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Suga-Nachfolger „Herr Weiter-so“ – Wofür Japans künftiger Regierungschef steht

Fumio Kishida ist zum Chef der Liberaldemokratischen Partei gekürt worden – doch sein Erfolg kann auch von kurzer Dauer sein. Ein Porträt von Japans Ex-Außenminister.
29.09.2021 Update: 29.09.2021 - 13:08 Uhr Kommentieren
Als erster Politiker meldete Kishida im August seine Kandidatur um das Amt des Parteipräsidenten und damit Regierungschefs an. Quelle: Reuters
Fumio Kishida

Als erster Politiker meldete Kishida im August seine Kandidatur um das Amt des Parteipräsidenten und damit Regierungschefs an.

(Foto: Reuters)

Tokio Japans zukünftiger Ministerpräsident Fumio Kishida ist kein Mann, der die Massen bewegt. Steif stand er am Mittwoch nach seinem Sieg in der Präsidentschaftswahl der regierenden Liberaldemokratischen Partei (LDP) auf einer Bühne in Tokio, beide Arme fest an seiner Seite. Nur kurz erhob er die Stimme. „Es gibt keine Seiten“, rief er seiner Partei und seinen drei Gegenkandidaten zu.

Gemeinsam wolle man in den Unterhauswahlen kämpfen, die voraussichtlich im Oktober stattfinden werden. Er wolle dem Volk eine neugeborene Partei präsentieren, eine Partei, die zuhören kann. Die Abgeordneten applaudierten. Aber ein kurzer Absturz des Nikkei-225-Aktienpreisindexes um 200 Punkte nach dem ersten Wahlgang, nach dem sein Sieg bereits feststand, spiegelte bereits eine Krux von Kishida wider:

Statt der Hoffnung von Anlegern auf starke Reformen in entscheidenden Fragen wie Klimaschutzpolitik, Digitalisierung der Gesellschaft und einem Fitnessprogramm für Japans Wettbewerbsfähigkeit hat die LDP Japan nun einen Vertreter des innerparteilichen Mainstreams gegeben, einen Herrn Weiter-so. Dieses deutete Kishida in seiner kurzen Antrittsrede bereits an.

Als Erstes wolle er in diesem Jahr ein mehrere-100-Milliarden-Euro-großes Konjunkturprogramm gegen die Auswirkungen der Coronakrise auf den Weg bringen. Probleme mit Geld zu lösen ist dabei eine Tradition der Dauerregierungspartei, die bis auf wenige Jahre in der Opposition seit 1955 das Land regiert. Die Staatsverschuldung von mehr als 250 Prozent des Bruttoinlandsprodukts ist ein Zeuge.

Danach will er seine Prioritätenliste angehen, die er im Wahlkampf versprochen hat: Ganz oben steht ein „neuer Kapitalismus“: Kishida will die „Abenomics“ fortsetzen, die sein Vorvorgänger Shinzo Abe 2012 geprägt hatte, allerdings mit einem neue Twist.

Kishidas Wahl überrascht nicht

Es soll nicht nur hohe Staatsausgaben, eine Geldflut der Notenbank, die durch Käufe von Staatsanleihen die Staatsverschuldung stabilisiert und Wachstumsprogramme geben, sondern zusätzlich eine Umverteilung von Einkommen zum Wohle der Armen und den ländlichen Regionen, die massiv unter schrumpfender Bevölkerung leiden. Doch auch das ist ein alter Hut. Kishida führt jetzt den Machtflügel an.

Der 64-Jährige setzte sich in einer Stichwahl gegen Taro Kono durch. Quelle: Reuters
Fumio Kishida

Der 64-Jährige setzte sich in einer Stichwahl gegen Taro Kono durch.

(Foto: Reuters)

Doch trotz des Mangels an Originalität überrascht seine Wahl nicht. Denn während der achtjährigen Regierungszeit von Shinzo Abe wurde Kishida bereits als möglicher Nachfolger in der Partei gehandelt.

Kishida stammt wie viele Abgeordnete der LDP aus einer alten Politikerfamilie. Schon sein Großvater und sein Vater saßen im Unterhaus. Er ist sogar entfernt verwand mit dem früheren Ministerpräsidenten Kiichi Miyazawa. Nach dem Studium sammelte er zuerst etwas Erfahrung in einer Bank, bevor er Sekretär seines Parlamentariers und dann ab 1993 selbst Abgeordneter wurde.

Nach Abes Amtsantritt im Jahr 2012 wurde Kishida zum am längsten amtierenden Außenminister des Landes und kennt damit Japans China-Politik aus Verhandlungsbereitschaft, Konfrontation in Sicherheitsfragen und dem Ausbau von internationalen Allianzen unter Führung von Japans Schutzmacht USA gut.

2017 übernahm er dann die Leitung des Politikrats der LDP, traditionell ein Sprungbrett zum höchsten Regierungsamt. Aber als Abe voriges Jahr zurücktrat, trat Kishida an. Aber die Parteiführer gaben Yoshihide Suga den Vorzug, quasi als Platzhalter in der Coronakrise.

Dennoch schien Kishida entmutigt. Doch die Niederlage habe ihn „ein bisschen in einen Kämpfer verwandelt“, erklärt der Architekt seiner Wahlkampagne, der LDP-Politiker Yoshimasa Hayashi. Und so trat Kishida auch auf.

Unterhauswahl steht noch bevor

Als erster Politiker meldete er im August seine Kandidatur um das Amt des Parteipräsidenten und damit Regierungschefs an. Und mit der Bewerbung ging er aggressiv in die Medien, um sein Programm vom „neuen Kapitalismus“ unters Wahlvolk zu bringen.

Damit kam er anfangs nicht besonders gut an. In Meinungsumfragen führte ausgesprochene Reformbefürworter und Atomkraftgegner Taro Kono deutlich an der Parteibasis. In der Präsidentschaftswahl führte Kono an der Basis dann auch. Aber in der Partei hat Kono viele Feinde.

Alle nur nicht Kono, soll ein wichtiger Wahlgrund für viele Abgeordnete gewesen sein. Yuichi Hosoya, ein Professor an der Keio-Universität drückte dies positiv aus. Wichtig sei gewesen, dass er trotz seiner relativ liberalen Position innerhalb der LDP in der Lage war, die konservativen Wähler anzusprechen.

Denn Kono versprach faktisch einen schrittweisen Ausstieg aus der Atomenergie, drastische Digitalisierung und neue Regeln für die Wirtschaft, um Japans Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen. Sprich, er wollte viele Pfründe gleichzeitig angreifen.

Kishida wirkt dagegen schon persönlicher bekömmlicher fürs Establishment als der leicht aufbrausende Kono. Kishida sei „sehr stabil, freundlich, hebt niemals die Hand oder seine Stimme“, erklärt sein Weggefährte Hayashi. Dem Politologen Koichi Nakano von der Sophia-Universität gilt er aber nicht deswegen als schwacher Regierungschef.

Kishida müsse seine Politik mit den konservativen Kräften wie dem Ex-Premier Abe und Finanzminister Taro Aso koordinieren, so Nakano. Damit dürfte die Rolle von Technokraten, die Japan im Hintergrund führen, wieder wachsen – und Japan zurückfinden zu einem steten Fluss schrittweiser Anpassungen von Politik an die Zeitläufe.

Insgesamt waren vier Kandidaten bei der Wahl zum Partei- und Regierungschef angetreten. Neben Kishida und Kono erstmals auch zwei Frauen: Die stramm national-konservative Ex-Innenministerin Sanae Takaichi, die die nationalistischen und revisionistischen Ansichten von Ex-Premier Abe teilt und von diesem unterstützt wurde, sowie die liberalere Ex-Ministerin für die Gleichstellung der Geschlechter, Seiko Noda. Sie kandidierte erst in letzter Minute.

Bereits kommenden Montag wird Kishida als Ministerpräsident als Nachfolge von Suga vereidigt, der wegen schlechter Umfragewerte nach nur einem Jahr das Handtuch geworfen hatte.

Danach muss er zuerst die Unterhauswahl überstehen. Eine Verteidigung der absoluten LDP-Mehrheit wäre ein erster wichtiger Schritt. Bei einem schlechten Abschneiden könnte er schon bald wieder Geschichte sein.

Mehr: Kommentar: Nach dem Suga-Rücktritt droht Japan ein Rückfall in alte Zeiten

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