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Südamerika Endzeitstimmung für Bolsonaro: Superminister Guedes wird zur Belastung für Brasiliens Präsidenten

Die Wiederwahl-Chancen des Präsidenten schwinden: Er verliert nun auch den Rückhalt in der Wirtschaft. Hinzu kommt ein verheerender Abschlussbericht des Senats über Bolsonaro.
25.10.2021 - 16:06 Uhr Kommentieren
Brasiliens Präsident hat vor wenigen Tagen bekräftigt, dass sein Wirtschafts- und Finanzminister im Amt bleiben wird. Quelle: AP
Jair Bolsonaro und Paul Guedes

Brasiliens Präsident hat vor wenigen Tagen bekräftigt, dass sein Wirtschafts- und Finanzminister im Amt bleiben wird.

(Foto: AP)

Salvador Selbst Fans von Jair Bolsonaro dürften inzwischen überrascht sein über die Zahl und das Ausmaß der Skandale, die der brasilianische Präsident in seiner bisherigen Amtszeit verursacht hat. All jene, die dachten, so schlimm werde es nicht werden, verwiesen stets auf Paulo Guedes.

Für die brasilianische Wirtschaft etwa war der Superminister für Wirtschaft und Finanzen ein Garant dafür, dass die Regierung einen vernünftigen und liberalen Reformkurs einschlagen würde. Der Präsident selbst verwies in allen Wirtschaftsfragen immer auf den Chicago-Ökonomen.

Doch das Bild hat sich gewandelt. Guedes wird zunehmend zu einer Belastung für Bolsonaro. Der ehemalige Investmentbanker ist mittlerweile so geschwächt, dass Bolsonaro jetzt sogar Pressekonferenzen mit ihm abhält, um ihn zu stärken. „Es wird keine Abenteuer in der Wirtschaft geben“, versicherte Bolsonaro zuletzt mit Blick auf die Finanzmärkte. Der brasilianische Aktienindex hatte in der vergangenen Woche zehn Prozent verloren, auch der Real stürzte um fünf Prozent gegenüber dem Dollar ab.

Der Grund für die Panikreaktionen der Finanzinvestoren ist tatsächlich die Personalie Guedes selbst. Der einstige Stabilitätsgarant öffnet plötzlich die staatlichen Geldschleusen. Das gesetzlich erlaubte Ausgabenlimit gelte nicht mehr. „Lieber ein bisschen besser dastehen im Sozialen, als eine Eins bei der Budgetdisziplin zu bekommen“, sagte Guedes vergangene Woche.

Aus Protest traten vier Staatssekretäre überraschend von ihren Ämtern zurück, seit Anfang 2019 haben damit 16 hochrangige Mitarbeiter Guedes’ Team verlassen. Es ist ein offenes Geheimnis, dass die Ökonomen die Regierung nun verlassen, um künftig nicht verantwortlich gemacht zu werden für missachtete Haushaltsregeln.

Senatsausschuss nimmt Forderung zur Klage gegen Jair Bolsonaro an

Für Bolsonaro sind die jüngsten Entwicklungen bedrohlich – denn seine Chancen auf eine zweite Amtszeit bei den Wahlen in einem Jahr schwinden. Seine Zustimmungswerte liegen derzeit bei 25 Prozent, Tendenz sinkend.

Bolsonaro verliert in der Wirtschaft Rückhalt

Ian Bremmer, Chef der Politberatung Eurasia Group, sieht inzwischen keine „zweite Runde“ für Bolsonaro. Vor allem sein Rückhalt in der Wirtschaft sinke. „Viele Investoren und Unternehmen, die ihn unterstützt haben, werden das nicht mehr tun.“

Denn Bolsonaro und Guedes zerstören die letzten Fundamente, die Brasiliens Wirtschaft noch stützen. Die Ausgabenbremse war erst 2017 eingeführt worden und bescherte Brasilien die niedrigsten Zinsen seiner Wirtschaftsgeschichte.

Das ist nun vorbei. Investmentbanken wie UBS rechnen damit, dass die brasilianische Zentralbank bereits im Januar den Leitzins auf über zehn Prozent erhöhen muss, um die Inflation einzudämmen.

Die allgemeine Teuerung ist in Brasilien bereits jetzt auf über zehn Prozent gestiegen, die Preise eines durchschnittlichen Lebensmittelwarenkorbs haben in den vergangenen zwölf Monaten gar um 16 Prozent zugelegt. Die Abwertung des Real erhöht zudem den Inflationsdruck.

Weil die Zentralbank deshalb noch länger die Zinsen hochhalten muss, schrauben Investmentbanken ihre Wachstumsprognosen für das nächste Jahr herunter. Credit Suisse etwa rechnet noch mit einem mageren Plus von 0,6 Prozent im Jahr 2022. Die Wirtschaftsleistung liegt derzeit immer noch 3,2 Prozentpunkte unter dem Niveau des Jahres 2014, dem letzten Wachstumsjahr.

Grund dafür, dass Bolsonaro und Guedes die Ausgabenregeln missachten, ist die sinkende Popularität des Präsidenten. Im Abschlussbericht eines Untersuchungsausschusses im Senat wurde er beschuldigt, im Verlauf der Pandemie neun Straftaten begangen zu haben – darunter Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Scharlatanerie, weil er bis heute wirkungslose Medikamente gegen Corona empfiehlt statt Impfungen.

Zwar werden die Anklagen für ihn strafrechtlich folgenlos bleiben, weil der Generalstaatsanwalt bisher jede Anklage abgeschmettert hat. Doch dass insgesamt 70 Personen aus Bolsonaros Umfeld – Minister, Ex-Minister, hochrangige Militärs, Unternehmen sowie seine Söhne – ebenfalls im Bericht beschuldigt werden, stört bereits jetzt den Regierungsbetrieb empfindlich und liefert der Opposition Munition für den Wahlkampf.

Um von dieser Misere abzulenken und seine Beliebtheitswerte bei Ärmeren zu stützen, will Bolsonaro nun die Sozialhilfe bereits ein Jahr vor den Wahlen erhöhen. Im vergangenen Jahr gelang ihm das bereits einmal – doch da nun vor allem die Ärmeren unter der Inflation leiden, ist unklar, ob seine Strategie diesmal aufgeht.

Ex-Präsident Lula da Silva führt in Umfragen

In Brasília kursieren bereits Gerüchte, dass der Präsident im Fall einer Wahlniederlage Abgeordneter oder Senator werden will, um sich durch Immunität vor Prozessen zu schützen. In Umfragen führt Luiz Inácio Lula da Silva deutlich, der bis 2011 Präsident des Landes war.

Zwar sind viele Unternehmer wenig begeistert von dem ehemaligen Gewerkschafter und Arbeiterführer, dessen Regierung in den größten Korruptionsskandal der Geschichte Brasilien verwickelt war. Dennoch erwartet Politexperte Bremmer nicht, dass es zu einem massiven Kapitalabfluss kommen wird, sollte Lula die Wahlen gewinnen. „Ich erwarte sogar eine größere Stabilität der Wirtschaft“, sagt Bremmer. Er rechnet damit, dass Lula eine sozialdemokratische Regierung leiten wird, die sich für die Arbeitnehmer und die Beschäftigung einsetzt – aber nicht radikal verstaatlicht oder enteignet.

Noch ist aber offen, ob den Brasilianern nur die Wahl zwischen Bolsonaro und Lula bleibt. Der ehemalige Präsident des Kongresses Rodrigo Maia meint: „Bolsonaros sinkende Popularität schafft Platz für einen neuen Mitte-Kandidaten.“ Die Favoriten für eine Kandidatur sind João Doria (66), Gouverneur von São Paulo, sowie Eduardo Leite (36), sein direkter Konkurrent in der rechtsliberalen PSDB-Partei und Gouverneur von Rio Grand do Sul.

Mehr: Kommentar: Europa droht den Anschluss in Südamerika zu verlieren

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