Türkei „Friedhof der Verräter“ für tote Putschteilnehmer

Hier werden sie begraben. Die Leichen der getöteten Teilnehmer am gescheiterten Putschversuch vom 15. Juli 2016. Namenlos und unerwünscht.
Istanbul Ganz hinten in einer Ecke auf der Baustelle für ein neues Hundeasyl im Osten Istanbuls liegt ein frisches namenloses Grab. Es ist das erste auf dem neuen „Friedhof der Verräter“, der eigens für die Leichen getöteter Teilnehmer am gescheiterten Putschversuch vom 15. Juli geschaffen wurde.
Insgesamt kamen dabei etwa 290 Menschen ums Leben, darunter 24 mutmaßliche Putschisten. Die Regierung nennt sie Verräter, unwürdig, ein angemessenes Begräbnis zu erhalten. Daher hat die Stadtverwaltung von Istanbul in der Woche nach dem Umsturzversuch bekanntgegeben, dass für diese Toten ein spezieller „Friedhof der Verräter“ entstehen werde. „Möge jeder, der vorbeikommt, sie verfluchen und sie nicht in Frieden ruhen lassen“, sagte Istanbuls Bürgermeister Kadir Topbas der Nachrichtenagentur Dogan zufolge.
Insgesamt geht die Regierung nach dem Putschversuch radikal vor, hat fast 16.000 Menschen festgenommen, darunter 10.000 Militärangehörige. Und das vor dem Hintergrund massenhafter Patriotismusbezeugungen in der Bevölkerung: Viele Türken lassen Flaggen aus den Fenstern ihrer Wohnungen oder Autos hängen, und abends gibt es regierungsfreundliche Kundgebungen in vielen Städten.
Die türkische Behörde für religiöse Angelegenheiten hat angeordnet, dass es keine Begräbniszeremonien und -gebete für jene geben soll, die im Zuge ihrer Beteiligung am Putschversuch ums Leben kamen.
Solche Gebete, so hieß es, seien für die Gläubigen als ein Akt der Entlastung gedacht, „aber diese Menschen haben mit ihrer Handlung nicht nur einzelne Personen, sondern die Gesetze einer ganzen Nation missachtet, und daher verdienen sie keine Entlastung durch die Gläubigen“.
Andrew Gardner, Türkei-Experte bei der Menschenrechtsorganisation Amnesty International, spricht von einem Schritt, „der zu einer ziemlich vergifteten und gefährlichen Atmosphäre“ nach dem Umsturzversuch beitrage. „Menschen religiöse Dienste und ein ordentliches Begräbnis zu verweigern ist eine grundsätzliche Verweigerung von Menschenrechten.“ Unter allen normalen Umständen wäre so etwas „unvorstellbar“.