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Trump und die neue Weltordnung Der betörte Präsident

Donald Trump zeigt sich auf seiner Asienreise unterwürfig gegenüber Autokraten. Die Macht der USA schwindet, die der Chinesen wächst. Und Europa schaut dem Untergang der multilateralen Ordnung hilflos zu.
14.11.2017 - 18:54 Uhr Kommentieren
Donald Trump hat den großen Bahnhof, mit dem er in Peking empfangen worden ist, sichtlich genossen. Gegenüber Chinas Staatschef Xi Jinping war er sehr zahm. Quelle: picture alliance / ZUMAPRESS.com
Herr und Frau Trump in China

Donald Trump hat den großen Bahnhof, mit dem er in Peking empfangen worden ist, sichtlich genossen. Gegenüber Chinas Staatschef Xi Jinping war er sehr zahm.

(Foto: picture alliance / ZUMAPRESS.com)

Berlin, Düsseldorf Donald Trump hat eine Schwäche für starke Männer. Für Herrscher, die jene uneingeschränkte Macht verkörpern, die er nach eigenem Bekunden selbst gern ausüben würde, aber nicht ausüben kann, weil ihm Gewaltenteilung und Rechtsstaatlichkeit im Weg stehen. Der Verdacht der Verführbarkeit stand schon länger im Raum, Trumps Asien-Tour hat ihn nun bestätigt. US-Sicherheitsexperten sind alarmiert: Der Präsident, sagen sie, lasse sich von Autokraten um den Finger wickeln.

Zwölf Reisetage lagen hinter Trump – Stationen in Japan, Südkorea, China, Vietnam und auf den Philippinen – als er an Bord der Air Force One ins Schwärmen geriet. „Ich habe eine Menge Freundschaften geschlossen – in den höchsten Kreisen“, berichtete er dem mitreisenden Pressecorps. Begeistert verwies er auf seinen herzlichen Empfang auf den Philippinen, auf die Deals, die er in Vietnam eingefädelt habe, und vor allem auf die Gastfreundschaft von Chinas Staatschef Xi Jinping.

Für Trump hat mit seiner Präsidentschaft eine Ära begonnen, in der die USA sich wieder auf ihre nationalen Interessen zurückbesinnen und sich so Respekt erarbeiten. „Andere Länder haben die Vereinigten Staaten ausgenutzt, nicht nur in dieser Region, sondern überall auf der Welt“, sagte er. Damit sei es nun vorbei.

Doch viele Politikexperten in Washington fürchten, dass das Gegenteil der Fall ist: Durch Trumps Begehren nach Selbstbestätigung seien die USA manipulierbar geworden. „Die Chinesen haben Trumps unstillbares Ego bedient“, bilanziert Susan Rice, Sicherheitsberaterin unter Barack Obama. Mit „Glanz und Gloria“ sei es ihnen gelungen, davon abzulenken, dass sie sich in allen Streitfragen, sei es beim Handel oder im Atomkonflikt mit Nordkorea, nicht einen Deut bewegt hätten.

Trump hatte sich im Wahlkampf als beinharter Vertreter amerikanischer Interessen präsentiert – ein Image, dass er auch heute gern noch pflegt. Traditionelle Alliierte der USA, ob Mexikaner, Australier oder Europäer, brüskiert der Präsident immer wieder mit seinem ruppigen Auftreten. Unvergessen ist in Berlin die Szene, als er der deutschen Kanzlerin im Oval Office den Handschlag verweigerte. Doch gegenüber Autokraten gibt sich Trump auffällig zuvorkommend, beinahe demütig.

Trump glaubt dem russischen Präsidenten Putin

Dem russischen Präsidenten Wladimir Putin, den Trump am Rande des Gipfels der Asiatisch-Pazifischen Wirtschaftskooperation Apec in Vietnam traf, nahm er sogar dessen Versicherung ab, sich nicht in den amerikanischen Wahlkampf eingemischt zu haben – obwohl die US-Geheimdienste einhellig das Gegenteil vermelden. Trump offenbare damit, dass „ihn andere Machthaber manipulieren können, die sein Ego bestätigen und versuchen, seine Unsicherheiten auszunutzen“, kritisiert der frühere CIA-Chef John Brennan. Dies sei aus sicherheitspolitischer Perspektive „sehr, sehr beunruhigend“. James Clapper, der Geheimdienstkoordinator der Vorgängerregierung, sekundiert: Trump scheint „eine Schwäche dafür zu haben, wenn der rote Teppich ausgerollt wird und Ehrengarden“ aufmarschierten.

Noch nie war es so einfach, den mächtigsten Mann der Welt einzulullen. Selbst in Handelsfragen, wo Trump sich eindeutig positioniert hatte, wich er immer wieder von seiner bisherigen Linie ab. Der betörte Präsident stiftete so viel Verwirrung, dass seinen asiatischen Gastgebern der Kopf gebrummt haben dürfte. Trump schein zwischen seiner Begeisterung über seine neu geschlossenen Freundschaften und seinen merkantilistischen Überzeugungen hin- und hergerissen zu sein. Erst spielte er mit seinem Kumpel Shinzo Abe Golf, dann versuchte er Japans Premier zu einem bilateralen Handelsdeal zu drängen. Erst sprach er die Chinesen von jeglicher Schuld am US-Handelsdefizit frei, um sie dann einen Tag später indirekt an den Pranger zu stellen. Erst warb er für ein „indisch-pazifisches Bündnis“, stieß dann jedoch mögliche Verbündete mit einer nationalistischen „America first“-Rede vor den Kopf.

Auf dem Heimflug versuchte Trump etwas Ordnung in das selbst angerichtete Chaos zu bringen und twitterte: „Nach meiner Asienreise wissen alle unsere Handelspartner, dass sich die Regeln geändert haben: Die USA müssen fair und in reziproker Art und Weise behandelt werden. Die massiven Handelsdefizite müssen sich schnell verringern.“

Neue Regeln im internationalen Handel

Noch immer gilt dem US-Präsidenten ein Handelsdefizit als Beleg dafür, dass die USA beim Austausch von Waren und Dienstleistungen von ihren Partnern über den Tisch gezogen werden. „Ökonomisch ist das natürlich Unsinn“, betonte unlängst der ehemalige US-Finanzminister Larry Summers. Wenn Trump es jedoch mit seiner in Peking abgegebenen Einschätzung ernst meint und nicht die Handelspartner, sondern frühere US-Regierungen für die Ungleichgewichte verantwortlich macht, dürften die Asiaten den Abschiedstweet des Amerikaners ohnehin nur achselzuckend zur Kenntnis nehmen.

Asien richtet sich darauf ein, die wirtschaftliche Globalisierung auch ohne Trumps Amerika fortzusetzen. Am deutlichsten wurde das auf dem Apec-Gipfel spürbar, wo elf Staaten unter der Führung von Japan, Mexiko und Australien das bereits totgeglaubte Freihandelsabkommen der Trans Pacific Partnership (TPP) wiederbelebt haben. Trump hatte das Abkommen kurz nach seiner Amtsübernahme im Januar gekündigt. Nach Berechnungen des Peterson Institute für International Economics (PIIE) in Washington könnte TPP bis 2030 auch ohne die USA für ihre Mitglieder Einkommenszuwächse von rund 150 Milliarden Dollar pro Jahr generieren. Sollten weitere Interessenten wie Indonesien, Südkorea, die Philippinen, Taiwan und Thailand noch dazukommen, würden die Vorteile sogar auf fast 500 Milliarden Dollar jährlich steigen. Zugleich böte der Freihandelspakt insbesondere den kleinen Ländern im pazifischen Raum eine Alternative zu Chinas neuer Seidenstraße oder dem von Peking favorisierten Handelsbündnis „Regional Comprehensive Economic Partnership“.

China gewinnt im Pazifik die Oberhand

Wichtiger als Trumps Tweet dürfte für die Asiaten die Botschaft sein, dass multilaterale Handelsabkommen auch ohne und gegen die USA durchsetzbar sind. Der chinesische Präsident Xi Jinping hat das als Erster erkannt und sich in Da Nang als neuer Garant für multilateralen Freihandel angeboten. „Wenn der von Trump angeführte Rückzug in Nationalismus, Protektionismus und Unilateralismus andauert, könnte China mit seinem Modell die Oberhand gewinnen“, warnt Antony Blinken, ehemals stellvertretender Außenminister unter Präsident Barack Obama. Der Apec-Gipfel lieferte darauf einen Vorgeschmack: Xi erhielt für sein Angebot Standing Ovations. Für Trumps „America first“-Politik gab es hingegen nur spärlichen Applaus.
Die zweiwöchige Reise Donald Trumps hat gezeigt, dass nicht nur die geopolitische Ordnung, sondern auch die Welthandelsordnung vor einem tiefgreifenden Wandel steht.

Die Welthandelsorganisation (WTO), bisher der Garant für eine regelbasierte globale Handelsordnung, ist nur noch ein Schatten ihrer selbst. China und die USA versuchen, ihre Interessen durchzusetzen – ohne Rücksicht auf bestehende Vereinbarungen. Nur ist China dabei erfolgreicher als Trumps Amerika.

Der Chef des Münchener Ifo-Instituts, Clemens Fuest, hält diesen Trend für „gefährlich“. „Diese Entwicklung liegt nicht einmal im langfristigen Interesse der zwei größten Volkswirtschaften“, sagt er. Denn die Benachteiligung der kleineren Länder führe dazu, dass sie sich andere Märkte und Partner suchten. Doch es spricht derzeit nichts dafür, dass sich in Washington oder Peking die ökonomische Vernunft durchsetzt.

Was heißt das für Europa? Nach Auffassung von Fuest sollte der Kontinent weiter versuchen, die WTO zu stärken und fortzuentwickeln. Doch dass die Chancen in der derzeitigen weltpolitischen Konstellation äußerst gering sind, gibt der Ökonom offen zu.

Deshalb sollte „Europa darüber hinaus sein eigenes Netz von Freihandelsabkommen ausbauen“, fordert der Ökonom. Tatsächlich hat die Europäische Union gerade erst ein Freihandelsabkommen mit Japan, der drittgrößten Volkswirtschaft weltweit, geschlossen. Auch mit Indien, das in den kommenden Jahren China als bevölkerungsreichstes Land ablösen wird, strebt die EU ein Abkommen an. Allerdings stocken die Verhandlungen. Mit Vietnam und Singapur hat die EU bereits Abkommen ausgehandelt, mit den Philippinen, Indonesien, Malaysia und Thailand sitzt die Union am Verhandlungstisch. Auch mit Australien beginnen die Gespräche demnächst.

Europa bietet sich als Alternative an

Die asiatischen Volkswirtschaften drängen nach dem Rückzug Trumps aus dem transpazifischen Freihandelsabkommen TPP darauf, die Beziehungen zu Europa zu vertiefen. Und Europa steht bereit – nicht nur aus ökonomischem Interesse heraus, sondern letztlich auch, um die wachsende Abhängigkeit der asiatischen Länder von China auszubalancieren.

Fakt ist: Gute Beziehungen zu den asiatisch-pazifischen Ländern liegen im tiefsten ökonomischen Interesse der Europäischen Union. Denn laut Schätzungen des IWF steht dieser Wirtschaftsraum für zwei Drittel des globalen Wachstums bis zum Jahr 2030.

Die europäische Strategie kann daher nach Meinung vieler Experten nur lauten: den Kampf für eine multilaterale, regelbasierte Handelsordnung nicht aufgeben, aber gleichzeitig die Wirtschaftsbeziehungen zu den asiatischen-pazifischen Ländern ausbauen – ohne die nach wie vor guten Beziehungen zu China aufs Spiel zu setzen. Ein schwieriger Balanceakt.

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