Trotz Krise Österreich sehnt sich nach deutschen Touristen – Ministerin bringt Sonderregelung ins Spiel

Die österreichische Ministerin stellt die Bevölkerung auf „eine andere Art von Urlaub“ in diesem Jahr ein.
Wien Im Garten von Schloss Mirabell in Salzburg herrschte am Sonntagnachmittag gähnende Leere – trotz Sonne und frühlingshafter Temperaturen. Normalerweise ist die Anlage mit ihrem Blick auf die Festung Hohensalzburg und die umliegenden Alpengipfel ein Besuchermagnet, insbesondere für Touristen aus dem nahen Bayern. Doch die Grenze zu Deutschland am Walserberg ist zu einer schwer überwindbaren Hürde geworden.
Österreich lässt in der Regel Ausländer nur ins Land, wenn sie an der Grenze einen Nachweis erbringen, dass sie vom Coronavirus nicht infiziert sind. Die Hotellerie und Gastronomie sind in Salzburg wie anderswo in Österreich geschlossen. Die Fremdenverkehrswirtschaft als Schlüsselbranche für das Tourismusland Österreich steht deshalb mit dem Rücken zur Wand.
Darauf will die österreichische Regierung möglichst schnell reagieren: Trotz der eingeschränkten Reisefreiheit prüft die Alpenrepublik, die Grenzen für deutsche Touristen wieder zu öffnen. Tourismusministerin Elisabeth Köstinger schlägt dafür eine gesonderte Vereinbarung mit Berlin vor, damit die Deutschen ungehindert ihren Sommerurlaub in Österreich verbringen können.
„Dadurch, dass wir die Ausbreitung des Coronavirus relativ gut im Griff haben und als Bundesregierung schon Lockerungen der Maßnahmen Schritt für Schritt in Aussicht stellen können, planen wir durchaus auch, dass es im Sommer Ferientourismus geben wird", sagte die Vertraute von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) der „Presse am Sonntag“. Die Einschränkung der Reisefreiheit werde in den nächsten Monaten noch erhalten bleiben. „Wenn Länder aber auch auf einem sehr guten und positiven Weg sind, wie beispielsweise Deutschland, dann gibt es durchaus auch die Möglichkeit, dass man sich bilateral einigt“, sagte Köstinger.
Wann es eine Sonderregelung für Touristen aus Deutschland geben wird, ließ Köstinger offen: „Es gibt keinen Stichtag, es könnte ja zu weiteren Wellen der Infektion kommen. Und dann ist nicht auszuschließen, dass wieder weitreichende Maßnahmen getroffen werden müssen.“
Die schwarz-grüne Regierung in Wien will Ende April einen Plan vorlegen, wie der Gastronomie- und Tourismussektor wieder hochgefahren werden kann. Köstinger sagte, dass es „natürlich Auflagen geben wird“ wie etwa Abstands- und Hygieneregeln.
Geld der deutschen Touristen fehlt
Wie eine solche bilaterale Vereinbarung mit der Bundesrepublik aussehen könnte, ließ Köstinger unterdessen offen. Gesundheitsminister Rudi Anschober von den Grünen reagierte unterdessen zurückhaltend auf den Vorstoß. „Der Wunsch nach einer Möglichkeit für Tourismus ist nachvollziehbar, allerdings abhängig von der Entwicklung der Corona-Pandemie in Österreich und international“, teilte seine Sprecherin der österreichischen Nachrichtenagentur APA am Sonntag mit.
Österreich braucht dringend das Geld der deutschen Touristen. Die Alpenrepublik erwirtschaftet seit Jahren über 15 Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts (BIP) im Fremdenverkehr. Laut Statistik Austria betrug der Umsatz der Tourismusbranche im Jahr 2019 mehr als 32 Milliarden Euro. Die Deutschen mit insgesamt 57 Millionen Übernachtungen sind mit einem Anteil von über 31 Prozent die größte Besuchergruppe aus dem Ausland.
Wegen des fahrlässigen Umgangs mit Skigästen in der Coronakrise, insbesondere in den Tiroler Skiorten Ischgl und St. Anton am Arlberg, hatte der österreichische Tourismus zuletzt einen großen Imageschaden hinnehmen müssen. Verbraucherschützer bereiten im Namen vieler Hundert Skitouristen derzeit eine Schadensersatzklage gegen Österreich vor.
Das Land könne nicht so tun, als sei nichts gewesen, sagte Vizefraktionschef Jörg Leichtfried (SPÖ) in Anspielung auf das Desaster der Tiroler Wintersportorte wie Ischgl im Umgang mit dem Coronavirus. „Der Großteil der deutschen Infektionen lässt sich auf das späte Reagieren auf die Krankheitsfälle in Ischgl zurückführen. Die Aufarbeitung der Causa Ischgl hat noch nicht einmal begonnen, geschweige denn wurden bislang die notwendigen Lehren daraus gezogen“, warnte der Sozialdemokrat am Sonntag. Österreich, rund zehnmal kleiner als Deutschland, zählt bislang 452 Tote durch das Coronavirus.
Bis zu ein Drittel weniger Einkünfte
Der Druck auf die österreichische Regierung für schnelle Lockerungen ist gewaltig. Denn viele Hotelbesitzer und Wirte stehen angesichts der Ausfälle bereits über Ostern mit dem Rücken zur Wand. Die fetten Jahre im Alpintourismus sind nach Meinung von Experten für unbestimmte Zeit vorbei.
Der Wiener Tourismusökonom Egon Smeral erwartet einen Rückgang bei den internationalen Ankünften in diesem Jahr um etwa ein Drittel. „Ähnliche Entwicklungstendenzen sind auch für die Entwicklung der realen Ausgaben für Auslandsreisen zu erwarten“, sagte der Professor an der Privatuniversität Modul University Vienna.
Die Rechtspopulisten versuchen unterdessen, sich zum Anwalt der wirtschaftlichen Interessen der Tourismus- und Gastronomiebranche zu machen. „Ich kann und will hier nicht weiter zusehen, wie man einen wichtigen Wirtschaftszweig den Bach hinuntergehen lässt“, sagte der frühere Vizekanzler und Rechtspopulist Heinz-Christian Strache. „Daher fordere ich im Sinne einer Allianz der Wirte die Bundesregierung unmissverständlich auf, die Zwangssperren mit 1. Mai zu beenden.“
Die rechtspopulistische FPÖ verlangt eine sofortige Öffnung der Gärten von Wirtshäusern und Cafés. „Es ist ja nicht einzusehen, warum man bei warmem Frühlingswetter nicht im Freien sitzen soll, wenn es andererseits kein Problem ist, dass Menschen stundenlang hintereinander auf Baumarkt-Parkplätzen stehen“, sagte Fraktionschef und Ex-Innenminister Herbert Kickl.
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