Türkei Erdogan will westliche Diplomaten doch nicht ausweisen

Der türkische Präsident rudert im Streit mit zehn ausländischen Botschaften zurück.
Istanbul Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan will den deutschen und neun weitere Botschafter nun doch nicht ausweisen. Die zurückhaltende Reaktion Deutschlands und andere Länder wertete der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan am Montag als Einlenken. Die Botschafter hätten damit vor „der Verleumdung unserer Justiz und unseres Landes kehrt gemacht“, sagte Erdogan am Montag nach einer Kabinettssitzung in Ankara. Er glaube daran, dass die Botschafter in Zukunft „vorsichtiger“ sein werden.
Wer die Unabhängigkeit der Türkei und die Empfindsamkeiten der Türken nicht respektiere, werde in diesem Land nicht Willkommen geheißen, so Erdogan. Egal, welchen Status die Person habe.
Die Entspannung führte am Devisenmarkt zur Erholung der türkischen Lira, die zuvor von Rekordtief zu Rekordtief getaumelt war. Sie hat in diesem Jahr fast ein Viertel ihres Wertes verloren.
Hintergrund der Äußerungen Erdogans war eine Erklärung der Botschafter von Deutschland, den USA, Frankreich und sieben weiteren Staaten Anfang vergangener Woche. Darin fordern sie die Freilassung des türkischen Unternehmers und Kulturförderers Osman Kavala. Der 64-Jährige sitzt seit 2017 in Istanbul in Untersuchungshaft, obwohl der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) schon 2019 seine Freilassung angeordnet hatte.
Erdogan hatte am Samstag gesagt, er habe das Außenministerium angewiesen, die Botschafter zehn westlicher Länder – darunter neben Deutschland auch die USA und Frankreich – zu unerwünschten Personen („Persona non grata“) zu erklären.
Lage im Botschafterstreit entspannt sich
Nach der Ankündigung Erdogans wäre dem türkischen Außenministerium nach diplomatischem Regelwerk die Aufgabe zugekommen, den betroffenen Staaten offiziell mitzuteilen, dass die Botschafter ihre Tätigkeit innerhalb einer bestimmten Frist einstellen müssen. Das scheint nun abgewendet. Neben Deutschland und den USA beteiligten sich auch die Botschafter von Frankreich, Kanada, Finnland, Dänemark, den Niederlanden, Neuseeland, Norwegen und Schweden.
Die Botschaften der USA, Kanadas, Neuseelands und der Niederlande in Ankara twitterten am Montag dann eine Erklärung, sich weiter an Artikel 41 des Wiener Übereinkommens zu halten. Andere Botschaften wie die deutsche teilten den US-Tweet. Der Artikel weist Diplomaten unter anderem an, sich nicht in innere Angelegenheiten des Empfangsstaats einzumischen.
In einer türkischen Version der US-Erklärung hieß es dabei, die Botschaft „bestätige“ eine Einhaltung der Konvention. Beobachter erklärten, dies könne so verstanden werden, dass die Botschaften eine Einhaltung in Zukunft zusagten.
Der ehemalige Oppositionsabgeordnete Aykan Erdemir sprach auf Twitter von einer „strategischen Zweideutigkeit“. Diese erlaube es „Erdogans Meinungsmachern zu behaupten, dass der Westen kapituliert hat, während die englische Version zu Hause den Eindruck erweckt, dass der Westen in Sachen Menschenrechte standhaft geblieben ist“.
Der Analyst Soner Cagaptay vom Washington Institute hingegen wertete Erdogans Rede am Montag als Imageschaden: „Erdogan profitiert im Inland von einem globalen Image als starker Mann.“ Auch wenn seine Regierung behaupten werde, das sein Schritt nun kein Rückzug sei, verpasse es Erdogans Image doch eine große Delle.
Mehr: Kommentar – Beim Eklat um die Botschafter ist Erdogan in die Falle getappt
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Ein Sieg fuer Erdogan - ein Eingestaendnis der Diplomaten ihres Fehlverhaltens. Ich bin
kein Freund von Erdogan und noch weniger von der Inhaftierung politischer Gegner.
Aber Diplomaten auf hoechstem Niveau muessen die Wiener Vereinbarungen kennen
und respektieren. Botschafter sind keine Menschenrechtsaktivisten - das Prinzip der
Nichteinmischung ist das oberste Gebot.