Türkei Erdogan entlässt Zentralbankchef Agbal

Der türkische Präsident spricht sich immer wieder für niedrige Zinsen aus.
Istanbul Nach nur wenigen Monaten hat der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan Zentralbankchef Naci Agbal entlassen. Das berichtete die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu unter Berufung auf eine entsprechende Anordnung Erdogans in der Nacht zu Samstag.
Die Entscheidung kommt nur wenige Tage nachdem die türkische Notenbank den Leitzins überraschend deutlich um zwei Punkte auf 19 Prozent angehoben hatte. Neuer Notenbankchef wird Anadolu zufolge Sahap Kavcioglu, ehemaliger Abgeordneter von Erdogans Regierungspartei AKP.
Agbal hatte versucht, mit den Zinserhöhungen die hohe Inflation in den Griff zu bekommen. Begründet hatte er dies mit dem Kampf gegen die Inflation. Experten hatten ihn dafür gelobt. Erdogan dagegen spricht sich immer wieder für niedrige Zinsen aus.
Analysten erwarten nun zur Marktöffnung am Montag ein Absacken der Lira. Die Landeswährung hat seit 2018 bereits die Hälfte ihres Wertes zum Dollar verloren.
Agbal war erst Anfang November als Zentralbankchef eingesetzt worden. Außerdem war Erdogans Schwiegersohn Berat Albayrak am selben Wochenende überraschend als Finanzminister zurückgetreten.
Opposition kritisiert Absetzung des Notenbankchefs
Die Opposition hat Erdogans Eingriffe kritisiert und ihm vorgeworfen, seinen Einfluss auf die Notenbank auszubauen. „Was noch fehlte, war eine an die Partei angeschlossene Zentralbank, jetzt ist es soweit“, hatte ein Abgeordneter gesagt.
Der neue Notenbankchef Kavcioglu hatte zuletzt Agbals Zinspolitik kritisiert. „Die Zinsen rund um die Welt sind nahe Null. Eine Anhebung in der Türkei zu erwägen, wird unsere wirtschaftlichen Probleme nicht lösen“, hatte er im Februar in einer Zeitungskolumne geschrieben.
Experten sehen seinen Einstieg mit Sorge. „Das legt nahe, dass die Regierung versuchen wird, die Wirtschaft erneut mit niedrigen Zinsen stimulieren zu wollen“, sagte etwa Selva Demiralp, Wirtschaftsprofessorin an der Koc Universität in Istanbul. Das aber verstärke den Druck auf die Lira und könne die Wirtschaft noch mehr belasten.
Erst vor rund einer Woche hatte Erdogan erklärt, der Kampf gegen die Inflation gehöre zu seinen wichtigsten Vorhaben. Ziel sei eine einstellige Inflationsrate. 2020 hatte sie zeitweise bei 15 Prozent gelegen – befeuert auch durch die Abwertung der Lira, durch die Importe teurer wurden. Erdogan hat zudem Wirtschaftsreformen angekündigt. So soll die Steuerpolitik vereinfacht werden, Produktivität, Investitionen, Beschäftigung und Exporte sollen steigen. „Wir werden das Wachstumspotenzial erhöhen“, so Erdogan, der seit 2014 im Amt ist.
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