Treffen in Biarritz Wie Macron beim G7-Gipfel Trump und Johnson einzuwickeln versucht

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und US-Präsident Donald Trump vor dem offiziellen Start des G7-Gipfels in Biarritz.
Biarritz Schon vor dem offiziellen Start des G7-Gipfels in Biarritz hat Frankreichs Präsident Emmanuel Macron zwei Teilerfolge erzielt: US-Präsident Donald Trump hat er mit einem kommunikativen Erstschlag überrumpelt. Und er ist dabei, Großbritanniens Premier Boris Johnson im europäischen Lager einzubinden. Dabei wollte Trump „BoJo“ als Spaltpilz in Europa nutzen.
Das Treffen an der Atlantikküste hat am Samstagabend mit einem Dinner begonnen. Zuvor redete Macron zwei Stunden lang mit Trump, die meiste Zeit unter vier Augen. Dann verkündete einer seiner Berater, man könne sich auch bei schwierigen Themen durchaus annähern: „Trump will keine Eskalation im Iran-Konflikt, wir wollen sie auch nicht. Trump will die Brände im Regenwald des Amazonas löschen, das wollen wir auch.“
Sogar bei der Besteuerung digitaler Unternehmen, die vor zwei Wochen Anlass zu einem Twitter-Gewitter von Trump gab, sei man auf dem Wege der Einigung: „Bruno Le Maire (Frankreichs Wirtschafts- und Finanzminister) und Steven Mnuchin (US-Finanzminister) arbeiten an den Details“, sagte der Berater.
Sollte der Gipfel der sieben wichtigsten demokratischen Industriestaaten am Ende doch mehr werden als ein netter Ausflug an die Küste des Baskenlandes? Noch ist nichts beschlossen.
Doch kommunikativ hat Macron seinen Gegenspieler Trump bereits am Samstag auf beeindruckende Weise eingetütet. Völlig überraschend lud er ein TV-Team an den Tisch, an dem er mit Trump zum Lunch Platz genommen hatte. Der Lunch der beiden Präsidenten stand auf keinem Programm, auch die Live-Schaltung dorthin nicht. Deshalb wirkte Trump wohl so überrumpelt.
Macron erläuterte in aller Ruhe erst auf Französisch, dann auf Englisch, auf was es ihm beim Gipfel ankomme: politische Konflikte einhegen, Wachstum stärken, Ungleichheit bekämpfen und das Klima schützen.
„Sicher, wir haben da manchmal unsere Divergenzen, aber gemeinsam können wir so viel erreichen, deswegen sind wir stolz und glücklich, Sie hier zu haben, Herr Präsident“, strahlte Macron sein Gegenüber an.
Und blickte dann sofort wieder in die Kamera, erläuterte seine Iran-Politik: „Iran darf keinen Zugang zu Atomwaffen bekommen, darüber hinaus müssen wir die Stabilität der Region schützen.“ Doch das Nuklearabkommen, das Trump aufgekündigt hat, sei gerade deshalb wichtig, dozierte Macron.
Lektion in Sachen Klimaschutz und Weltpolitik
Eine surreale Szene: Der mächtigste Mann der Welt hörte geduldig zu, wie Macron ihm eine Lektion in Sachen Klimaschutz und Weltpolitik gab. Trump selber zeigte sich deutlich weniger schlagfertig als in seinen Tweets.
„Wir sind alte Freunde, ich erinnere mich gerne an unser Abendessen auf dem Eiffelturm, das war ein sehr guter Start unserer Beziehung“, suchte er etwas gequält nach den passenden Worten. Ja, es gebe manchmal gewisse Differenzen.
Gerade erst drohte er Macron wegen der französischen Digitalsteuer mit Strafzöllen auf Wein. Kein Wort davon am Samstag, stattdessen lobte Trump die alte, stabile Beziehung zu Frankreich und fand: „Das Wetter hier ist perfekt, alle sind zufrieden, wir können an diesem Wochenende viel erreichen.“
Später äußerte sich Trump auf Twitter über die Zusammenkunft und bezeichnete sie als das „beste Treffen, das das Paar bislang hatte“. Auch das Treffen mit den Staats- und Regierungschefs sei „sehr gut gelaufen“.
Der zweite Teilerfolg von Macron ist die Einbindung von Boris Johnson. Der gab überhaupt nicht den Hilfssheriff von Trump, wie es befürchtet wurde. „Wir haben eine breite Übereinstimmung mit Großbritannien“, verkündeten französische Regierungskreise zufrieden nach einem Koordinierungstreffen der Europäer.
Und tatsächlich: Beim Festhalten am Iran-Nuklearabkommen, dem Eindämmen der Handelskonflikte, die Bemühungen um Klimaschutz oder bessere Chancen für Frauen in Afrika – stets hat Johnson in Biarritz dieselben Positionen bezogen wie Macron und Kanzlerin Angela Merkel. Auch der Italiener Giuseppe Conte – als Premier zurückgetreten, aber kommissarisch im Amt – zieht mit am selben Strang.
Das ist kein schlechter Auftakt für die Europäer. Sich von Trump nicht auseinanderdividieren zu lassen, ist die entscheidende Voraussetzung dafür, auf der internationalen Bühne Gewicht zu haben.
Differenzen gibt es allerdings zwischen Berlin und Paris wegen des Freihandelsabkommens der EU mit den südamerikanischen Mercosur-Staaten. Die Divergenzen versuchten französische Regierungskreise herunterzuspielen: Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro komme im Amazonas eindeutig nicht den Verpflichtungen nach, die er mit dem Abkommen eingegangen sei.
Deshalb habe auch Frankreich das Recht, seine Position zu ändern. Im Grunde aber sei man mit Berlin einer Meinung. Macron hatte am Freitag gesagt, er werde das Abkommen nicht ratifizieren. Berlin hält das für den falschen Ansatz.
„Wir haben eine vollkommene, tiefe Übereinstimmung mit der Kanzlerin“, versicherte der Macron-Berater nach dem Treffen der beiden Chefs. Das gelte in allen Fragen: Iran, Amazonas, Handel. Das ändert allerdings nichts an der Tatsache, dass die Bundesregierung das Abkommen mit den Mercosur-Ländern ratifiziert sehen will. Denn es ist ein Schritt hin zu einem offenen, regelbasierten Welthandel – und verbessert Europas Position im Außenhandel.
Europäer wollen Iran zeitweilig Ölexporte erlauben
Beim Dinner in einem alten Leuchtturm behandelten die Sieben die außenpolitischen Fragen. Trump saß neben Macron, auf dessen anderer Seite der Kanadier Justin Trudeau. Merkel war zwischen Trudeau und Johnson platziert, der zum ersten Mal an einem G7-Gipfel teilnimmt.
Das Essen bereitete der französische Starkoch Cédric Béchade vor, der aus der Region stammt. Bei Piperade, einem baskischen Gericht mit Paprika, Tomaten, Eiern und dem Hauptgang aus rotem Thunfisch versuchten die Europäer Trump davon zu überzeugen, dass es ein Vorteil wäre, die Iraner zumindest zeitweilig Rohöl exportieren zu lassen. Das würde die Lage entspannen und das Interesse der Iraner an einer dauerhaften Lösung des Konflikts um ihr Nuklearprogramm und ihre Rolle in der Region stärken.
Macron und seinen Diplomaten ist klar, dass es mit Trump keine große Lösung in den wichtigsten Streitfragen wie Klima, Handel und Iran geben wird. Deshalb setzen sie auf kleine Teilschritte. Beim Klima soll es eine gemeinsame Aktion für den Regenwald werden, beim Handel eine Deeskalation: Europäer und USA sollen sich nicht mit neuen gegenseitigen Zöllen auf Flugzeuge und Autos überziehen, die Trump angedroht hat.
Handel und Wirtschaft werden am Sonntag besprochen
Handel und Weltwirtschaft sind die Themen der ersten Arbeitssitzung am Sonntag. Macron schlägt neben der Entspannung im Handelskonflikt eine gemeinsame Aktion zur Konjunkturbelebung vor. Vor allem Deutschland solle mehr Geld ausgeben, um den drohenden Abschwung abzufangen. Doch bereits im Vorfeld zückte Berlin die zur Monstranz erhobene „schwarze Null“, die mittlerweile jeder französische Politiker auf Deutsch aufsagen kann.
Weiter geht es im Gipfel-Programm mit einem Treffen, an dem auch afrikanische Staatschefs teilnehmen. Eine Neuauflage der Sahel-Initiative, die Paris und Berlin bereits vor zwei Jahren versucht hatten, soll dabei vereinbart werden, und eine Aktion für Frauen als Unternehmerinnen in Afrika.
Sehr zugeknöpft geben sich die Franzosen beim Thema Brexit. Das sei kein G7-Thema, sagen sie ausweichend. Doch dürfte sicher sein, dass Merkel und Macron eines klargemacht haben: Wenn Boris Johnson auf Unterstützung der beiden bei der Frage des Ausscheidens aus der EU hofft, muss er sich in internationalen Fragen pro-europäisch verhalten. Beim Gipfel-Auftakt bekam man den Eindruck, dass Johnson sich darum bemüht.
Mehr: Der Weltkonjunktur droht ein globaler Abschwung. Bei der Suche nach den Schuldigen sind die Fingerabdrücke von Trump, Johnson und Merkel überall zu finden.
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