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Teuerung „Ich habe mich in der Inflation geirrt” – So streiten Paul Krugman und Larry Summers über den Preisanstieg

Die Starökonomen liefern sich einen Schlagabtausch über Gründe und Dauer des Preisschubs. Der ehemalige US-Finanzminister hat die Volksmeinung auf seiner Seite – und die Statistik.
16.11.2021 - 15:03 Uhr Kommentieren
Harvard-Professor Larry Summers warnt vor Inflationsgefahr. Quelle: Reuters
Ehemaliger US-Finanzminister Lawrence Summers

Harvard-Professor Larry Summers warnt vor Inflationsgefahr.

(Foto: Reuters)

Berlin Die aktuelle Inflationsdebatte lässt sich mit einem Bonmot von Kurt Tucholsky zusammenfassen: „Das Volk versteht das meiste falsch, aber es fühlt das meiste richtig.“ Während die Ökonomen darüber streiten, ob die derzeitigen Preissteigerungen nun dauerhaft oder vorübergehend sind, haben sich viele Menschen ihre Meinung durch ihre Alltagserfahrungen gebildet: Ob Heizkosten, Tankfüllungen oder Lebensmittel – die Preiskurven zeigen für viele Güter und Dienstleistungen stetig nach oben.

Der Streit der Gelehrten geht dennoch unbeirrt weiter, und mit dem früheren US-Finanzminister Larry Summers und dem Wirtschaftsnobelpreisträger Paul Krugman sind jetzt zwei Ökonomen aus der Schwergewichtsklasse in den Ring gestiegen: Während Krugman auf den ersten Teil von Tucholskys Volksweisheit beharrt, hat Summer sich früh auf die zweite Seite geschlagen.

Interessant ist der Schlagabtausch auch deshalb, weil sowohl Krugman als auch Summers politisch dem Lager der Demokraten zugerechnet werden und lange Zeit gemeinsam für eine expansivere Fiskalpolitik geworben haben. Dass sich die beiden Starökonomen dennoch über die Inflationsgefahr in die Haare kriegen, liegt auch daran, dass es seit Monaten zwischen dem progressiven und dem moderaten Flügel der Partei knirscht.

Während die Progressiven mit Unterstützung von Krugman massive Staatsausgaben für den sozialen und klimafreundlichen Umbau der US-Wirtschaft fordern, befürchten Summers und seine Anhänger aus der Mitte der Partei, dass die Regierung von US-Präsident Joe Biden vor allem mit ihrem Konjunkturpaket in Höhe von fast zwei Billionen Dollar der Wirtschaft einen enormen Inflationsschub versetzt hat.

Krugman kämpft allerdings mehr und mehr auf verlorenem Posten: Seit das US-Arbeitsministerium vergangene Woche mit einem Plus von 6,2 Prozent den höchsten Anstieg der Verbraucherpreise seit mehr als 30 Jahren verkündete, wachsen auch beim Wirtschaftsnobelpreisträger die Zweifel: „Ich habe mich in der Inflation geirrt und den derzeitigen Anstieg nicht kommen sehen“, twitterte Krugman. Er hätte nicht gedacht, dass das Konjunkturpaket, wie von Summers und anderen prophezeit, einen derart großen Nachfrageschub auslösen würde.

Inflationsgefahr könnte Trump den Weg zurück an die Macht ebnen

Krugman wäre nicht die streitbare Ikone des linksliberalen Amerikas, wenn er hinter sein Mea Culpa nicht doch ein dickes „Aber“ setzen würde. So weist der in Princeton lehrende Professor darauf hin, dass die reale Endnachfrage in den USA in den vergangenen zwei Jahren nur um 2,6 Prozent gestiegen sei. Die Inflation sei deshalb weniger die Folge von zu hohen Staatsausgaben als vielmehr das Ergebnis von globalen Lieferengpässen. „Das bedeutet nicht, dass die Inflation zwangsläufig vorübergehend sein wird, obwohl ich das immer noch für das wahrscheinlichste Szenario halte“, so Krugman.

Die Antwort von Summers kam postwendend: „Paul Krugman setzt seine Bemühungen fort, die Inflationsgefahr für die amerikanische Wirtschaft und eine progressive Politik kleinzureden“, twitterte der nicht minder streitbare Politökonom nur wenige Stunden später. Summers ärgert es besonders, dass Krugman die Pandemie und den darauf folgenden Preisschub mit der Lage nach dem Zweiten Weltkrieg vergleicht. „Nach dem Angriff auf Pearl Harbor fragt man nicht: Wie groß ist die Produktionslücke?“ hatte Krugman seinem Widersacher im Februar vorgeworfen.

„Wenn dies das beste Argument ist (...), das jemand vorbringen kann, der so klug, rhetorisch wirksam und engagiert ist wie Paul, dann ist meine Angst vor der Inflation noch größer“, konterte Summers jetzt den Vergleich mit der Kriegswirtschaft. Die wirtschaftliche Lage von damals sei mit der aktuellen Situation nicht vergleichbar. Passender ist für ihn eine Parallele mit den 1970er-Jahren, die den Beginn einer weltweiten Stagflation einläuteten. Das ist nach den Worten von Summers auch politisch gefährlich: „Die übermäßige Inflation und das Gefühl, dass sie nicht kontrolliert wurde, trugen zur Wahl von Richard Nixon und Ronald Reagan bei und könnten Donald Trump wieder an die Macht bringen“, warnt er.

Princeton-Wirtschaftsprofessor Paul Krugman glaubt, der Preisschub ist nur vorübergehend. Quelle: Reuters
Wirtschaftsnobelpreisträger Paul Krugman

Princeton-Wirtschaftsprofessor Paul Krugman glaubt, der Preisschub ist nur vorübergehend.

(Foto: Reuters)

Der Streit der beiden Ökonomen ist mehr als ein akademisches Scharmützel zweier Rechthaber, sondern hat für die weitere Fiskal- und Geldpolitik große Bedeutung. Geht es doch darum, wann und wie stark die US-Notenbank Federal Reserve auf die geldpolitische Bremse treten soll. „Eine zu frühe Anhebung der Zinssätze könnte sich als großer Fehler erweisen, da die Fed nicht viel Spielraum für Zinssenkungen haben wird, wenn die Nachfrage nachlässt“, warnte Krugman in seiner Kolumne in der „New York Times“.

Summers ist ganz anderer Meinung und vergleicht die brenzlige Situation mit der eines Autofahrers am Ende eines Staus: „Wenn man vor sich sieht, dass der gesamte Verkehr zum Stillstand kommen könnte, fängt man an, so früh wie möglich zu bremsen“, mahnt er und konstatiert: „das ist der richtige Weg, um über das (Inflations-)Problem der Zentralbank im Moment nachzudenken.“

Ein Argument, das inzwischen offenbar auch bei der US-Notenbank angekommen ist. In ihrem jüngsten Inflationsausblick heißt es, der Preisdruck sei „voraussichtlich vorübergehend“. In früheren Erklärungen waren die Notenbanker noch der festen Überzeugung, dass die Inflation weitgehend durch „vorübergehende Faktoren“ bedingt sei.

Mit anderen Worten: Es sieht so aus, als würden Summers und Tucholsky recht behalten.

Mehr: Banker fordern von EZB rasche Bekämpfung der Inflation

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