilig, um wirklich Veränderung darzustellen. Das überlagere die positiven, kleineren Erfolge.
Sachlichere Berichterstattung
Auch die Medien trügen nach Ansicht der Studien-Autoren eine Teilschuld. Die Verfasser fordern daher mehr Fairplay zwischen Politik und Medien. „Das Berichten über Personen und Skandale ist natürlich interessanter als das Berichten über Sachthemen“, so Schröder. Außerdem werde der Kompromiss zu oft als Schwäche interpretiert.
„Dabei ist der Kompromiss eigentlich eine Stärke der Demokratie. Es geht eben um den Konsens verschiedener Interessen und Gruppen. Kompromisse dürfen nicht immer sofort verdächtigt werden, faule Kompromisse zu sein“, regt er an. Medien könnten neben Umfragen und Politbarometern auch eine Art Evidenzbarometer einführen.
Gemeint ist damit eine Übersicht, die aufzeigt, welche Sachthemen und Gesetze in der Regierung angegangen und umgesetzt werden. Hier sieht Schröder die Parteien aber auch selbst in der Verantwortung: „Die Parteien müssen ihre gute Bilanz selbst kommunizieren. Sie leben zu stark im Augenblick anstatt im Gesamtprozess.“
Union und SPD haben im Koalitionsvertrag eine Revisionsklausel festgeschrieben, um zur Hälfte der Legislatur zu bewerten, ob die Regierung noch eine Zukunft hat. Nach Einschätzung von Studienautor Vehrkamp ist es jedoch nicht sinnvoll, die Regierung zu beenden: „Es wird schwer, den Wählerinnen und Wählern zu erklären, warum eine eigentlich gut funktionierende Regierung beendet werden sollte.“ Stattdessen sollten die Parteien die Revisionsklausel als Chance nutzen, sich neue, gemeinsame Ziele für den Rest der Regierungszeit zu setzen.
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